Als Amy das getan hatte, wiegte der alte Offizier nachdenklich seinen Kopf hin und her. »Ich habe Köter, die etwa so aussahen, wie von dir beschrieben, gelegentlich in Ägypten gesehen. In einigen Gegenden des Landes, besonders am oberen Nil, wurden sie sogar verehrt. Man sah in ihnen das Abbild eines ihrer früheren Götter. Die Fellachen wurden richtig aufsässig, wenn man einen dieser Hunde schlecht behandelte. Es ist ja komisch, dass du mich mit dieser Geschichte an lange vergangene Dinge erinnerst. Wir hatten einen Leutnant im Regiment, der sich eines Tages einen solchen Hund anschaffte und später erklärte, dass der Hund wie ein Mensch gewesen sei und ihn verlassen habe, weil er, der Leutnant, ihn nicht verstanden habe. Was für ein Nonsens! Ich habe den Leutnant ermahnt.«
Am nächsten Nachmittag hielt Amy abermals vor Wesley McBridles Tierhandlung, zögerte einen Moment und ging dann entschlossen in das Geschäft. Der Ladeninhaber zog die Augenbrauen hoch.
»Sie brauchen bestimmt kein Futter mehr für die Beos?«
»Nein, ich möchte noch einmal den Hund nebenan sehen.«
Sie stand erneut vor dem Zwinger, in dem der schwarze Hund in gleicher Ruhestellung lag. Als sich Amy vor den Zwinger hockte und ihm in die grünen Augen sah, merkte sie den Unterschied. Der Hund erkannte sie. Es kam wieder zu einer Art Verbindung ohne Worte über den Blick. Diesmal schloss er seine Augen nicht. Es gab auch eine andere Veränderung: Seine Rute klopfte wedelnd zweimal auf den Boden, für jeden, der Hunde kennt, ein Zeichen, der Begrüßung.
Amy war gerührt. Sie hatte das unbestimmte Gefühl, als wolle er ihr etwas mitteilen, wie etwa, dass er Vertrauen zu ihr habe, und schalt sich gleichzeitig für ihre Gefühlsduselei.
»Haben Sie eine Ahnung, wie alt das Tier ist, Mr McBridle?«
»Nicht genau, Miss Amy. Der junge Mann erzählte mir, er habe ihn als Welpen gekauft, und da er nur zwei Jahre in Ägypten war und den Hund nicht gleich gekauft haben wird, dürfte er nicht viel älter als zwei, vielleicht drei Jahre sein. Übrigens: Gesund ist er jedenfalls. Ich habe ihn, bevor ich ihn übernahm, vom Veterinär untersuchen lassen.«
»Und hat er einen Namen?«
»Der junge Mann rief ihn ›Black‹, also Schwarz, und erklärte, er habe ihn wegen seiner Fellfarbe so genannt. Ein bisschen einfallslos, wie ich finde. Ich kann nicht sagen, ob der Hund selbst den Namen akzeptiert hat. Bei mir hat er nie darauf reagiert. Aber er hat sowieso auf keine Ansprache reagiert, sondern immer nur sein Futter genommen, sich ein bisschen Bewegung verschafft und sonst so dagelegen wie jetzt.«
Als Amy mit ihrem Vater beim Abendbrot saß, kam sie erneut auf den Hund zu sprechen.
»Wenn dir danach ist, Amy, kauf dir den Hund. Ich habe nichts dagegen. Ich mag Tiere. Sprich nur alles mit unserer Hilfe ab, damit er gut versorgt ist, und sage mir, wo du seinen Schlafplatz einrichtest, damit ich nicht über ihn stolpern muss.«
Er lächelte gutmütig.
Als Amy am dritten Tag erneut bei Wesley McBrides Kennel vorsprach, wusste der, dass er gewonnen hatte. Er begleitete sie zum Zwinger. Und als Amy sich vor dem Zwinger hinhockte und dem Hund in seine grünen Augen sah, da geschah das Unerwartete: Der Hund stand auf, ging auf Amy zu und bellte einmal kurz mit einem tiefen, klaren Laut, als wenn er sagen wollte: »Ich habe schon auf dich gewartet.«
So kam das jedenfalls bei Amy an. Sie bezahlte Wesley drei Pfund und erstand zusätzlich eine Hundeliege, ein Halsband mit Leine und ließ sich Instruktionen für die Fütterung geben. Als Wesley den Zwinger öffnete, kam der Hund von sich aus heraus und sah zu Amy auf, als wollte er sie auffordern, mit ihm zu gehen.
Er ließ sich geduldig das Halsband anlegen und folgte ihr bei Fuß nach Hause. Verschiedene Menschen drehten sich nach ihr und dem neuen Gefährten um. Ein merkwürdiges Paar, dachten sie.
»Ich habe den Hund gekauft, Papa!«, rief sie ihrem Vater zu, als sie nach Hause kam. Der Hund sah mit höflichem Respekt zu dem alten Herrn auf.
»Ich habe mir das schon gedacht, mein Kind. Ein wirklich schönes Tier, ein bisschen groß für meinen Geschmack, aber offenbar ruhig und gut abgerichtet. Wenn ich ihn so sehe, dann kann ich nur bestätigen, dass er den Hunden gleicht, die ich damals am oberen Nil gelegentlich gesehen habe. Vielleicht ist es ja ganz gut, dass wir einen Wächter im Haus haben. Die Einbrecher werden frecher und frecher. Und dieses Tier scheint geeignet zu sein, sie abzuschrecken. Wir werden ja sehen.«
Amy kniete sich vor ihren neuen Mitbewohner, der sie aufmerksam ansah und murmelte: »Nun gehörst du hierher. Dein ehemaliges Herrchen hat dir den Namen Black gegeben hat. Heißt du Black?«
Der Hund legte seinen Kopf etwas schief, sah sie unverwandt an, bellte wie zur Bestätigung kurz auf und wedelte freundlich mit seiner Rute.
»Auf den Namen scheint er zu reagieren«, dachte Amy und streichelte seinen Hals.
»Ich möchte dich lieber ›Blackie‹ nennen. Das klingt zwar etwas wie ein Kosename, den ein so würdevoller Hund wie du vielleicht nicht verdient, aber er geht mir leichter von der Zunge.«
Der Hund quittierte diese Ansprache mit einem weiteren leisen Laut.
»Und nun zeige ich dir, wie wir wohnen.«
Sie ging mit ihm durch das Haus, ohne das Esszimmer und die Schlafzimmer zu betreten. Er folgte ihr in den Garten, wo er einen Moment im Rhododendrongebüsch verschwand, um sein Geschäft zu erledigen. Sie zeigte ihm seinen Liegeplatz im Haus vor der Gartentür und gab ihm sein Futter. Später ging sie etwas bänglich nach oben in ihr Schlafzimmer und hoffte nur, dass mit dem Hund alles gut gehen würde.
Als sie am nächsten Morgen die Tür zu ihrem Zimmer öffnete, lag Blackie vor der Schwelle und sah zu ihr auf. Er folgte ihr wie ein Schatten nach unten und legte sich auf sein Bett vor der rückwärtigen Tür, während sie das Frühstück vorbereitete, ohne sie aus den Augen zu lassen.
Mr Merskin hatte zunächst die Stirn etwas kraus gezogen, als Amy die Bitte vortrug, ihren neuen Hund mit in die Kanzlei bringen zu dürfen. Da sich Amy für dessen Ruhe und Gehorsam verbürgte, überhaupt selten mit einem Anliegen kam, sah er ein, dass ein Hund für die behinderte Amy eine Hilfe sein würde. So gab er seine Zustimmung, zumal Amy in einem gesonderten Raum ohne Publikumsverkehr arbeitete. Trotzdem hätte er wahrscheinlich sofort Nein gesagt, wenn er vorher gewusst hätte, wie groß Blackie war.
Als Amy zum ersten Mal mit Blackie in die Kanzlei kam, gab es fast einen Aufstand. Selbst Mr Merskin bekam einen Schrecken, mochte dann seine Zusage aber nicht mehr zurücknehmen. Drei Tage später hatten sich alle an Amys Begleiter gewöhnt und fingen an, das schöne Tier, das so ruhig und wie selbstverständlich mit Amy erschien, ihr nicht von der Seite wich und tagsüber kaum wahrnehmbar auf einer Decke in ihrem Büro lag, nicht nur zu akzeptieren, sondern zu mögen und mit Respekt zu behandeln. Obwohl mancher der Mitarbeiter der Kanzlei wohl gern einmal den Hund gestreichelt hätte, weil Engländer Tierliebhaber sind, ließen sie das doch lieber sein. Der Hund hatte so eine Art, einen dermaßen abweisend anzusehen, dass man sich nicht traute, ihn anzufassen. Dabei hörte man von ihm kein Knurren oder gar Bellen, andererseits konnte man ebenso wenig ein freundliches Wedeln mit der langen Rute erwarten. Nur wenn Amy in ihr Zimmer zurückkam, hob Blackie sein Haupt von den Vorderläufen hoch und klopfte wie zur Begrüßung zweimal mit der Rute. Wie anders dann seine grünen Augen blickten.
Amy und ihr Vater merkten bald, was für ein außergewöhnliches Tier zu ihnen ins Haus gekommen war. Es war nicht nur mit den Sinnen eines Hundes, bei dem bekanntlich vor allem der Geruchssinn viel tausendmal besser ist als der der Menschen, und mit einem Gehör und einem Sehen im Dunkeln ausgestattet, das die Fähigkeiten eines Menschen unglaublich übersteigt, er hatte auch die Kraft eines Löwen, und wie es den Burgess’ schien, den Verstand eines intelligenten Menschen. Es gab eine Besonderheit an ihm. Amy hatte schon, als sie ihn kaufte, gemerkt, dass Blackie kaum spielerische Neigungen hatte, sondern trotz seiner Jugend sehr erwachsen wirkte. Es kam nie vor, dass er ausgelassen auf dem Rasen herumtollte, kläffte, und man ihm die Freude am Leben und Spielen anmerkte. Er war stets ruhig und ausgeglichen, fast würdevoll in seiner Haltung und höflich, wie Amy fand.
Immer