Die klare Sonne bringts doch an den Tag. Klaus Scheidt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Klaus Scheidt
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783981864267
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aufgehoben wäre, da haben Sie völlig recht, mein Herr. Aber ich kann nicht so lange warten, weil es dann zu spät ist.«

      »Zu spät für was?«

      »Das ist viel zu spät sogar, denn meine finanzielle Deadline ist morgen schon um zehn Uhr. Bis dann muss ich in bar eingezahlt haben, sonst bekomme ich mächtig Ärger.«

      »Von Seiten eines Gläubigers?«

      »Nein, nicht was Sie denken, es wäre viel schlimmer.« Mehrmals wedelte der junge Mann mit beiden Händen, die Finger fächerförmig gespreizt, und spitzte den Mund wie zu einem stummen Pfiff. »Mein alter Herr macht mir die Hölle heiß, wenn ich morgen früh in Bremen nicht zur Abschlussprüfung zugelassen werde, denn er hat das Geld fürs Studium und die Prüfungsgebühren bereits vorgeschossen.«

      »Dann haben Sie wohl Ihren Etat überzogen«, stellte Stormann fest, blickte aber verständnisvoll. »Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser; vor allem wenn man weiß, dass es in Hamburg einige Ecken gibt, an denen man sein Geld leicht loswerden kann, wie zum Beispiel ...« Mit dem Kopf machte er eine Bewegung in Richtung des bergauf liegenden Viertels Sankt Pauli.

      Der junge Mann folgte mit fragendem Blick dieser Kopfbewegung, dann begriff er. »Nicht doch!« Abwehrend hob er beide Hände, jedoch rötete sich sein Teint über beide Backen hinweg sowie seitlich am Hals bis zu den Ohren. »Da gehe ich nicht hin.«

      »So ist‘s recht, ein echter Hanseat liebt lieber in Sankt Georg.«

      Noch heftiger schüttelte der Student den Kopf.

      »Schon gut, das geht mich ja auch nichts an. Was studieren Sie denn eigentlich?«

      »Seerecht.«

      Stormann richtete sein sonnengebräuntes Gesicht wieder auf den Studenten. »Dann wollen Sie wohl mal ans Seegericht ...«

      »Nein, bloß das nicht. Ich will Kapitän werden, aber mein Alter hat darauf bestanden, dass ich erst einmal Seerecht studiere, denn das wäre gewinnbringender für unser Unternehmen.«

      »Das ist zufällig eine Reederei?«

      »Volltreffer!« Der junge Mann hob grinsend den rechten Daumen. »Von Jügesen & Söhne.«

      »Das hört sich nach einem Familienbetrieb an.«

      »Richtig. Ich bin der Junior, Malte Jügesen.«

      »Sehr schön für Sie, dann sind Sie ja schon im Geschäft. Aber wieso ...« Verwundert zeigte Stormann auf einige der besten Stücke. »Wieso müssen Sie dann ...«

      »Weil ich überhaupt nichts zu melden habe, denn mein alter Herr schenkt mir kein Vertrauen.« Malte Jügesen druckste ein wenig herum, bis er mit der Begründung herausrückte. »Er ist der Meinung, ich wäre leider noch nicht soweit, ich sei ein … Luftikus.«

      Stormann lachte herzlich, jedoch verhalten und er sprach leise, weil er nicht brüskieren wollte. »Eigentlich führen Sie gerade den Beweis für seine Einschätzung.« Um vom unangenehm werdenden Thema abzulenken, hob er mit drei Fingern der rechten Hand eine Ecke eines vergilbten Tuchs aus weißem Leinen sacht an und beugte sich hinab, um darunter zu lugen. Sein Verdacht bestätigte sich: Er erblickte den metallenen Lauf einer Pistole. Kopfschüttelnd sah er auf, während er den zerschlissenen Zipfel losließ.

      »Herr Jügesen, hat jemand gesehen, dass Sie eine Waffe hier hingelegt haben?«, flüsterte Stormann.

      »Bestimmt nicht, kaum hatte ich sie abgelegt, erfolgte schon der Windstoß.«

      »Das ist gut für Sie.«

      »Wieso denn?« Verständnislos hob Jügesen die Brauen.

      »Weil Sie von allen guten Geistern verlassen worden sind: Das ist eine Waffe!«

      »Natürlich weiß ich das, aber es ist doch bloß eine Walther PePeKa, schon uralt, eine Antiquität aus dem Zweiten Weltkrieg.«

      »Bloß? Antik? Sie ahnen ja nicht im Geringsten, wie viele Ihrer Mitmenschen mit solchen ‚Antiquitäten‘ schon umgebracht wurden.« Behutsam tastete Stormann mit der flachen Rechten die Konturen der Walther PPK unter dem Tuch ab: Der Sicherungshebel befand sich in der unteren Position und der Ladestift an der Rückseite des Verschlusses war nicht zu spüren.

      »Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen, mein Herr, dieses uralte Dingsda ist gesichert und das drinsteckende Magazin ist leer.«

      »Gesichert ja, sonst könnte ich den Ladestift ertasten, aber das Magazin müsste ich nachsehen.«

      »Das habe ich vorhin schon gemacht«, sagte Jügesen leise, den Tonfall des Gesprächs beibehaltend, aber der Klang seiner Stimme war nicht überzeugend.

      Im Blick von Stormann funkelte sogleich der Zweifel. »Eine Waffe ist und bleibt eine Waffe und ich bin mir so gut wie sicher, dass man mit dieser Pistole noch schießen kann.«

      »Und ob, bis kurz vor seinem Tod hat mein Großvater noch damit geschossen. Seit Kriegsende schon bestanden seine beiden Halbbrüder die ganzen Jahre über geradezu verbissen darauf, dass er mit ihnen um die Wette ballert – alle drei waren nämlich bei der eSeS. Mein Vater jedoch fasste sie niemals an und ich will sie erst gar nicht erben. Deswegen verkaufe ich sie heute. Hoffentlich.«

      »Da machen Sie sich mal keine Hoffnungen, in keinster Weise. Im Gegenteil. Seien Sie heilfroh, dass ich Ruheständler bin, sonst hätte ich die Pistole längst konfisziert.«

      »Ups!« Konsterniert blickend hielt Jügesen die linke Hand vor den Mund.

      »Also so was von unbekümmert habe ich nun schon ganz lange nicht mehr erlebt. Ich drücke aber mal beide Augen zu, wenn Sie diese Waffe sofort wegpacken, wieder mit nach Hause nehmen und mir hoch und heilig versprechen, nie wieder so eine Riesendummheit zu machen.«

      Dieses Mal röteten sich auch die Ohren des jungen Mannes und er fühlte sich wie ein Schwerverbrecher, so eindringlich hatte ihn sein Gegenüber angeblickt. Hastig griff er nach dem Leinenbündel und schubste es durch eine Ausstanzung in die unterste Kiste eines Stapels weißer Kartons, die rundum bedruckt waren mit blauen Emblemen und gelben Bananen.

      »Apropos Dummheit.« Der vor kurzem erst pensionierte Kriminalhauptkommissar blickte ein wenig milder. »Ich habe den Eindruck, Sie wollen unersetzbares Familiensilber verscherbeln.«

      »Ach was, dies hier ist nicht der Rede wert. Sie sollten mal sehen, wie viel wir hab...« Jügesen zog die Brauen zusammen. »Ähm, Moment!« Er gebot Einhalt, indem er mit beiden Handflächen eine imaginäre Barriere zu errichten schien, und blickte sein Gegenüber scharf an. »Jetzt möchte ich aber auch mal etwas wissen. Machen Sie das immer so mit dem Ausfragen?«

      Nun war es Karl Stormann, der verlegen wurde. »So? Wirklich?« Mit der rechten Hand hob er seinen Hut ein wenig an und fuhr sich mit den Fingern der Linken durch das dunkelbraun gelockte, auf Streichholzlänge frisierte Haar. »Falls ich darauf nicht geachtet habe, liegt das wohl an meinem Beruf. Bis vor Kurzem war ich noch Kriminalpolizist und das Vernehmen von Verdächtigen war für mich sozusagen das Gelbe vom Ei.«

      »Aha!« Malte Jügesen senkte seine Hände. Er beugte sich vor und zwinkerte vertraulich »Aber Sie sind doch nicht etwa hinter mir her?« Jedoch grinste er beim Sprechen – seine Reaktion war die eines unbescholtenen Bürgers.

      »Ach was, wie ich schon sagte, bin ich Rentner.«

      »Aber wegen Ihres langen und bestimmt erfüllten Arbeitslebens werden Sie sich nur schwerlich an Ihr frei gewordenes Leben gewöhnen, nicht wahr?«

      »Das ist nur zu wahr.« Bedauernd zuckte Stormann mit den Schultern und ließ seinen Blick schweifen bis zum Versteck der Pistole. »Bestimmt werden noch mehr Leute bemerken, dass es mich immer noch reizen würde.«

      »Einhundert De-Mark!« Malte Jügesen witterte seine Chance, die Waffe doch loszuwerden.

      »Hören Sie sofort auf damit! Das kommt überhaupt nicht in Frage. Ich würde Ihnen höchstens ein nettes Geschenk abkaufen für meine erwachsenen Kinder oder die Enkel.«

      »Ihre