Die klare Sonne bringts doch an den Tag. Klaus Scheidt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Klaus Scheidt
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783981864267
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senkte er sie und tastete mit allen Fingerspitzen das Leinentuch ab. »Das bekomme ich selber heraus, ich kann‘s mir sogar schon denken.«

      »Nur zu.«

      »Ein kurzer Lauf, ... ein Griff, ... ein Abzugsbügel. Das kann nur eine Faustfeuerwaffe sein, eine Pistole würde ich sagen, denn ich spüre keine Trommel.«

      »Treffer: Eine Walther PePeKa, sehr gut erhalten, obwohl aus dem Zweiten Weltkrieg. Mit dieser Waffe wurde bis vor kurzem sogar noch geschossen.«

      »Gesichert? Entladen?« Vorsichtig fasste Brüwer einen Zipfel des Leinentuchs.

      »Gewiss.«

      »Na, dann wollen wir doch mal nachsehen.« Obwohl in dieser Ecke kaum jemand sie beobachten und abhören konnte, reckte Brüwer seinen Hals und vergewisserte sich mit einem unauffälligen Blick rundum, dass wirklich keiner der anderen Gäste etwas mitbekam; dann packte er aus. »Alles blank poliert, wie neu. Nur der Griff ist schon ganz schön abgenutzt, also wurde mit der Waffe viel hantiert.«

      »Ertappt«, flüsterte Georgios und grinste dermaßen, dass sein pechschwarzer Vollbart rechtwinklig von den dicken Backen abstand. Er hatte es genossen, sich gelegentlich anzuschleichen und die beiden Kommissare während ihrer zumeist konspirativen Sitzungen ein wenig zu erschrecken. »Dabei dachte ich, ihr seid pensioniert.«

      »Sind wir auch.« Nachdem Brüwer sich von seinem Schrecken erholt hatte, nickte er mit Nachdruck und zeigte mit dem rechten Zeigefinger anklagend auf Stormann. »Der da ist schuld.« Danach wies er auf den Wohlstandsbauch des Griechen. »Wie immer hast du weder etwas gesehen noch gehört! Du weißt, du bist und bleibst unser einziger Mitwisser, Vertrauter und Freund in Hamburg, im Norden, in Deutschland, in Europa und dem Rest der Welt.«

      Diese ins globale ausufernde Schmeichelei ging Georgios runter wie Öl aus frisch gepressten Oliven, geerntet von den Hängen des Olymp. Selig lächelnd stellte er die beiden mit hohem Schaum gekrönten gläsernen Krüge mit einem Doppelknall auf der marmornen Tischplatte ab. Als er sich neugierig vorbeugte, rann ein Schweißtropfen über seine feuchte Stirn, entlang einer verklebten schwarzen Haarsträhne. »Ist jemand damit ermordet worden?« Der Tropfen löste sich und platschte auf den metallenen Griff der Pistole.

      »Kann sein, mein Guter, kann auch nicht sein. Im Augenblick weiß ich nicht mehr als du«. Kopfschüttelnd blickte Brüwer auf, tupfte mit der Spitze des Lappens die geriffelte Oberfläche trocken und sah Stormann an. »Also, was hat es mit dieser Pistole nun auf sich?«

      »Dem Opa von dem jungen Mann, von dem ich dir erzählt habe, gehörte diese Waffe zuerst, dann erhielt sie der Vater, und der Sohn nahm sein Erbe vorweg, um sie zu ...«

      »Also vom Vater geklaut, ähm, gestohlen.« Brüwer drohte mit dem Finger. »Und du hast sie gekauft, also bist du ein Hehler.«

      »Ach was. Ich mache doch kein Geschäft damit, sondern sichere ein mögliches Beweisstück, präventiv handelnd«, murmelte Stormann und hob beschwichtigend beide Hände. »Nachdem ich also bei seinem Vater gewesen war, ließ mir diese Geschichte nämlich keine Ruhe, sondern ...«

      »Ähm, Georgios.« Brüwer blickte auf. »Mein Lieber, du kannst deine anderen Gäste nicht länger im Stich lassen.«

      »Ach was, die kommen schon ein Weilchen ohne mich klar«, protestierte der vom steten Abschmecken rundlich gewordene Gastronom, welchem die Neugier im fülligen Gesicht geschrieben stand. Er beugte sich hinab zum rechten Ohr von Brüwer. »Ich gebe auch einen aus«, säuselte er in einer Tonlage, welche selbst die schöne Helena hätte betören können.

      »Nein, nein, mein Allerbester, es tut mir wirklich leid. Auch wenn du uns damals bei der Sache mit dem Angelcenter den entscheidenden Tipp gegeben hast, du kannst nicht einfach mithören.« Brüwer wedelte mit dem rechten Zeigefinger. »Und bestechen lassen wir uns schon gar nicht.«

      Den Herrn im Himmel anflehend legte Georgios den Kopf in den Nacken, verdrehte die Pupillen und breitete seine kräftigen Arme aus zur allumfassenden Frage, womit er das verdient habe. Weil ihm keine Antwort der höheren Mächte zuteil wurde, ergab er sich in sein Schicksal und schlurfte mit hängenden Schultern zur Theke zurück.

      »Nun schieß endlich los.«

      »Bevor ich das Märchenbuch kaufte, entdeckte ich unter diesem Lappen diese Waffe. Jügesen junior, durchaus ein Luftikus, wie sein Vater meint, wollte sie verscherbeln, aber ich habe ihn zurechtgestutzt. Wegen diesem merkwürdigen Aufsatz von ihm aus dem Märchenbuch und dazu noch diese abstruse Geschichte um den Urgroßvater jedoch ...«

      »Die musst du mir noch erzählen. Und von dem Treffen mit dem alten Jügesen berichten.«

      »Von Jügesen senior. Da legt er Wert darauf, im Gegensatz zu seinem Sohn.« Stormann grinste belustigt. »Wenn du deren Familiengeschichte hörst, haut‘s dich vom Hocker.«

      »Dann trifft es sich gut, dass ich mit dieser Sitzbank fast verwachsen bin.« Brüwer pochte mit den Fingerknöcheln gleichzeitig links und rechts aufs Holz. »Los, weiter.«

      »Also bin ich vom Stammhaus gleich wieder zum Fischmarkt marschiert, um für alle Fälle die Pistole an mich zu bringen, bevor er sie doch gegen jede Vernunft an irgendjemanden auf Nimmerwiedersehen verhökern konnte. Ich kam rechtzeitig an, denn er hockte immer noch dort, obwohl rund um ihn herum schon alle fort waren oder gerade am Abbauen.«

      »Dann hatte er sicherlich noch nicht genug eingenommen.«

      »Das stimmt, aber mit dem Preis für die Pistole hat es dann doch gereicht.«

      »Daher kombiniere ich: Dein zweiter Kauf war kein Schnäppchen, weil dein butterweiches Herz dich ganz gewiss dazu getrieben hat, dieses Mal nicht zu handeln, sondern sogar noch so viel draufzulegen, bis es für ihn endlich gereicht hat.« Mit wahrheitswissendem Blick griff Brüwer nach seinem Krug und saugte Schaum, während er ihn neigte, um auf den Bierpegel zu stoßen.

      »Wie kommst du denn darauf?«

      »Der saß doch schon ganz alleine da und wäre ganz bestimmt nichts mehr losgeworden. Außerdem kenne ich dich ja nun mehr als lange genug.«

      Stormann hob ein wenig die Schultern an und blickte leicht verlegen. »Das war es mir dann doch wert.«

      »Siehst du.« Brüwer setzte den Krug ab, erhob den Zeigefinger der anderen Hand. »Daran erkenne ich meine Pappenheimer.« Dann beugte sich weit über den Tisch und tippte energisch auf die Steinplatte. »Warum eigentlich bist du nicht gleich am Angelplatz umgekehrt und hast ihm den Zettel zurückgebracht?« Er zwinkerte heftig, legte den rechten Zeigefinger sacht aufs rechte Unterlid und zog ein wenig daran. »Ich folgere: Du hattest deine Nase schon zu tief drin in der Sache und wolltest dir diese einmalige Gelegenheit nicht entgehen lassen, das Stammhaus dieser Reederei mal – natürlich nur für alle Fälle – unter die Lupe zu nehmen.«

      »Du hast recht, wie immer, außerdem wollte ich meine Runde um die Alster herum nicht abbrechen.«

      »Zurückbringen wäre aber einfacher gewesen und außerdem hat der Alte, ähm«, Brüwer verdrehte die Pupillen, »der von Jügesen senior bestimmt gefragt, wie du Buch und Zettel erworben hast. Das gibt doch Ärger für den Jungen, oder?«

      »Ich habe ihn sehr darum gebeten,« Stormann blickte so insistierend wie zuvor beim Gespräch mit dem Reeder, »seinen Sohn nicht darauf anzusprechen, außerdem kann ich das Buch noch zurückgeben. Herr von Jügesen senior wollte es mir auf der Stelle abkaufen; sein Angebot gilt noch.«

      »Dann nimm‘s lieber sofort an, sonst verdirbst du es dir endgültig mit deinem Enkel.«

      »Ich versuche es aber erst einmal bei ihm. Ich denke, das wird schon schiefgehen.«

      »Ha, von wegen Enkelversteher.« Mit beiden Händen wiegelte Brüwer ab. »Du wirst dich noch wundern. Wetten dass?«

      »Ich wette nie!« Mahnend richtete Stormann seinen Zeigefinger auf den Ex-Kollegen, aber dann begann er, zu schmunzeln. »Übrigens hat die Inspektion der Reederei noch eine schöne Nebengeschichte generiert: Ich habe auf die Schnelle eine Tagesangelkarte besorgt für die Bille