Und Berit fragt nach der Reise, und ich erzähle von der Reise, und sie fragt, ob ich Hunger habe, und ich sage, dass ich pappsatt bin, auch wenn mein Gedärm schreit, ich habe keine Ahnung, warum ich behaupte, satt zu sein, warum um alles in der Welt lügt man über solche Dinge, und ich versuche, Reinert dazu zu bringen, ein wenig über Fischerei und Landwirtschaft zu erzählen, und er sagt »ohoch«.
Aber dann fängt es wieder an zu regnen, und das Regenwetter scheint ihn auf irgendeine Weise zu beleben, »werden wohl sehen«, sagt er. Dann läuft er zum Traktor hinüber, holt einen grünen Regenmantel und reicht ihn mir, und als ich den anziehe, passiert etwas, worüber ich in den folgenden Tagen und Wochen staunen werde, ja, worüber ich ehrlich gesagt bis zum heutigen Tage keine Klarheit gewonnen habe. Es verhält sich nämlich so, dass Berit einen kleinen Ausruf ausstößt. Es ist kein ganzer Satz und auch kein kurzes verständliches Wort, es ist einfach nur eine Art verdutztes Quaken, und ich begreife ja, dass es um etwas geht, dass ihr ganz plötzlich eingefallen ist oder das sie ebenso plötzlich entdeckt hat.
Und dann steht sie da und zeigt auf einen Hut, den wir aller Wahrscheinlichkeit nach während der Willkommenszeremonie in Sand und Schlamm getreten haben, er liegt dort eingebeult, besudelt, er ist ruiniert. Reinert sieht ihn nun ebenfalls, und gemeinsam verlegen er und Berit sich darauf, ein wenig zu jammern – so was schon mal gesehen, der schöne Hut, ist das deiner?
Berit hebt ihn hoch und wischt ihn ab.
Meiner?
Ja, ob das mein Hut sei?
Ich mit Hut? Nein, jetzt müssen sie aber wirklich …
Sie lässt nicht locker. Der ist doch ganz neu!
Neu? Dann sieh doch mal her! Verschmutzt und ruiniert. Vom Meer angeschwemmt.
Da stehe ich nun und verleugne meinen Hut. Ich merke, dass mir heiß wird, und aller Wahrscheinlichkeit nach laufe ich rot an. Ich kann mich selbst nicht verstehen. Dieser Hut scheint auf irgendeine Weise zwischen uns zu stehen. Zwischen mir und diesen beiden Inselbewohnern. Vor kurzer Zeit ging ich noch am Meer entlang, die Jacke über den Rücken geworfen, den rechten Zeigefinger durch den Aufhänger gesteckt. Den Hut schräg gerückt. Aber jetzt ist es einfach unmöglich, mich zu diesem Hut zu bekennen. Es ist nicht meiner. Ich gehe nicht im Hute. Nun nimmt Reinert Berit den Hut weg. Klopft die Beulen glatt und wischt den Sand von der Krempe. Setzt den Hut auf seinen eigenen Kopf und macht einige alberne Handbewegungen. Und ich werde wütend. Ich reiße ihm den Hut vom Kopf und schleudere ihn weit über den Strand. Und im selben Moment scheint sich eine Jalousie vor meine Augen zu senken. Ich höre Berits Stimme wie aus weiter Ferne. Und auf der Jalousie wird jetzt ein Film gezeigt. Ich sehe mich am Fähranleger eintreffen, ich sehe mich an Bord gehen und in der Cafeteria Platz nehmen. Mit Hut. Ich sehe die Blicke der Einheimischen, ich sehe, wie sie sich an ihren Mobiltelefonen zu schaffen machen. Bald weiß die ganze Insel, dass Berits Freund aus der Stadt auf der Fähre und dann im Hafen eingetroffen ist – mit Hut.
Das denke ich, während ich die nötigen Korrekturen am Moped vornehme, am Motorrad, wie ich es gern nenne, ich überprüfe die Zündkerze, drehe den Deckel vom Benzintank, wische fast unsichtbare Ölflecken ab, ich denke an die Sache mit dem Hut und daran, was ich ganz klar als kleine Notlüge im Zusammenhang mit meinem Besitz eben dieses Hutes aufgefasst hatte, die Tatsache, dass ich plötzlich nicht zugeben wollte, dass er mir gehört, und an die bösen Worte, die infolge dessen gefallen sind, es ist nichts, woran es sich zu denken lohnt, diese Sache ist jetzt aus der Welt, aber hier stehe ich nun und denke daran, bis ich Arnes Schritte im Kies höre.
»Du kannst es dir doch überlegen. Niemand zwingt dich zu irgendwas. Komm jetzt!«
Ich weiß nicht so ganz, was ich darauf antworten soll, also sage ich nichts, ich folge ihm die Treppe hoch und ins Holländerhaus, in das alte Schulgebäude, das jetzt, wenn wir Inselbewohner erst einmal fertig damit sind, der Familie van der Klerk als Zuhause dienen soll, den Holländern oder Niederländern, je nachdem, die erwartet werden, die wir per Internet bereits willkommen geheißen haben. So gehe ich weiter. Dicht hinter Arne Svendsens breitem Rücken. Wir müssen bei dieser Arbeit zu dritt sein. Sonst geht es nicht. Sonst können wir das Fenster nicht einsetzen. Und Ellen lugt ein wenig verlegen zu mir herüber, als sie dahinten den Tisch abräumt, die unausgesprochene Entschuldigung liegt ihr auf der Zunge, während meine eigene Stimme, jetzt tief und klangvoll, ihnen beiden versichert, dass ich mir die Sache überlegen werde.
»Dann geht’s los!«
Und es geht los.
Hier festhalten! Stop! Moment noch! Eins. Zwei. Drei. Der alte morsche Fensterrahmen löst sich nach und nach. Die Fensterscheiben hat Arne schon am Vortag herausgeschlagen, damit sie jetzt nicht platzen und uns bei der Arbeit verletzen können, aber Ellen und ich geben ihm zu verstehen, dass wir verstehen, dass wir wissen, dass er, der erwachsene Mann, am Vortag hier oben im ersten Stock war und den Knaben gespielt hat. Er hat die Fenster herausgeschlagen, sagt er, und bei ihm hört sich das an wie eine schwere Arbeit, die er mit gewissem Widerwillen ausführen musste, mit einer in Sackleinen gewickelten Axt, aber ich bin wohl kaum der Einzige, der sich vorstellt, wie er da steht und mit halb ersticktem Gebrüll mit einem Ziegelstein aus dem Haufen auf dem Hofplatz die Fenster einwirft. Jedenfalls bin ich nicht der Einzige, der grinst, als er seine verlogene Darstellung der Ereignisse bringt. Auch Ellen grinst, und es ist durchaus auch möglich, dass sie mir ein wenig zuzwinkert, als sie sagt, es sei ja doch traurig, dass er gerade diese Arbeit allein verrichten musste. Sie haben jedenfalls wieder zueinandergefunden. Ellen und Arne Svendsen. Es war ein Sommer voller Beschimpfungen und Eifersucht, darüber sind sich alle im Klaren. Aber jetzt hat sie beschlossen, ihn doch nicht zu verlassen, und das trotz vieler Dinge. Ist ein bisschen jähzornig, dieser Arne. Ein bisschen kleinlich und ungerecht. Aber wie Berit sagt: Wir haben alle unsere Eigenheiten. Was ich zu bestätigen gelernt habe. Außerdem kann niemand etwas anderes behaupten, als dass Arne Svendsen ein tüchtiger Arbeitsmann ist, und ein guter Vater für seine Kinder. Knauserig ist er auch nicht, wenn er erst einmal Geld hat. Es ist allgemein bekannt, dass er Reinert von Neset bei der neuen Scheune geholfen hat, als die Bank sich weigerte. Jetzt ist er die eigentliche Triebkraft, das Alphamännchen in der Arbeitsgruppe, die aus dem alten Schulgebäude das machen soll, was wir allesamt das Holländerhaus nennen. Wenn ich mich nicht sehr irre, und das tue ich nicht, denn so hat Arne es beschlossen, reißen und zerren wir jetzt am Fensterrahmen dessen, was zum Schlafzimmer der »Klerke« werden soll. Horst und Evelyn van der Klerk, die zusammen mit ihren Kindern dort unten sitzen, mehrere Meter unter dem Meeresspiegel, und die von einem neuen Dasein hier oben an der wilden Küste träumen. Das hier soll unser Willkommensgeschenk für sie sein. Neues Dach und neue Fenster. Und der erste Anstrich. Mit dem Rest können sie dann selbst herumpusseln.
Mit einem schnarrenden Geräusch versinkt der Fensterrahmen draußen im Nichts, und als wir noch einmal drücken, knallt er zwischen die Brennnesseln beim alten Brunnen und schlägt eine Senke in den Boden.
Rauchpause. Ich schiebe einen General ein. Arne dreht sich eine Rødmix. Ellen läuft Thermoskanne und Tassen holen.
Arne zeigt und erklärt, während er in regelmäßigen Abständen den Rauch tief in die Lunge zieht. So. Auf diese Weise. Flaschenzug. Seile.
Wir wollen das neue Fenster hochhieven und den Rahmen mit Holzkeilen an der Wand befestigen. Und alles soll ganz gerade und richtig sein. Das ist unsere Aufgabe für heute.
»Dann