Der Kater steht in der Küchentür und betrachtet mich. Große aufgerissene Augen, als habe er einen soeben gelandeten Außerirdischen entdeckt, er steht da in der Türöffnung und ist in der Welt zugegen, wie erstarrt für einige Sekunden, ehe er zum Schaukelstuhl hinüberstolziert, um dann einen Sprung auf Berits Schoß zu machen, zu ihr, die seine Auserwählte ist, seine Bevorzugte auf Erden, und darin liegt ein tiefes Verständnis zwischen dem Kater und mir.
Das Mobiltelefon in der Seitentasche meiner Arbeitshose piept. Ein schwaches Vibrieren an meinem Oberschenkel.
Es ist Reinert von Neset. Jetzt will er das Holz bringen.
Ich gehe in den Gang hinaus und ziehe Magnes schwere Arbeitsstiefel und Magnes Jacke mit den Farb- und Harzflecken an.
Dann gehe ich hinaus.
Es weht. Hier oben weht es fast immer. Starker Wind kommt vom Meer herein, gewürzt mit winzigkleinen Eiskristallen, die sich an den Nähten der Jacke ablagern, die weiße Linien auf den groben Stoff zeichnen. Die Lampe auf dem Hof legt einen gelben Halbkreis in den Kies. Ich gehe über den Hofplatz zur Scheune und öffne die Doppeltür, ich weiß nicht, warum, es ist doch zu früh, aber ich sichere beide Türen mit den dicken Eisenbolzen. Und die Bolzen wiederum sind im Boden verankert.
Unten am Strand bleibe ich stehen und stoße mit dem Fuß den dicken Stamm an. Der lässt sich ein wenig bewegen. Ich denke, dass wir zwei noch gute Freunde werden, in den Stunden, die wir brauchen, um dich mit Säge und Axt zu zerteilen, dich Stück für Stück ins Haus zu bringen, zum Trocknen beim Ofen, ehe der Ofen dich bekommt und Berit und ich die Wärme.
Dann gehe ich in die Hocke und halte die Hand in das eiskalte Wasser.
Berühre die glatten Steine.
Wie ich das sonst nur mache, wenn die alte Unruhe mich erreicht.
Das geschieht nicht oft.
Jetzt bin ich ganz ruhig. Deshalb zähle ich nicht bis tausend, sondern denke stattdessen an Walhai und Rochen, an Tigerhai und Seelachs, die da unten in der großen nassen Welt umherschweben, in die ich jetzt meine Hand geschoben habe, in dem hohen Himmel aus Salzwasser, der sich über den Tiefen wölbt, kalt und dunkel und gewaltig. Es ist überwältigend. Eine einzige große schwimmende Gebärmutter, und ich wohne so nah dabei, dass die Stürme große Schaumsoden von der Oberfläche reißen und sie mit einem weichen Klatschen, das ich aus irgendeinem Grund mit Sex assoziiere, gegen die Wohnzimmerfenster werfen. Der grelle Leuchtturm draußen auf Skarven brennt jetzt und alle paar Sekunden fegt der Lichtkegel über Meer und Schären und Inseln hier drinnen in unserem Teil der Bucht, jetzt durch das immer dichter werdende Schneegestöber. Ich ziehe die Hand aus dem Meer und will mir durch die Haare fahren, ich nehme die Mütze ab, um mir durch die Haare zu fahren, aber im selben Moment merke ich, dass die nicht mehr da sind: Es ist vier Jahre her, aber ich habe mich noch immer nicht daran gewöhnt, dass ich auf dem Weg den Oridongo hinauf die Haare verloren habe. Das macht nichts. Als ich in die alte Welt zurückkehrte, stellte ich fest, dass ein kahler Schädel bei Männern jetzt modern war. Berit sagt, ich hätte schöne Ohren. Sie ähnelten Muscheln.
Ich gehe zurück zur Scheune. Ich hätte die Doppeltür natürlich nicht öffnen dürfen. Der Schnee legt sich auf den Boden. Andererseits habe ich keine Lust, die Tür zu schließen, wo ich sie nun schon sperrangelweit aufgerissen habe. Ich will Reinert von Neset klarmachen, dass ich die Dinge auf meine eigene Weise erledige. Und jetzt stelle ich mir vor, dass er die Ladung direkt in die Scheune kippen soll. Aber warum habe ich nicht warten können, bis er hier ist? Weil ich nicht die Zeit eines anderen vergeuden will. Ich will, dass alles bereit ist, wenn er kommt. Außerdem ist es ja so, dass der Schnee den grauen Staub auf den breiten Bodenbrettern bindet, stimmt das nicht? Doch. Wenn ich mit dem Besen darüberfahre, wird der Schnee grau gefärbt, fast schwarz, und dann brauche ich den Dreck ja nur noch auf den Hof hinauszukehren; was ich hier mache, ist wirklich fast schon genial. Nicht so dumm, der alte Vågsvikinger, denke ich. Er hat seine Eigenheiten, das schon. Wer hat die nicht? Er beharrt auf seiner Meinung und gibt sich nur selten geschlagen. Das ist hier draußen am offenen Meer nicht direkt ein Nachteil. Im Gegenteil. Es ist sogar eine Annäherung an die Gemeinschaft, die verstanden und respektiert wird. Offener Trotz ist ein Teil des Inselkodex. Ich glaube fast, das sagen zu dürfen.
Ich höre Reinert, ehe ich ihn sehe. Das heißt, ich höre seinen Traktor hinter dem Haus. Dann sehe ich die blauen Lichtkegel der Scheinwerfer über dem Briefkasten, ehe der Traktor plötzlich aus der Dunkelheit auftaucht und auf dem Hofplatz rangiert, hin und her, oder auf und ab, wie Reinert selbst sagen würde, wenn er Lust hätte, sich zu dieser Frage zu äußern, aber vorläufig begnügt er sich damit, zum Gruß mit einem Finger an seine Pelzmütze zu tippen, was ich damit beantworte, dass ich braun ins Scheinwerferlicht spucke, ehe ich ihn mit beiden Händen zu mir winke, als er mit seiner Ladung zur Scheune zurücksetzt. Näher. Näher. Er dreht das Kinn über die rechte Schulter und starrt mich misstrauisch an, während er vorsichtig auf das Gaspedal tritt. Noch näher? Ja. Noch näher. Bis fast ganz zu mir. So machen wir das da, wo ich herkomme. Am Ende will er nicht mehr und leert die Ladung Birkenholz so heftig ab, dass die Scheite mitten in die Scheune krachen. Dann dreht er den Motor aus und dreht sich eine Zigarette.
Jetzt ist es wichtig, nicht »danke« zu sagen und keinerlei Form von Enthusiasmus zu zeigen. Er kann in solchen Situationen ungeheuer reizbar sein.
Ich packe eine weitere Prise und schiebe sie mir unter die Lippe. »Du kommst doch auf einen Kaffee mit rein?«
Er gibt sich Feuer. »Nein. Komm nicht rein.«
Er steigt vom Traktor und macht sich an die Inspektion der Ladung, die er angeliefert hat. Schiebt mit dem Fuß zwei Scheite zurecht. Dann entdeckt er das Holzlager, das ich aufgeschichtet habe, und schnalzt auf eine Weise mit der Zunge, die ich als Anerkennung deute. Und von mir aus gern. Es hat seine Zeit gebraucht, um alles so zu legen, wie er es jetzt sieht, und die einzige Hilfe, die ich dabei bekam, stammte von meinen eigenen Händen. Ich zeige und erkläre. Zuerst zwei Bretter, parallel durch die gesamte Länge des Raumes gelegt, das innere dicht vor die Wand. Ich habe sie, mit einem Zwischenraum von zwanzig Zentimetern, an den Boden genagelt, sicherheitshalber, nicht zweiundzwanzig und nicht fünfundzwanzig, sondern zwanzig. Dann muss man die Sache mit der Wasserwaage überprüfen, kleine Keile dazwischenschieben, zurechtrücken und begradigen, bis es an diesem Fundament, dieser Unterlage, nicht auch nur eine Abweichung von einem Millimeter von Kante zu Kante gibt, oder, wenn man so will – von Wand zu Wand, es dauert einige Tage, aber es ist ein gutes Gefühl,