Über die Autorin
Annemarie Pfeifer ist verheiratet, Mutter von drei Söhnen und hat drei Enkelkinder. Sie lebt in Riehen bei Basel und arbeitet seit vielen Jahren teilzeitlich als Therapeutin in der Ambulanz einer psychiatrischen Klinik. Daneben ist sie Mitglied des Großen Rats (Parlament) von Basel-Stadt, wo sie 8 Jahre in der Bildungskommission tätig war. Somit beschäftigt sie sich an vorderster Front mit Bildungs- und Gesellschaftsfragen. Zusätzlich ist sie in ihrer Wohngemeinde Mitglied des Gemeinderats (Exekutive) und in der Gesundheits- und Sozialkommission aktiv. Außerdem schrieb sie 25 Jahre lang die Ratgeberkolumne einer christlichen Zeitschrift.
Inhalt
Vorwort
1. Eigentlich sollte ich glücklich sein
4. Mütter am Limit
5. Wenn Kinder aus der Reihe tanzen
6. Schuld oder Schuldgefühl?
7. Mütter dürfen auch mal Nein sagen
8. Geteilte Verantwortung
9. Ich bin wertvoll
10. Kinder, Küche, Karriere
11. Verzeihen – die doppelte Wohltat
12. Schritte zur Gelassenheit
Vorwort
Vor drei Jahren tauchte ich als Großmutter ganz unerwartet erneut in die Sorgen junger Mütter ein. Jede Woche begleitete ich meinen kleinen Enkel Noah ins Mutter-Kind-Turnen. Die Leiterin war zuerst etwas irritiert: Würde eine Oma in ihr Programm passen? Die jungen Frauen nahmen mich aber freundlich in ihren Kreis auf, und so diskutierten wir beim Umziehen in der Garderobe über all die aktuellen Themen: weinende Kinder mitten in der Nacht, Ärger mit dem Anziehen vor dem Turnen, Schwierigkeiten mit dem Essen, Wutanfälle und Machtkämpfe und, und, und. Eines Morgens erzählte eine Mutter halb belustigt, halb verärgert, dass ihr Kind im ganzen Badezimmer eine Tube mit fettiger Salbe verschmiert habe. Dies alles hörte sich für mich sehr vertraut an, wenngleich ich nicht mehr mittendrin steckte.
Auch in meiner Arbeit als psychologische Beraterin habe ich hin und wieder mit Müttern zu tun. In den Gesprächen mit ihnen fällt mir immer wieder auf, dass sie heute vor größeren Herausforderungen stehen als ich damals mit meinen drei Rackern. Während ich damals wie fast alle Mütter als Vollzeitmutter in Ruhe für meine kleinen Kinder da sein konnte, stehen die Mütter von heute von allen Seiten unter Druck. Sie sollen rundum perfekt sein: als liebevolle Mutter für die Kinder sorgen und sie zu Topschülern trainieren, gleichzeitig erfolgreich einen Beruf ausüben und daneben noch die attraktive Partnerin des Ehemannes sein. Selbstverständlich soll frau auch noch in der Kirchgemeinde und anderswo ehrenamtlich mitarbeiten. Wer ist schon dieser Mammutaufgabe gewachsen?
Minderwertigkeits- oder Schuldgefühle, Stress oder gar Burnout sind nicht selten die negativen Folgen dieser überhöhten Anforderungen. So erstaunte es mich nicht, dass mich hin und wieder Frauen nach meinem nun vergriffenen Buch „Mütter sind nicht immer schuld“ fragten. Immer wieder wurde bedauert, dass es kaum ein Buch gebe, das sich so ehrlich und ermutigend mit dem Thema „Muttersein“ beschäftige. Und so sprang schließlich der Funke auf mich über, und ich vertiefte mich noch einmal in die Themen, die Mütter heutzutage beschäftigen. Begleitet wurde ich dabei von drei Frauen – Katrin Amstutz, Barbara Graham und Eva-Sofia Hersberger –, die mit ihren Kindern im Alter zwischen zwei und zwanzig Jahren mitten im Familienleben stehen. Sie gaben mir Einblick in ihren turbulenten Alltag und bearbeiteten kritisch meinen Text. Ihnen ist es zu verdanken, dass das vorliegende Buch die heutige Realität der Mütter widerspiegelt. Mein großer Dank geht an sie, weil sie sich neben ihren Kindern und der beruflichen Arbeit Zeit für mein Projekt genommen und mir wichtige Anregungen gegeben haben.
So ist aus dem alten Manuskript ein weitgehend neues Buch entstanden. Es soll verschiedene Aspekte des Mutterseins aufzeigen, ein realistisches Familienbild malen und vor allem all die engagierten Mütter entlasten. Mütter müssen nicht perfekt sein und alles können! Im Gegenteil: Ihre Kinder werden Sie mit Ihren Ecken und Kanten lieben. Also dürfen Sie entspannt Mutter sein.
Riehen, im Herbst 2017
Annemarie Pfeifer
1.
Eigentlich sollte ich glücklich sein
Mami, was schreibst du da?“, fragte mich mein damals 13-jähriger Sohn und blätterte neugierig durch die losen Blätter meines Manuskriptes.
„Ein Buch“, antwortete ich kurz angebunden, denn ich wollte mich nicht unterbrechen lassen. Aber er ließ sich nicht abwimmeln.
„Wie soll es heißen?“, fasste er hartnäckig nach.
Nun hatte ich den Faden sowieso verloren und wandte mich ihm zu. „Ich plane den Titel ‚Mütter sind nicht immer schuld!‘“, erklärte ich ihm.
„Aaah“, meinte er gedehnt mit einem schelmischen Augenzwinkern, „aber fast immer!“
Bestimmt wusste er nicht, dass er mit diesen drei Worten treffsicher eine „Mutterkrankheit“ diagnostiziert hatte. Wann immer es mit einem Kind Schwierigkeiten gibt, mahnt die Gewissensstimme mit ihrem unsichtbaren Zeigefinger: „Du bist verantwortlich für das Wohl deiner Kinder!“ „Du solltest es besser machen!“ „Du hast versagt!“ „Du bist schuld!“
Wie aber ist es nur zu diesem selbstzerfleischenden Reflex gekommen? Es sind doch die Mütter, die sich rastlos und selbstlos um ihren Nachwuchs kümmern. Wenn jemand keine Schuldgefühle haben müsste, dann sind es auf jeden Fall sie!
Die letzten Jahrzehnte haben den Frauen viel gebracht: Sie sind gut ausgebildet, selbstständig und selbstbewusst. Sie wagen es, ihre Meinung zu äußern und ihr Leben zu gestalten. Eigentlich könnte die Frau von heute Schuldgefühle abhaken, denn sie weiß, was sie will und was sie tut.
Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Die Internetplattform Spiegel online1 berichtete letzthin über eine Studie, bei der Eltern offen über ihre Empfindungen berichten. Dabei gingen sie hart mit sich selbst ins Gericht. So erklärten drei Viertel der befragten Frauen, dass sie häufig oder gelegentlich mit sich als Mutter unzufrieden sind und dass sie sehr hohe Ansprüche und Anforderungen an sich selbst stellen. Demnach haben sich Schuldgefühle und Selbstkritik leider nicht wie Nebel in der Herbstsonne aufgelöst, sondern lauern täglich im Familienleben, belasten die Beziehungen und nagen am Selbstwertgefühl.
Was habe ich nur falsch gemacht?
Wenn ich mich mit Müttern unterhalte, beschreiben sie mir ganz unterschiedliche Situationen, die bei ihnen Schuldgefühle auslösen:
Sabina wurde durch einen energischen Telefonanruf einer Lehrerin alarmiert, in dem sie darüber informiert wurde, dass ihre 14-jährige Tochter immer häufiger die Schule schwänzen würde. Als berufstätige Mutter hatte sie davon nichts mitbekommen. Deshalb stellte sie sich sofort die Frage: „Kümmere ich mich zu wenig um sie?“
Annas Baby hat leider vor allem nachts seine „Schreistunde“. „Wenn mich die Nachbarn dann vorwurfsvoll anschauen, fühle ich mich unfähig. Anscheinend bin ich nicht in der Lage, mein Kind zu beruhigen“, berichtete sie mir.
Und Sophie erzählte mir von ihrer hyperaktiven Tochter: „Im Gespräch mit der Lehrerin und dem Schulpsychologen kam ich mir vor wie in einer Gerichtsverhandlung. Plötzlich sprachen sie nicht mehr von meiner Tochter, sondern fragten nach unserer Ehe und meinen Lebensgewohnheiten. Die suchen den Grund für ihr Problem bei mir, wurde mir plötzlich klar.“
Schuldzuweisungen