Silvia - Folge 2. Jürgen Bruno Greulich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jürgen Bruno Greulich
Издательство: Bookwire
Серия: Silvia
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783956951183
Скачать книгу
stieß gegen das Glas, es wankte bedenklich, blieb aber stehen und nichts schwappte über. „Oh Verzeihung.“

      „Nichts passiert.“ Irgendwie hatte sie sich eine solche Annäherung anders vorgestellt.

      Seine Hand strich über das dunkle kurze Haar, dann über seine aufgeworfenen Lippen. „Sind Sie frei?“

      Sollte das nun wirklich ihr erster Kunde sein? „Ja, ich bin frei.“

      „Würden Sie mit mir auf ein Zimmer gehen?“ Seine Frage klang so vorsichtig, als müsse er mit einer Absage rechnen.

      Sie nickte und sah aus den Augenwinkeln heraus, dass Immanuel ein amüsiertes Lächeln nur notdürftig verhehlte. Nun ja, dieses erste Kontaktgespräch sollte sie vielleicht noch ein bisschen üben. Aber sie war halt neu hier, wie offenbar auch ihr schüchterner Freier. Sie hatten sich gesucht und gefunden.

      Fragend schaute er sie an.

      „Sie müssen erst bezahlen.“

      Sofort nestelte er die Brieftasche hervor und wollte ihr einige Hunderter in die Hand drücken, doch wies sie auf Immanuel. Würdevoll nahm dieser die Scheine entgegen, zählte kurz durch und schob zwei über den Tresen zurück. Während der Mann sie wieder in die Brieftasche stopfte, beugte sich Immanuel etwas zu ihr herüber und dämpfte die Stimme zum Verschwörerton. „Zimmer zwei. Die zweite Tür links.“ Ermutigend lächelte er ihr zu.

      Mut brauchte sie jetzt. Für einen klitzekleinen Moment schoss der Gedanke durch ihren Kopf, jetzt nach oben zu gehen, sich etwas Richtiges anzuziehen, ihren Aufenthalt hier als Missverständnis zu betrachten und das Haus zu verlassen. Und dann, wohin und was tun? – Sie sandte dem Schüchternen den Versuch eines Lächelns zu und ging vor ihm her in den Flur. An der letzten Tür auf der linken Seite, dort wo der Korridor nach rechts abknickte, dort prunkte die verschnörkelte Zwei, dort also waren sie richtig, zumindest was die Zimmernummer anbelangte.

      Mit dem heißen Atem des Mannes im Nacken drückte sie die Klinke herab und zaudernd trat sie ein. Der Raum war in sinnlichem Rot gehalten, gelblich warm beleuchtet und sparsam möbliert mit einem runden Tisch, zwei zierlichen Sesseln und einer schlanken, hohen Kommode. Ein großes Gemälde hing an der Wand, passend zur Farbe des Zimmers überwiegend in dunklen Rottönen gemalt. Auch das Motiv passte: Auf einem breiten roten Bett lag ein blondhaariges Mädchen im roten transparenten Gewand, ihr Kopf war aufgerichtet und in die Hand gestützt, sie schaute lächelnd auf zu einem Mann im hellen Anzug. Vor diesem kniete eine Schwarzhaarige, auch sie in ein rotes Gewand gehüllt. In ihrer Hand hielt sie seinen schwellenden Schwanz und lächelnd schaute sie zu ihm hoch. „Erwartung“ hieß das gekonnt gemalte Werk.

      Das Bett des Bildes war das des Zimmers, auch dieses war rot und wurde vervielfältigt von großen Spiegeln an den Wänden und der Decke. Golden schimmernde Gitterstäbe begrenzten das Kopf- und Fußende, einige Kissen lagen darauf, doch gab es keine Decke, unter der man sich hätte verkriechen können.

      Stumm schaute sich der Mann um, wartete offenbar auf ihre Initiative. Ruhig war sie plötzlich, ohne Gefühl, viel sicherer als vor dem Überschreiten der Schwelle. Was würden die meisten Männer in dieser Situation jetzt erwarten? Es war leicht zu erraten. Sie schob die Träger des Hemdchens über die Achseln und ließ es zu Boden sinken, enthüllte sich fast feierlich, als sei sie eine Kostbarkeit, präsentierte den nackten Körper und zwangsläufig auch die Male der Peitsche.

      „Oh, Sie wurden geschlagen?“

      Silvia nickte.

      „Aber warum denn?“

      „Weil es Männer gibt, die Lust daran haben.“

      „Wie kann man nur, Sie sind doch so schön …“

      Vielleicht genau deshalb? Aber vermutlich spielte das Aussehen dabei eine untergeordnete Rolle. Sie wusste es nicht, zudem ging es ihn nichts an. „Haben Sie einen bestimmten Wunsch?“

      „Ich weiß nicht.“ Sein Blick wich dem ihren aus, schweifte zum schweren roten Vorhang vor dem Fenster. „Oder doch … wenn Sie es mir mit dem Mund machen könnten?“

      Ja, das konnte sie, hatte es schon oft genug getan und auch gelernt, es bei jedem Mann zu tun, gleich, ob sie ihn kannte oder nicht, ob sie ihn mochte oder nicht, ob ihr danach war oder nicht. Sie zog ihm das Sakko aus, das Hemd, die Hose, streifte mit einem entschlossenen Ruck den Slip herunter, dirigierte ihn zum Bett. Die Socken zog er selbst aus und legte sich rücklings hin, wartete. Zärtlich glitten ihre Lippen über die raue trockene Haut, die sich nach Feuchtigkeitsmilch sehnte. War ihr danach? Kaum. Doch spielte das keine Rolle. Sie schloss die Lippen um den prallen Penis, lutsche ihn mit Hingabe, als habe sie nur auf ihn gewartet, hörte das selige Ächzen des Mannes, spürte, wie er sich aufbäumte, und empfing seine klebrige Flut wie den Preis des Erfolges. – Ja, sie konnte es, konnte einen wildfremden Mann beglücken wie eine Maschine, die auf Knopfdruck funktionierte, war geeignet für das neue Leben, musste sich keine Sorgen machen, dass sie versagen würde.

      Entspannt lag sie neben ihm, kaute an seinen säuerlich schmeckenden Resten, streichelte seinen flachen Bauch, als sei er ihr Geliebter. (War es denn erlaubt, ihm und sich selbst diese Zeit der Muße zu gönnen? Sie wusste es nicht, nahm aber mal an, dass es nicht angemessen wäre, die Kunden wie am Fließband abzufertigen für den hohen Preis, den sie für die Mädchen bezahlten.) Außerdem wollte er ja auch gar nicht lange bleiben. Etwas verschämt zog er sich an, als sei es ihm peinlich, zuerst nackt, dann mit der Unterhose von ihr gesehen zu werden. Sie lag noch immer auf dem Bett, halb auf die Seite gedreht, und schloss diskret die Augen, verpasste ja nichts, da sein magerer Anblick gar so reizvoll nicht war. Sie hörte sein Räuspern und machte die Augen wieder auf, sah ihn komplett angezogen neben dem Bett stehen. Sein Blick ruhte auf ihr. „Es war schön mit Ihnen. Ich komme bestimmt bald wieder.“

      Sie versuchte sich an einem einladenden Lächeln, wusste nicht, was antworten, hatte ein solches Kompliment in einer solchen Situation ja noch nie bekommen. Was sagte man da? „Ich bin immer für Sie da.“ – Oh. Das stimmte ja wirklich, war nicht einfach so dahergesagt. Sie war für ihn da, sobald er Lust auf sie bekam, wie auch für jeden anderen, sogar für den ungehobelten Stämmigen, wenn er sie seinem Lieblingsmädchen Annemarie einmal vorziehen sollte, jeder konnte in sie kommen, wenn er nur genügend Geld hatte. Endgültig war sie zur Hure geworden. Welch ein schmähliches Wort. In ihren Ohren klang es wie eine Auszeichnung, als habe sie eine Prüfung bestanden, die man auch leicht hätte vermasseln können. Fast wäre sie stolz auf sich gewesen.

      Die gute Fee

      Silvia begleitete den schüchternen Mann nicht hinaus, er würde den Weg zurück ins Foyer schon finden. Als er gegangen war, streifte sie das Hemdchen über, schlich in den Korridor und von dort in die Garderobe, nahm eine Dusche und putzte die Zähne. – Und nun, wohin, nach oben in ihr Zimmer zum Entspannen? Aber nein, sie konnte die anderen Mädchen, ihre Kolleginnen, doch nicht im Stich lassen, da sie heute Verstärkung dringend benötigten. Auch wenn das Hemd rein und unbefleckt geblieben war, ganz im Gegensatz zu ihr, durfte sie es doch kein zweites Mal anziehen. Sie warf es zu den anderen Sachen in die Wäsche, würde es schon wiederfinden irgendwann, und wenn nicht, war es eigentlich auch egal.

      Es gab kleine Sachen genug zum Anziehen. Geordnet nach Größe hingen sie an den Garderobenstangen. Sie entschied sich für ein weißes Negligé und verblieb noch einen Moment in der Stille des Raumes, umgeben von den Schminkutensilien und dem Duft nach Parfüm. Dann wagte sie sich wieder hinein ins Foyer.

      Ihr Glas stand noch auf dem Tresen, sie nahm es zur Hand, trank ein Schlückchen, fühlte blumiges Feuer in die Kehle rinnen und warme Glut entfachen. Der Schüchterne war gegangen, ein großer dicker Mann kam zur Tür herein, wenn es hier etwas nicht gab, dann Beständigkeit. Forschend ruhte Immanuels Blick auf ihr. „Alles in Ordnung?“

      Sie erwiderte sein besorgtes Lächeln. „Alles in Ordnung.“

      Christine gesellte sich an die Bar, begleitet von gleich zwei Männern, die ihr die Vorzüge eines „flotten Dreiers“ schilderten. Sie war nicht abgeneigt, allerdings … „Sie müssen beide den vollen Preis bezahlen.“ Ein unschuldiges Lächeln begleitete ihre Worte.