Silvia - Folge 2. Jürgen Bruno Greulich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jürgen Bruno Greulich
Издательство: Bookwire
Серия: Silvia
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783956951183
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wieder anziehen. – Aber nein! Das ging nicht. Keines der Mädchen hatte ein Kleid angehabt damals bei Veronikas Bestrafung. So etwas trug man dort im Foyer anscheinend nicht.

      Sie durchwühlte ihren Koffer und fand etwas, das ihr geeignet schien: ein beigefarbenes dünnes Hemdchen, das schlicht gehalten war, von keinen Rüschen geziert, nur am Busen mit durchbrochener Spitze besetzt. Es war dünn, ein kühler Hauch, geschmeidig glatt, wie Wasser fließend, reichte bis zu den Knien, war an beiden Seiten bis zur Taille hoch geschlitzt, bedeckte nur knapp die Spitzen der Brüste. Ärmel hatte es keine, nur dünne Träger, den Rücken verhüllte es bis hoch zum Schulterblatt, verbarg die Striemen. Ja, das müsste gehen. Schuhe noch! Zwei Paar hatte sie mitgenommen. Sie schlüpfte in die weißen, die etwas höhere Absätze hatten.

      Sie holte tief Luft. Und öffnete zaghaft die Tür, fühlte sich, als würde sie Verbotenes tun. Niemand war draußen, verlassen lag der Flur vor ihr. Aufgeregt pochte ihr Herz und vorsichtig, als seien die Stufen mit Glatteis überzogen, ging sie die Treppe hinunter. Auch unten begegnete ihr niemand, kein Laut war zu hören. Da war die Tür zum Foyer!

      Sie nahm all ihren Mut zusammen, drückte die Klinke herab. Und wenn die Mädchen doch Kleider anhatten? Dann war sie bis auf die Knochen blamiert. Nah war sie dran, still und leise wieder davonzuschleichen. Und dann? Oben sitzen? Sich langweilen? Und vielleicht nie wieder den Mut finden für das, was doch getan werden musste?

      Sie trat ein. Auf einem Sofa saß Annemarie, in ein schwarzes Negligé gehüllt und plaudernd mit einem Mann. Gut. Zu wenig hatte Silvia jedenfalls nicht an. Wenigstens darum musste sie sich keine Sorgen machen. Mehr als Annemarie sah sie nicht, hielt den Blick starr geradeaus gerichtet, ging zielstrebig zur Theke, die ihr wie die Rettung erschien, ließ sich auf einem Barhocker nieder. Leise Jazzmusik klang aus den Lautsprechern an der Decke, ein klagendes Saxofon und ein kühles Klavier, untermalt von einem figurenreichen Bass, es herrschte Nachtclubatmosphäre mit gedämpften Stimmen und knisternden Träumen.

      Der Barmann kam zu ihr her, ein großer, schlanker Mann, nicht mehr der Jüngste, sicherlich an die sechzig. Sein volles weißgraues Haar war nach hinten gekämmt, sein faltiges Gesicht strahlte Sicherheit und Ruhe aus. Er trug ein weißes Sakko, ein dunkelblaues Hemd mit weißem schmalem Schlips und eine schwarze Hose, wirkte seriös und doch auch nicht, hätte ebenso gut Schiffssteward sein können wie Gymnasiallehrer oder auch Zuhälter, sie wurde nicht aus ihm schlau.

      Warm und leise klang seine Stimme. „Hallo, Silvia, willkommen bei uns. Magst du etwas trinken?“

      Auch er wusste also schon über sie Bescheid. Sie erwiderte sein Lächeln, so gut es ging. „Hallo. Wenn Sie mir einen Bourbon geben würden, mit Eis?“

      Er nahm eine Flasche vom gläsernen Regal, schenkte goldene Flüssigkeit in ein bauchiges Glas in Form einer Tulpenblüte, gab Eiswürfel hinein und schob es ihr lächelnd zu. „Wir reden uns hier alle mit Du an. Ich heiße Immanuel.“ Ganz eindeutig war hier einiges anders als drüben im Mädchenhaus.

      Sie wagte einen ersten scheuen Blick in die Runde. Fünf Gäste befanden sich im Foyer, einer kam zur Theke und nahm zwei Hocker von ihr entfernt Platz, ein stämmiger Mann mit Stiernacken und kurzem borstigem Haar, alles andere als ihr Typ, sie tat so, als bemerke sie ihn nicht. Etwas entfernt von Annemarie stand ein dunkelhäutiges Mädchen, eine Mulattin mit langem dunkelbraunem Haar, großen braunen Augen, ebenmäßigen stolzen Zügen und vollen, rot geschminkten Lippen. Auch sie hatte ein schwarzes durchsichtiges Hemdchen an, sonst nichts, und plauderte mit zwei Gästen. Christine war nicht zu entdecken, vielleicht war sie mit einem Gast in einem der Zimmer. Aber Laura war da. Sie flüsterte ihrem kahlköpfigem Begleiter etwas ins Ohr und kam zu Silvia herüber. Ihr Negligé war rot wie Wein, ihre helle Haut schimmerte hindurch, man sah die kleinen runden Brüste und den hellen Flaum des Schoßes.

      Erfreut und auch verwundert lächelte sie Silvia an. „Schön, dass du gekommen bist. Wir können Entlastung brauchen.“

      Immanuel stellte ein Glas Rotwein vor dem Stämmigen auf die Theke und dieser ließ den Blick forschend von Silvia zu Laura schweifen. „Ist sie neu hier?“

      „Es ist ihr erster Abend.“

      Ein breites Grinsen verunstaltete sein Gesicht. „Ach, schau mal einer an, eine Debütantin. – Sie ist wohl noch ein bisschen schüchtern, tut so, als würde sie mich nicht sehen.“

      Es fiel Silvia schwer, ihre Hand zurückzuhalten, die sich unter seinem ungenierten Blick schützend vor den Busen legen wollte.

      Lächelnd zündete er eine Zigarette an. „Aber zugeritten bist du schon?“

      Was? Ein solches Vokabular hatte ja nicht einmal Wolfgang benutzt. Sie griff nach dem Glas und nahm einen tröstlichen Schluck, schaute ihn an, den stiernackigen Mann, und fand endlich eine Antwort. „Man gab sich alle Mühe.“

      Er grinste amüsiert. „Diese Mühe gab man sich bestimmt gerne.“ Er rutschte vom Hocker, kam zu ihr her, baute sich dicht vor ihr auf, stämmig, gedrungen, ein nicht wegzurollender Fels. „Lass mal deine Titten sehen!“

      War das sein Ernst? Genügte ihm nicht der tiefe Einblick, den das Dekolleté ihm bot? Hilfesuchend huschte ihr Blick zu Laura, diese aber nickte ihr aufmunternd zu, als sei ein solches Ansinnen nicht ungewöhnlich. Zaghaft griff Silvias Hand nach dem linken Träger, sachte schob sie ihn über die Achsel und mit den Fingerspitzen zupfte sie den Stoff nach unten, entblößte die braune Knospe. Scheu schaute sie um sich. Ob sie von allen anderen im Raum auch angestarrt wurde? Aber nein, so spektakulär war es nicht. Nur die beiden Männer bei der Mulattin lugten neugierig herüber. Immanuel schaute dezent in eine andere Richtung und auch Iris, die in diesem Augenblick das Foyer betrat und zur Bar kam, tat so, als würde sie nichts bemerken. Sie trug ein knöchellanges weißes Gewand, das hochgeschlossen war und dicht gewebt, das einzige weibliche Kleidungsstück hier, das die Trägerin nicht halbnackt sein ließ. Sie hielt ein rundes Tablett mit einem leeren Glas darauf in Händen, reichte es Immanuel und nickte ihm zu, als wolle sie ihm mitteilen, dass alles in Ordnung sei. Derweil zeigte Silvia auch ihre rechte Brust vor mit angehaltenem Atem.

      Der Stiernackige war zufrieden. „Sehr schön. Ich werde dich vormerken für ein andermal.“ Er zwinkerte ihr zu und ging zu Annemarie hinüber, die inzwischen alleine auf dem Sofa saß, ließ sich neben ihr nieder und flüsterte ihr einige Worte ins Ohr, woraufhin sie die Schenkel öffnete und ihren haarlosen Schoß entblößte.

      Silvia schob den Träger wieder hoch und sinnierend äugte Laura zu den beiden hinüber. „Annemarie ist sein Lieblingsmädchen.“

      „Die Ärmste. – Oder sind die anderen Gäste auch so?“

      „Gott behüte. Nein, er ist schon ein besonderes Exemplar. Aber du bist ja ganz gut mit ihm fertig geworden.“

      „Eher wohl er mit mir.“

      Der Kahlköpfige, den Laura hatte stehenlassen, trat hinter sie. „Muss ich dir denn jetzt hinterherlaufen?“ Sein Lächeln verriet, dass er sein Schicksal mit Fassung trug. „Gibt es noch eine, um die du dich kümmern musst, oder hast du jetzt Zeit für mich?“

      Leicht lehnte sie sich an seine Brust. „Wie könnte ich jemals keine Zeit für Sie haben?“

      Er schob einige Hunderteuroscheine über den Tresen und dankend nahm Immanuel sie entgegen. „Zimmer drei“, raunte er Laura zu, legte das Geld in eine stählerne Kasse und schrieb eine kurze Notiz in eine vorgedruckte Liste. Hand in Hand ging Laura mit ihrem Kunden derweil zur dunklen schweren Tür, die zu den Liebeszimmern führte, kurz schweifte ihr Blick noch einmal zu Silvia und ermutigend lächelte sie ihr zu. Auch der Stämmige bezahlte bei Immanuel, mit Annemarie im Schlepptau. Ihnen wurde Zimmer eins zugewiesen. Eine Bemerkung von ihm blieb Silvia nicht erspart: „Nur keine Sorge, Mädchen, du wirst nicht lange alleine bleiben.“ Annemarie warf ihr einen Blick zu, als wolle sie sich für ihn entschuldigen, und sie verließen den Raum.

      So herablassend seine Worte waren, so prophetisch waren sie auch. Einer der beiden Männer kam von der Mulattin herüber, näherte sich Silvia zögernd. Er war etwa Mitte dreißig, etwas größer als sie, hager, bekleidet mit einer dunklen Hose, einem weißen Hemd mit bunt