Während wohl der Goldstandard des 19. Jahrhunderts dem Ideal eines soliden Geldes am nächsten kam, hatte er dennoch seine Nachteile. Erstens schufen Staaten und Banken stets Tauschmedien, die über die Menge an gehaltenem Gold hinausgingen. Zweitens hielten viele Länder nicht nur Gold in ihren Reserven, sondern auch die Währungen anderer Länder. Großbritannien profitierte als damalige globale Supermacht davon, dass ihr Geld überall auf der Welt als Reservewährung verwendet wurde, was dazu führte, dass ihre Goldreserven nur einen kleinen Teil ihrer ausstehenden Geldmenge ausmachten. Mit dem ständig wachsenden internationalen Handel, für den die Abwicklung großer Geldmengen in der ganzen Welt erforderlich war, vertraten viele die Meinung, dass die Banknoten der Bank of England zu dieser Zeit „so gut wie Gold“ waren. Obwohl Gold eine sehr harte Währung war, waren die Instrumente zur Abwicklung von Zahlungen zwischen den Zentralbanken, die zwar nominal in Gold einlösbar waren, in der Praxis jedoch wesentlich einfacher herzustellen als Gold.
Diese beiden Mängel führten dazu, dass der Goldstandard jederzeit anfällig für einen Ansturm auf Gold in jedem Land war, in dem bestimmte Umstände einen großen Prozentsatz der Bevölkerung dazu veranlassen könnten, den Umtausch ihres Papiergeldes in Gold zu verlangen. Der große Nachteil des Goldstandards war im Wesentlichen, dass die Abrechnung mit physischem Gold schwerfällig, teuer und unsicher war, was bedeutete, dass man sich auf die Zentralisierung der physischen Goldreserven an einigen wenigen Orten wie Banken und Zentralbanken verlassen musste, die sie anfällig für eine staatliche Übernahme machten. Da die Anzahl der Zahlungen und Abwicklungen, die mit physischem Gold durchgeführt wurden, zu einem unbedeutenden Anteil aller Zahlungen wurde, konnten die Banken und Zentralbanken, die das Gold hielten, Geld ohne Absicherung durch physisches Gold erschaffen und es zur Abwicklung verwenden. Das Abwicklungsnetzwerk wurde so wertvoll, dass im Grunde die Kreditwürdigkeit seiner Eigentümer monetarisiert wurde. Als die Erlaubnis, eine Bank zu führen, auch den Prozess des Gelddruckens mit einbezog, kam es selbstverständlich dazu, dass die Staaten die Kontrolle über den Bankensektor an sich rissen, indem sie Zentralbanken schufen. Die Versuchung war einfach zu groß und der dadurch greifbare, schier unendliche finanzielle Reichtum konnte nicht nur den Dissens zum Verstummen bringen, sondern auch Lobbyisten bei der Förderung dieser Idee finanzieren. Gold verfügte über keinen Mechanismus, um die Herrschenden einzuschränken. Man musste stattdessen darauf vertrauen, dass sie den Goldstandard nicht missbrauchen würden, und die Bevölkerung hätte fortwährend darauf achten müssen, dass die Herrschenden die Regeln auch einhalten. Das wäre möglich gewesen, wenn die Bevölkerung hochgebildet und über die Gefahren von unsolidem Geld informiert gewesen wäre. Aber mit jeder Generation, die in der oftmals mit Reichtum einhergehenden intellektuellen Selbstgefälligkeit schwelgte13, sollten sich die Sirenengesänge der Betrüger und Möchtegern-Ökonomen für einen Großteil der Bevölkerung als immer unwiderstehlicher erweisen. Am Ende blieb nur eine Minderheit von sachkundigen Ökonomen und Historikern, die einen harten Kampf führte, um die Menschen davon zu überzeugen, dass Wohlstand nicht durch Manipulation der Geldmenge erzeugt werden kann und dass die Ermächtigung eines Souveräns zur Kontrolle des Geldes nur dazu führen kann, dass der Souverän mehr Kontrolle über das Leben eines jeden Menschen erhält, und dass schließlich ein zivilisiertes menschliches Dasein auf der Integrität einer Währung beruht, die eine solide Grundlage für Handel und Kapitalbildung darstellt.
Die Zentralisierung von Gold machte es anfällig für die Übernahme seiner monetären Rolle durch seine Feinde, und Gold hatte schlicht zu viele Feinde, wie Mises selbst richtig erkannte:
Die Nationalisten kämpfen gegen den Goldstandard, weil sie ihre Länder vom Weltmarkt trennen und so weit wie möglich in eine nationale Autarkie überführen wollen. Interventionistische Staaten und Interessengruppen kämpfen gegen den Goldstandard, weil sie ihn für das größte Hindernis bei ihren Bemühungen um eine Manipulation von Preisen und Lohntarifen halten. Aber die unglaublichsten Angriffe gegen Gold werden von denen durchgeführt, die auf eine Ausweitung der Kredite hoffen. Wenn es nach ihnen geht, ist die Kreditausweitung das Allheilmittel für alle wirtschaftlichen Missstände.14
Der Goldstandard beseitigt die Festlegung von bargeldinduzierten Kaufkraftveränderungen durch die Politik. Wenn man ihn allgemein anerkennt, muss man auch die Tatsache anerkennen, dass man nicht alle Menschen reicher machen kann, indem man mehr Geld druckt. Die Abscheu vor dem Goldstandard stammt von dem Irrglauben, dass allmächtige Staaten aus kleinen Papierstücken Reichtum erschaffen können (…) Die Staaten waren begierig darauf, den Goldstandard abzuschaffen, weil sie an die Irrtümer glaubten, dass die Kreditausweitung ein geeignetes Mittel zur Senkung des Zinssatzes und zur „Verbesserung“ der Handelsbilanz ist (…) Menschen kämpfen gegen den Goldstandard, weil sie Freihandel durch nationale Autarkie, Frieden durch Krieg und Freiheit durch totalitäre staatliche Allmacht ersetzen wollen.15
Das zwanzigste Jahrhundert begann damit, dass Staaten das Gold ihrer Bürger unter ihre Kontrolle brachten. Dies geschah durch die Erfindung der modernen Zentralbank, der sich der Goldstandard unterwerfen musste. Als der Erste Weltkrieg begann, erlaubte die Zentralisierung dieser Reserven diesen Staaten, die Geldmenge über ihre Goldreserven hinaus auszuweiten und den Wert ihrer Währung zu verringern. Dennoch beschlagnahmten und sammelten die Zentralbanken bis in die 1960er Jahre, in denen sich die Entwicklung hin zu einem globalen US-Dollar-Standard abzeichnete, weiter Gold. Obwohl Gold 1971 angeblich vollständig entmonetarisiert wurde, hielten die Zentralbanken weiterhin bedeutende Goldreserven und stießen diese nur langsam ab, bis sie in den letzten zehn Jahren wieder mit dem Kauf von Gold begannen. Obwohl die Zentralbanken wiederholt das Ende der monetären Rolle von Gold erklärten, steckt in ihren Maßnahmen zur Erhaltung ihrer Goldreserven eine viel größere Wahrheit. Aus Sicht des monetären Wettbewerbs ist das Halten von Goldreserven eine durchaus vernünftige Entscheidung. Das Halten von Reserven in weichem Geld ausländischer Staaten führt nur dazu, dass der Wert der eigenen Währung zusammen mit dem der Reservewährungen verfällt, während die Seigniorage (durch Geldschöpfung erzielter Gewinn einer Notenbank) dem Emittenten der Reservewährung und nicht der Zentralbank des Landes zufließt. Sollten zudem die Zentralbanken alle ihre Goldbestände verkaufen (geschätzt etwa 20 % der weltweiten Goldvorräte), folgt daraus sehr wahrscheinlich, dass das Gold, das für seine industriellen und ästhetischen Verwendungen hochgeschätzt wird, sehr schnell mit geringem Preisabschlag aufgekauft würde und die Zentralbanken am Ende ohne Goldreserven dastehen würden. Der monetäre Wettbewerb zwischen weichem staatlichem Geld und hartem Gold wird wahrscheinlich langfristig zu einem eindeutigen Gewinner führen. Selbst in einer Welt des staatlichen Geldes waren die Staaten nicht in der Lage, die monetäre Rolle von Gold zu unterdrücken. Ihre Worte stimmen nicht mit ihren Taten überein – und das sagt eigentlich schon alles (siehe Abbildung 4.16).
Abbildung 4Offizielle Goldreserven der Zentralbank, Tonnen
1Nick Szabo, Shelling Out: The Origins of Money (2002). Erhältlich auf http://nakamotoinstitute.org/shelling–out/
2Quelle: U.S. Geological Survey.
3“Big Bill for a Bullion Binge,” TIME, 29. August 1989.
4Quelle: U.S. Geological Survey Daten für Gold. Silver Institute Daten für Silber, statistische Auswertung von BP.com für Öl. Schätzungen des Autors aus verschiedenen Medienquellen für Kupfer.