»Das liegt aber nur daran, dass Tatjana inzwischen stolze Besitzerin der Bäckerei Bärwald und damit Chefin von Dorothee ist«, erinnerte Wendy ihren jungen Chef an die unabänderlichen Tatsachen.
Danny zuckte unschuldig mit den Schultern.
»Und wenn schon …?« Zufrieden lächelnd griff er nach der nächsten Patientenkarte.
»Wie sieht es denn jetzt eigentlich aus?«, nutzte Janine die Gunst der Stunde, um ein paar Neuigkeiten zu erfahren, ehe sich Danny wieder an die Arbeit machte. »Bleibt Dorothee denn jetzt in der Bäckerei? Ich dachte, Tatjana wollte sie so schnell wie möglich loswerden.«
Diese Annahme entsprach durchaus den Tatsachen, zumal Dorothee Miller die Bäckerei mit dem angeschlossenen Café um ein Haar in den Ruin getrieben hätte. Schuld daran waren ihre Pläne, das kleine Geschäft ihrer Freundin Hilde Bärwald an eine Kette zu verkaufen und selbst die Filialleitung zu übernehmen. Doch diese Suppe hatte Tatjana Bohde ihr gründlich versalzen. Mit einer beispiellosen Crowdfunding-Aktion hatten Danny und Tatjana eine ansehnliche Summe gesammelt, mit der sie Frau Bärwald ausbezahlen konnte. Bis Tatjana ihre Prüfung zur Bäckerin und Konditorin abgelegt hatte, war Hilde Bärwald noch auf dem Papier Geschäftsführerin. Danach würde Tatjana das Geschäft allein gehören. Auf diesen Tag fieberte sie bereits hin. Doch bis es so weit war, gab es noch jede Menge zu tun.
»Ehrlich gesagt bin ich froh, dass sie Dorothee im Augenblick gesundheitsbedingt nicht kündigen kann. Immerhin gibt es jetzt viel zu tun«, beantwortete Danny bereitwillig Janines Frage. »Die Renovierung und der Umbau der Bäckerei sind eine Menge Arbeit. Mal abgesehen davon, dass ich ja auch noch mitten drin stecke in meiner Doktorarbeit und meine Freundin hin und wieder als moralische Stütze brauche.«
»Was fehlt Frau Miller eigentlich?«, erkundigte sich Wendy.
»Sie hat massiven Bluthochdruck«, machte Danny kein Geheimnis aus den Tatsachen. »Sie muss ihre Ernährung komplett umstellen, Medikamente nehmen und sollte darüber hinaus jede Aufregung und jeden Stress vermeiden.« Nachdenklich wiegte er den Kopf. »Schon allein deswegen wird sie es sich in Zukunft überlegen, ob sie sich noch einmal mit Tatjana anlegt.«
»Aber wird sie denn mit dieser Erkrankung genauso belastbar sein wie bisher?«, stellte Janine eine berechtigte Frage.
Auf diesem Gebiet hatte sie Erfahrung. Die ehemalige Krankenschwester der Behnisch-Klinik verdankte ihre Stelle bei Dr. Norden ihren Rückenschmerzen, wegen denen sie die schwere Arbeit in der Klinik nicht mehr hatte verrichten können.
Daran hatte Danny noch gar nicht gedacht und er runzelte die Stirn.
»Zumindest hoffe ich es! Denn seit der Aktion im Internet läuft die Bäckerei besser als je zuvor.« Es wurde Zeit für den nächsten Patienten, und der junge Arzt griff nach der Patientenkarte, die obenauf auf seinem Stapel lag. Die Vorsorgeuntersuchung eines Kleinkindes stand auf dem Programm. »Es wird sich eine Lösung finden. Zuerst einmal treffen wir uns wegen des fälligen Umbaus heute Abend mit Jenny Behnisch und ihrem Lebensgefährten Roman Kürschner. Danach sehen wir weiter«, tat Danny seine Hoffnung kund und ging zum Wartezimmer, um seinen kleinen Patienten mitsamt dessen Vater ins Behandlungszimmer zu rufen. Auch wenn er sich die Belange seiner Freundin auf die Fahne geschrieben hatte, konzentrierte er sich tagsüber voll und ganz auf seine Patienten. Das war er ihnen schuldig.
*
Die langen Sommertage hatten ein Ende, und immer früher verschwand die Sonne hinter Baumwipfeln und Dächern, um einer empfindlich kühlen Dämmerung Platz zu machen. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass der Herbst Einzug gehalten hatte.
»Ganz schön kalt!« Bibbernd zog Jenny Behnisch die Jacke enger um sich, und ihr Freund legte den Arm schützend um ihre Schultern, als sie den Gartenweg zum Haus der Familie Norden hinauf gingen.
»Schön, dass ihr so schnell Zeit gefunden habt!« Freudig, aber ebenfalls fröstelnd stand Felicitas Norden in der Tür und begrüßte ihre Gäste, die sich an diesem Abend zu ihnen an den Esstisch gesellten.
»Ich bitte dich, Fee«, erwiderte Jenny und küsste ihre langjährige Freundin und Kollegin rechts und links auf die Wangen. »Wer eine Einladung bei euch nicht gleich annimmt, ist selbst schuld.« Schnell traten die beiden ein, und Fee schloss die Tür hinter ihnen, um die kühle Abendluft auszusperren.
Während Daniel seiner Freundin die Jacke abnahm, hob sie schnuppernd die Nase. Sie hatte sich nicht getäuscht. Ein verführerischer Duft nach Kräutern und Knoblauch zog durch den Flur.
»Hab ich es dir nicht gesagt?«, wandte sich Jenny triumphierend an ihren Lebensgefährten, den Architekten Roman Kürschner, der ihr Leben schon seit einigen Jahren bereicherte.
»Manchmal vergesse ich, dass du so eine Feinschmeckerin bist«, erwiderte er, nachdem er zuerst Fee und dann Daniel begrüßt hatte. »Wenn ich höre, was du Tag für Tag in der Klinik isst … schnell hier ein halbes Brötchen und dort eine Scheibe Käse …« Unwillig schüttelte er den Kopf. »Als Klinikchefin solltest du eigentlich wissen, wie wichtig eine gesunde Ernährung ist.«
»Aber wenn ich doch so viel Arbeit habe, dass tagsüber zum Essen keine Zeit bleibt …«, hielt Jenny trotzig dagegen.
»Gerade dann!«, mischte sich Daniel Norden schelmisch lächelnd und sehr zum Bedauern seiner Freundin in das Gespräch ein.
Sie fuhr herum und schickte ihm einen blitzenden Blick.
»Du fällst mir in den Rücken, du Pharisäer? Das hätte ich nicht von dir gedacht.«
Daniel lachte. »Ganz im Gegenteil. Wir laden dich zum Essen ein, damit du nachholen kannst, was du tagsüber verpasst. Und uns darüber hinaus noch lange erhalten bleibst«, versprach er und führte seine Gäste ins Esszimmer, wo Tatjana und Danny bereits den Tisch gedeckt hatten.
»Jenny, Roman, wie schön, dass ihr da seid«, freute sich auch das junge Paar über den Besuch, der nicht zuletzt wegen ihnen gekommen war.
Auf Tatjanas Bitte hin hatte Roman Kürschner die kleine Bäckerei schon des Öfteren besucht. Dank seiner tatkräftigen Unterstützung nahmen die Umbau-Pläne allmählich Gestalt an. An diesem Abend sollten Nägel mit Köpfen gemacht und Termine festgelegt werden. Doch zuerst drehte sich alles um das leibliche Wohl.
»Bitte setzt euch doch!«, lud Fee ihre Gäste mit einer Handbewegung an den Tisch ein. »Tatjana hat mit Lenni in der Küche gezaubert. Ich bin selbst gerade erst von der Arbeit gekommen und gespannt darauf, was dabei herausgekommen ist.«
Aufmerksam wie immer rückte Roman seiner Lebensgefährtin den Stuhl zurecht, ehe er selbst Platz nahm.
»Was habt ihr denn mit euren restlichen Kindern gemacht?«, fragte Jenny irritiert.
Vergeblich suchte sie die vier anderen Sprösslinge der Familie.
»Die haben wir in den Keller gesperrt, damit mehr Essen für uns übrig bleibt«, erwiderte Danny übermütig und erntete belustigtes Gelächter für diese Vorstellung.
»Das also waren früher deine Fantasien, wenn dir deine Geschwister auf die Nerven gegangen sind«, sagte Daniel seinem ältesten Sohn belustigt auf den Kopf zu. »So langsam kommt es ans Tageslicht.«
»Natürlich sind sie nicht im Keller.« Lächelnd schüttelte Fee den Kopf und klärte ihre Freunde auf. »Dési ist beim Tanzen, Janni bei einem Freund und Anneka besucht mit ihrem Freund Noah eine Fotoausstellung.«
»Dann bleibt nur noch mein zukünftiger Mitarbeiter Felix übrig«, stellte Jenny fest.
»Der hat eine Verabredung mit einer jungen Frau, der er heute eine komplette Skiausrüstung verkauft hat«, konnte Fee auch diese Frage beantworten.
»Oh, aus dem wird mal ein guter Geschäftsmann«, lobte Roman den Eifer des jungen Mannes anerkennend.
»Ich glaube eher, dass seine Geschäftstüchtigkeit abhängig