Dr. Norden Classic 46 – Arztroman. Patricia Vandenberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Patricia Vandenberg
Издательство: Bookwire
Серия: Dr. Norden Classic
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740965686
Скачать книгу
> Dr. Norden Classic – 46 –

      »Felix, machst du bitte mal auf?«, schallte Lennis Stimme durchs Haus der Familie Norden. Die Haushälterin steckte in der hintersten Ecke der Speisekammer, von wo es so schnell kein Entkommen gab. »Ich kann gerade nicht!«

      Verschlafen schreckte der zweitälteste Sohn der Familie Norden aus seinem Nachmittagsschlaf auf der Couch. In wenigen Tagen begann sein freiwilliges soziales Jahr, das er bei einer Ergotherapeutin in der Behnisch-Klinik absolvieren würde. Bis es so weit war, genoss er sein Leben in vollen Zügen. Dazu gehörte es auch, sich tagsüber die eine oder andere Ruhepause zu gönnen.

      »Felix, wo steckst du denn?«, rief Lenni noch einmal, diesmal deutlich ungeduldig, als es erneut klingelte.

      »Ich mach ja schon«, antwortete er und hievte sich kraftlos von der Couch hoch. Er schlurfte durch den Flur und öffnete die Haustür.

      »Ja bitte?«, fragte er ein bisschen mürrisch und fuhr sich durch das verstrubbelte Haar.

      »Bin ich hier richtig bei Norden?«

      Als Felix die melodische weibliche Stimme hörte, war er mit einem Schlag hellwach.

      »Ja, klar. Steht doch auf dem Namensschild.« Ungläubig starrte er die aparte junge Frau an, die vor ihm stand. Um ihre vollen Lippen zuckte ein Lächeln, und Felix konnte sich den Grund dafür lebhaft vorstellen. »Lachst du mich etwa aus?«, fragte er trotzdem.

      »Hmm, der Effekt der Nähe besagt, dass man einen Menschen umso attraktiver findet, je mehr Zeit man mit ihm verbringt«, ließ eine freche Antwort nicht lange auf sich warten. »Wenn ich dich noch ein bisschen anstarre, siehst du ja vielleicht irgendwann aus wie ein Mensch«, lachte das blonde Mädchen.

      »Moment mal!«, reklamierte Felix postwendend. »Normalerweise bin ich in diesem Haus für die frechen Sprüche verantwortlich.«

      »Mag sein. Aber ich bin ja auch nicht im Haus.« Sie legte den Kopf schief und sah ihn an. »Ich steh davor.«

      »Eins zu null für dich«, musste Felix zugeben und zupfte sich verlegen am Ohrläppchen. Je wacher er wurde, umso bewusster wurde ihm, welch atemberaubende Schönheit er da vor sich hatte. »Dich muss die gute Fee hergeschickt haben«, versuchte er, mit einem Kompliment Pluspunkte zu sammeln.

      »Wenn die gute Fee männlich und Mitte 60 ist und Jakob Rieger heißt, dann hast du recht«, erwiderte die Schönheit unbeeindruckt.

      Während Felix nachdachte, seufzte er abgrundtief.

      »Ich seh schon, du lässt dich nicht so leicht beeindrucken. Soweit ich weiß, ist Jakob Rieger der Verehrer von Dads Assistentin Wendy.«

      »Nicht nur das. Nebenbei ist er auch noch mein Großonkel. Mein Name ist Susanne Rieger«, stellte sich die junge Frau sichtlich amüsiert vor. »Und ich bin hier wegen der Skier, die ihr zu verkaufen habt. Wendy hat meinem Onkel Jakob davon erzählt, und der hat sofort an mich gedacht. Sind sie noch zu haben?«

      Die Unsicherheit in Susannes Augen sorgte dafür, dass Felix wieder Boden unter den Füßen bekam.

      »Du hast Glück gehabt und den langen, beschwerlichen Weg nicht umsonst gemacht«, beruhigte er sie und griff nach dem Garagenschlüssel, der am Schlüsselbrett neben der Garderobe hing. Gleichzeitig sah er auf die Uhr. »In einer halben Stunde kommt eine Interessentin. Aber wenn du sie haben willst, lasse ich dir natürlich den Vortritt.« Er ging an ihr vorbei aus dem Haus und winkte sie mit sich.

      Susanne folgte ihm. Vor Argwohn waren ihre Augen schmal geworden.

      »Warum bekomme ich eine Sonderbehandlung?«

      »Nicht, weil du so atemberaubend schön bist«, erwiderte Felix und freute sich, seine Schlagfertigkeit wiedergefunden zu haben.

      »Dein Glück. Sonst wäre ich sofort wieder gegangen. Ich kann oberflächliche Menschen nämlich nicht leiden«, stand Susa ihm jedoch in nichts nach und sah ihm dabei zu, wie er die Garage aufschloss.

      »Dann hätten wir das ja geklärt«, grinste Felix und ließ Susanne den Vortritt. »Immer herein in die gute Stube. Die Ski stehen auf der rechten Seite. Du brauchst nicht zufällig auch einen tiefgründigen Lehrer?«, ließ er nicht locker. Sein wohlgefälliger Blick ruhte auf Susannes geschmeidiger Figur. Natürlich war er nicht oberflächlich und neben einem angenehmen Erscheinungsbild waren ihm bei einer Frau durchaus auch andere Qualitäten wichtig. Aber so ein erbaulicher Anblick, wie seine Besucherin bot, hatte doch durchaus etwas für sich.

      Mit dieser Frage schien er Susanne erwischt zu haben. Einen Moment lang stand sie vor dem neuwertigen Paar Skier, das Anneka Norden nur eine Saison lang gefahren hatte, und dachte nach.

      »Wenn du so fragst: Eigentlich schon«, gestand sie schließlich und streckte die Hand aus, um mit den Fingern über die scharf geschliffenen Kanten zu streichen.

      Als er ihre Absicht erkannte, erschrak Felix.

      »Vorsicht!« Er griff nach ihrer Hand und zog sie fort. »Die sind frisch geschliffen. Nicht, dass du dich schneidest.«

      Einen Augenblick lang war Susa überrascht, und schnell wand sie sich aus der Umklammerung. Dabei lag ein solcher Ekel in ihrem Gesicht, dass sich Felix nur wundern konnte.

      »Ich geh mal davon aus, dass das ein plumper Annäherungsversuch war«, ging sie zum Angriff über, um ihre Verwirrung zu überspielen. »So scharf werden die Dinger schon nicht sein.«

      Unwillig schüttelte Felix den Kopf.

      »So nötig, wie du denkst, hab ich’s nun auch wieder nicht«, gab er patzig zurück und griff nach einem alten Lumpen, der im Regal in der Ecke lag.

      Er spannte ihn zwischen den Händen und fuhr damit über die scharfe Stahlkante eines Skis. Mit einem leisen Ratschen teilte sich der Stoff.

      Susa hatte ihn mit großen Augen beobachtet.

      »Oh, die Dinger sind ja wirklich scharf.« Fast sofort stand ihr das schlechte Gewissen ins Gesicht geschrieben.

      Sie sah so zerknirscht aus, dass Felix ihr nicht böse sein konnte.

      »Daraus kann ich schließen, dass du blutige Anfängerin bist, nicht wahr?«, fragte er und legte die beiden Lumpenstücke zurück ins Regal.

      »Allerdings.« Susanne schenkte ihm ein reumütiges Lächeln. »Freunde haben mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, im Winter mit ihnen Skifahren zu gehen«, beantwortete sie auch sofort die Frage, die Felix als nächstes stellen würde. »Darüber habe ich mich mit Onkel Jakob unterhalten, und er hat mir eure Adresse gegeben.«

      »Eine weise Entscheidung. Hier findest du alles, was du rund ums Skifahren brauchst und wissen musst.« Am liebsten hätte Felix ein »und noch viel mehr« angehängt. Da er aber nicht überheblich wirken wollte, verzichtete er darauf und beschränkte sich auf eine perfekte Kaufberatung. »Die Ski haben die ideale Größe für dich. Und passende Schuhe sollten wir auch noch haben.«

      »Wirklich? Das wäre toll.« Susannes Freude war echt, und Felix sprang davon, um sich auf die Suche nach zu machen.

      Als Susanne Rieger das Haus der Familie Norden eine halbe Stunde später verließ, war sie nicht nur stolze Besitzerin einer kompletten Skiausrüstung, sondern hatte auch noch eine Verabredung zu einer Theoriestunde mit Felix Norden in der Tasche. Nach der freundlichen und überaus kurzweiligen Beratung, in der Felix seinen Geist und Witz hatte sprühen lassen, war es ihr nicht schwer gefallen, ihn gleich am selben Abend in einem Café in der Innenstadt zu treffen.

      *

      »Nachts würde ich dieser Frau aber nicht gern begegnen«, raunte Dr. Nordens langjährige Assistentin Wendy ihrer Freundin und Kollegin Janine Merck zu, kaum dass die Tür hinter der Patientin Dorothee Miller zugefallen war. Normalerweise lästerte sie nicht über die Patienten der Praxis. Dass sie es sich diesmal nicht verkneifen konnte, hatte mehrere Gründe. »Tatjana hat recht. Ihre ehemalige Chefin hat wirklich ein Gesicht wie eine Bulldogge.«

      »Dabei ist das ungerecht. Diese Hunde haben nämlich ein ausgesprochen freundliches Gemüt. Im Gegensatz zu Frau Miller«, teilte Janine die Ansicht ihrer Freundin. »Kein Wunder, dass Tatjana nicht mit ihr arbeiten kann.«

      »Was