Im Februar 2019 hetzte Macron dem französischen Nachrichtenportal Mediapart die Staatsanwaltschaft auf den Hals, weil es über einen Skandal um einen Leibwächter von Macron berichtet hatte. Dazu stand im Spiegel:83 „Dieser hatte am 1. Mai vergangenen Jahres in Polizeiuniform Demonstranten verprügelt, Videoaufnahmen zeigen das. Dafür wurde er im Juli vom Dienst suspendiert und ein Verfahren gegen ihn eingeleitet.“
Der Staatsanwalt kam dann aus recht fadenscheinigen Gründen zu Mediapart: „Im Rahmen dieses Verfahrens wurde Benalla verboten, Gespräche mit in den Fall verwickelten Personen zu führen. Ein solches aber führte er Ende Juli mit dem Reserve-Gendarm Vincent Crase. In dem Gespräch betont Benalla, immer noch über die Unterstützung des Präsidenten zu verfügen. Eine Aufnahme des Gesprächs veröffentlichte Mediapart vor zwei Wochen. Drei Arbeitstage später stand der Staatsanwalt vor der Tür. (…) Die Staatsanwaltschaft, so weiß Plénel heute, erhielt noch am Tag nach der Mediapart-Veröffentlichung einen Brief des Büroleiters von Premierminister Edouard Philippe, der Nummer zwei hinter Macron. Darin berichtet der Büroleiter dem Staatsanwalt im Detail von den Ermittlungen der Mediapart-Journalisten im Fall Benalla.“
Die Anweisung kam also direkt aus dem Umfeld von Macron, der nun die Staatsanwaltschaft auf missliebige Journalisten hetzte.
Aber es kommt noch besser: In den alternativen Medien gab es zu dem Zeitpunkt schon seit Wochen Berichte über unglaublich harte Polizeigewalt gegen die Gelbwesten und über ungerechtfertigte, massenhafte Festnahmen. Die deutschen Mainstream-Medien berichteten darüber jedoch nicht. Nur vereinzelt fanden sich Berichte über Demonstranten, die durch Polizeigranaten schwer verletzt wurden. Das wurde aber als Einzelfälle dargestellt.
Dabei war das nur die Spitze des Eisberges, viele derartige Vorfälle haben unsere Mainstream-Qualitätsmedien verschwiegen. Französischen Aktivisten sammelten alle ihnen bekannten Fälle von Verletzungen durch Polizeigewalt und veröffentlichten sie mit Namen.84 Ende Februar waren es bereits 141. RT-Deutsch schrieb zusammenfassend:85 „Insgesamt haben 20 Menschen mindestens ein Auge verloren, fünf Hände wurden teilweise oder ganz abgerissen, eine Person verlor ihr Gehör durch eine mit TNT gefüllte GLI F4-Blendgranate.“
Aber die deutschen Medien stellten die Zusammenhänge dabei nicht her, wenn sie ab und an einmal über einen „Einzelfall“ berichteten. Diese Unglücke konnten nur geschehen, weil Polizisten, die dafür nicht ausgebildet sind, das Granatwerfer-Gewehr LBD-40 benutzen.
Auf die Verhaftungswelle in Frankreich gab es in dem genannten Spiegel-Artikel zumindest einen Hinweis: „Plénel spricht von ‚einer Tendenz zur Unterwerfung der Staatsanwaltschaft‘ unter Macron. Er erinnert daran, dass Macrons Wahl des Obersten Staatsanwalts der Republik zuletzt mehrmals von einem richterlichen Beirat abgelehnt wurde, Macron sich mit seiner Wahl aber dennoch durchsetzte. Er spricht von den von der Staatsanwaltschaft gebilligten Massenverhaftungen im Zusammenhang mit den Gelbwesten-Protesten der letzten Wochen.“
Wie der Spiegel am Ende des Artikels selbst verschämt schrieb, warf das kein gutes Licht auf Macron. Und der Chef von Mediapart wurde im Spiegel so zitiert: „Vor allem aber verweist Plénel auf ein Grundschema im Fall Benalla. ‚Ein sehr enger Mitarbeiter des Präsidenten, mit guten Verbindungen zur Polizei, verprügelt einen politischen Gegner: Normalfall in einem autoritären Regime, würde jeder Demokrat sagen‘, so Plénel. Weiter spricht er nicht. Den Rest soll man sich denken.“
Der Spiegel brachte diese Kritik an Macron nur als Zitat. Aber man stelle sich einmal vor, es gäbe Massendemos gegen Putin und der würde mit Massenverhaftungen reagieren, ein Leibwächter von Putin würde Demonstranten verprügeln und dann von Putin gedeckt werden, und alle Journalisten, die dazu ermitteln wollen, bekämen Besuch vom russischen Staatsanwalt. Würde die deutsche Presse dann auch so verschämt berichten? Oder wäre das nicht tagelang auf den Titelseiten mit Überschriften zu „Putins Polizeistaat“ und Ähnlichem?
In Frankreich wurde so etwas von der deutschen Presse kritiklos hingenommen.
Anfang März zog Frankreich die Daumenschrauben weiter an und verschärfte das Demonstrationsrecht. Mehr noch: Dieses angeblich in der EU heilige demokratische Recht wurde nun in Frankreich offen eingeschränkt.
Unter anderem wurde ein Vermummungsverbot eingeführt. Das war deshalb problematisch, weil nun auch zum Beispiel Helme verboten werden konnten, die die Demonstranten aber brauchten, weil die Polizei mit dem LBD-40 Gewehr bewusst mit Gummigeschossen auch auf die Köpfe der Demonstranten zielte (daher kamen die über 141 schwer verletzten Demonstranten).
Macron setzte nun auf eine Kombination aus Angst verbreiten durch Polizeigewalt und Einschränkungen des Demonstrationsrechts einerseits und andererseits auf die alte Strategie des Aussitzens. Durch die verbreitete Angst ging die Zahl der Demonstranten inzwischen zurück, die Umfragen zeigten jedoch, dass die Unterstützung im Volk ungebrochen war. Trotzdem bestand nun die Möglichkeit, die Protestwelle könnte aus Angst bei den Demonstranten mit der Zeit einschlafen.
Außerdem hatten die französischen Behörden ab März das Recht, einzelnen Personen die Teilnahme an Demonstrationen zu verbieten. Dazu benötigen sie nicht einmal einen Gerichtsbeschluss. Hier wurde das Demonstrationsrecht stark eingeschränkt, was eigentlich mit „europäischen Werten“ völlig unvereinbar ist. Man stelle sich einmal vor, in Russland oder Venezuela würde die Regierung einzelnen Personen das Demonstrieren verbieten – was da in den deutschen Medien los wäre!
Zweifel an den offiziellen Teilnehmerzahlen der Gelbwesten-Demonstrationen gab es immer wieder, denn die Angaben von Polizei und Veranstaltern gingen weit auseinander. Mitte März konnte man in den Medien tatsächlich deutliche Hinweise finden, dass die französische Regierung diese Zahlen gefälscht und zu geringe Teilnehmerzahlen gemeldet hatte.
Die Zahl der Teilnehmer an den Gelbwesten-Protesten war aus den genannten Gründen rückläufig, das war kaum zu bezweifeln. Im Spiegel konnte man am 18. März Folgendes lesen:86 „Das Innenministerium bezifferte die Zahl der Kundgebungsteilnehmer in Paris auf 10.000. Landesweit nahmen nach Ministeriumsangaben gut 32.000 Menschen an den Protesten teil. Vertreter der Gelbwesten sprachen dagegen auf Facebook von fast 231.000 Teilnehmern.“
Man sieht, die Zahlen gingen weit auseinander, wem sollte man glauben? Hier half eine Meldung aus der russischen TASS, die sich auf die französische Nachrichtenagentur AFP berufen hatte.87 Dort wurde berichtet, dass Macron einen Dialog mit dem „radikalen Teil“ der Gelbwesten ausschließt. AFP berichtete über eine Sitzung im Präsidentenpalast, in der Macron über die aktuellen Vorgänge informiert wurde. Der spannende Satz war auch bei der TASS nur in einem Nebensatz versteckt: Man konnte dort lesen, dass laut des Macron vorgelegten Berichtes der radikale Teil der Gelbwesten 40.000 bis 50.000 Menschen umfasste.
Wenn aber das französische Innenministerium offiziell nur 32.000 Demonstranten meldete, bei einer Sitzung mit Macron aber von 40.000 bis 50.000 „Radikalen“ unter den Gelbwesten die Rede ist, muss man zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass die offiziellen Zahlen des Innenministeriums geschönt waren und nicht stimmen können. Die tatsächliche Teilnehmerzahl musste weit höher liegen.
Das bedeutet nicht, dass die Zahlen der Organisatoren korrekt waren. Sie waren vielleicht überhöht, aber wahrscheinlich waren die Zahlen der Organisatoren weit näher an der Wahrheit als die Zahlen des Innenministeriums.
In Frankreich wurde im März entschieden, den Protesten der Gelbwesten mit brutaler Härte ein Ende zu setzen, wie man sogar im Spiegel ansatzweise lesen konnte.88 Nun waren Demonstrationsverbote möglich, Demonstrationen sollten schneller aufgelöst werden und in Paris wurde ein härterer Polizeichef eingesetzt.
Ein weiterer Hinweis darauf, dass die offiziellen Teilnehmerzahlen viel geringer waren als die tatsächlichen Zahlen, fand sich im April.
Die Proteste der Gelbwesten begannen im November mit weit über hunderttausend Teilnehmern. Im April sollen es gemäß offiziellen Angaben der französischen Polizei schon weniger als 30.000 landesweit gewesen sein, die sich samstags zu