Das Versprechen des Brexit war sein Köder. Viele Analysten waren verblüfft über die Bilder von Massendemonstrationen im Zentrum Londons, wo zu Protesten gegen einen Austritt aus der EU manchmal bis zu einer Million Menschen kamen. Aber sie spiegelten nicht das wirkliche Bild dessen wider, was im Land geschieht. Oppositionsführer Jeremy Corbyn, der ein zweites Referendum über den Austritt aus der Europäischen Union gefordert hatte, hat das nicht verstanden.
Ein solcher Gegner war ein echtes Geschenk für Johnson. Corbyn hat seine traditionellen Anhänger in Mittel- und Nordengland verloren.
Bei dieser Wahl gewann Johnsons Partei sogar an Orten, an denen die Konservativen immer gegen Labour verloren hatten. Zum Beispiel in der Stadt Peterborough. Beim Referendum 2016 stimmte die Mehrheit dort für den Brexit, und dieses Mal stimmten sie für den, der versprochen hatte, ihn umzusetzen.
Viel wird vom Ergebnis der Verhandlungen über ein neues Handelsabkommen mit der Europäischen Union abhängen. Michel Barnier, der Chefunterhändler aus Brüssel, hat die Frist bis Ende 2020 bereits als unrealistisch bezeichnet. Das bedeutet, dass sich die Zeit der Unsicherheit für das Vereinigte Königreich hinziehen und negative Folgen für die Wirtschaft des Landes drohen könnten.
Aber auf jeden Fall hat Johnsons Sieg den Brexit aus einer Sackgasse befreit und wird viele Veränderungen herbeiführen. Der Austritt des Vereinigten Königreichs wird unweigerlich die Dynamik in der Europäischen Union beeinflussen. Die Balkanländer Serbien, Montenegro, Nordmazedonien und Albanien, die den Status von EU-Beitrittskandidaten haben, können nicht mehr auf die Unterstützung Londons zählen. Die Briten selbst haben eine Reihe akuter territorialer Probleme.
Schottland fordert ein zweites Unabhängigkeitsreferendum. Die Scottish National Party gewann bei dieser Wahl 48 Sitze im britischen Parlament – ein Rekord. Schottland hat gegen den Brexit gestimmt, und die Vorsitzende Nicola Sturgeon sagte bereits in einem Telefonat mit Johnson, dass die Ergebnisse der Wahlen die Notwendigkeit einer weiteren Volksabstimmung zeigen.
Die Situation in Nordirland, das ebenfalls gegen den Brexit gestimmt hat, ist noch komplizierter. Selbst seine Anhänger unterstützen die jetzigen Bedingungen für den Austritt aus der Europäischen Union nicht, denen Johnson zugestimmt hat. Die sogenannten Loyalisten – Befürworter der Aufrechterhaltung der Union mit dem Vereinigten Königreich – fürchten, dass Zollschranken sie vom Rest des Landes abschneiden werden. Darüber hinaus veränderten die Wahlen die Machtverhältnisse in der Region und schwächten die Position der wichtigsten Verbündeten Londons, der Democratic Unionist Party.
Durch seinen überzeugenden Sieg und den garantierten Brexit läuft Johnson Gefahr, die Einheit des Landes zu verlieren. Und es ist nicht bekannt, wie das Königreich bei den nächsten Wahlen aussehen wird, die in fünf Jahren stattfinden werden, wenn nichts Außergewöhnliches dazwischenkommt.
1 http://www.spiegel.de/politik/ausland/grossbritannien-theresa-may-vor-den-truemmern-ihrer-brexit-strategie-a-1229823.html
2 http://www.spiegel.de/politik/ausland/brexit-ohne-deal-eu-mahnt-mitgliedstaaten-zur-haerte-gegenueber-briten-a-1253370.html
3 https://deutsch.rt.com/meinung/84261-grossbritannien-will-wieder-grossmacht-werden/
Bolivien
In Bolivien konnten wir einen Putsch erleben, der ein klassischer US-gesteuerter Regime Change war. Interessant ist, dass dabei neue Methoden erprobt wurden, die wir in Zukunft wohl öfter sehen werden. Daher werfen wir einen Blick darauf und auch auf die Frage, was die Klimadebatte mit dem Putsch zu tun hat.
Es klingt abstrus, dass die Klimadebatte, der Greta-Wahn und die Friday-Hüpfer etwas mit dem Putsch in Bolivien zu tun haben. Doch wer auf die Hintergründe achtet, kann diesen Zusammenhang nicht von der Hand weisen.
Bolivien hat die weltweit größten Lithium-Vorkommen. Dieses Metall, das in der Vergangenheit kaum jemanden interessierte, ist heute ungemein wichtig geworden, und der Grund liegt in der Klimadebatte. Viele Menschen fragen sich, warum von Politik und Medien ausgerechnet Elektroautos als Lösung für das Klimaproblem gepusht werden. Erstens benötigen sie Strom, der wieder hauptsächlich durch fossile Energieträger oder Atomkraft produziert werden muss, was den CO2-Ausstoß nicht nennenswert reduzieren wird, sondern ihn nur aus dem Automotor in ein Kraftwerk verlagert. Und zweitens bedeutet der Abbau des für die Batterien benötigten Lithiums für die betroffenen Regionen ökologische Katastrophen. Elektroautos sind also alles andere als klima- oder umweltfreundlich.
Eine Alternative wäre das Wasserstoffauto, das technisch zwar noch nicht ausgereift ist, aber das ist das Elektroauto ja auch nicht, wenn man allein die nötige Zeit zum Aufladen der Batterien bedenkt. Das Wasserstoffauto verursacht allerdings keine CO2-Emissionen. Hier wäre noch das Problem der industriellen Herstellung von Wasserstoff zu lösen, doch selbst mit der heutigen Technik wäre das Wasserstoffauto eine wesentlich umwelt- und klimafreundlichere Alternative als das Elektroauto.
Trotzdem wird das Elektroauto von den Medien propagiert. Warum?
Die Antwort ist profan: Es geht um Geld. An der Produktion von Wasserstoff lässt sich nicht besonders viel Geld verdienen. An den Batterien der Elektroautos hingegen schon. Seit die Medien das Elektroauto in den letzten zwei Jahren pushen und Greta ins gleiche Horn bläst, ist der Preis für Lithium durch die Decke geschossen.
4Die Medien haben einen Hype um Klima, CO2 und Elektroautos geschaffen, der innerhalb von weniger als fünf Jahren aus einem recht uninteressanten Rohstoff eine Goldgrube gemacht hat. Die Verdienstmöglichkeiten für Konzerne sind auf Jahre oder Jahrzehnte gesichert, denn Lithium wird in Zeiten der Elektroautos das neue Öl. Und Bolivien hat mit 9 Millionen Tonnen die weltweit größten Lithium-Vorkommen.
Normalerweise läuft der Abbau von Rohstoffen nach immer dem gleichen Muster: Ein Entwicklungsland hat den Rohstoff, eine westliche Firma schließt mit dem Land einen PSA-Vertrag ab und beutet die Bodenschätze aus, während das Land in der Regel mit nicht mehr als 25 Prozent der Einnahmen abgespeist wird. Den Löwenanteil bekommt der westliche Konzern. Der verarbeitet den Rohstoff dann bei sich zu Hause weiter und verdient mit der folgenden Wertschöpfungskette noch einmal ein Vielfaches.
Präsident Morales wollte jedoch nicht, dass Lithium in Bolivien nur abgebaut und dann im Ausland verarbeitet wird. Er wollte die gesamte Wertschöpfungskette im Land halten und so für Wohlstand sorgen. 2018 hatte Bolivien daher mit der deutschen Firma ACI-Systems einen Vertrag geschlossen. In der Pressemeldung konnte man lesen5:
„Diese Industrialisierung soll durch die Gewinnung und Herstellung von Rohstoffen aus Restsole, den Aufbau von Fertigungskapazitäten und die Produktion von Kathodenmaterial und Batteriesystemen in Bolivien sowie deren Vermarktung erfolgen.“
Im Klartext: In Bolivien sollte das Lithium abgebaut und verarbeitet werden. Bolivien hätte fertige Batterien für Elektroautos exportiert, anstatt nur den Rohstoff Lithium. Die Gewinne wären vergleichbar gewesen mit dem Ölboom in der Vergangenheit.
Aber in Bolivien haben sich Kräfte gegen das Projekt gestellt, und Morales stoppte das Vorhaben am 4. November ohne Angabe von Gründen. Zu diesem Zeitpunkt versank das Land in Unruhen, dazu später mehr. Wahrscheinlich sah Morales in dem Deal mit ACI den Grund für den Widerstand gegen sich und hatte gehofft, die Situation zu entschärfen, wenn er den Vertrag annulliert. Aber das ist Spekulation, weil er bis heute keine Gründe für den Schritt genannt