Waldlichter. A. V. Frank. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A. V. Frank
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960741800
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zu feiern. Doch da mir John gerade offenbart hat, dass ich dazu gezwungen bin, diese Reise zu unternehmen, um im Vorstand von Pan zu bleiben, habe ich jetzt überhaupt keine Wahl mehr. Wollt ihr nun vielleicht hören, dass ihr recht hattet, was John angeht, weil ihr mich doch schon die ganze Zeit vor ihm gewarnt habt? Mir den Umgang mit ihm am liebsten verboten hättet? Tja, dann mögt ihr vielleicht recht gehabt haben, aber Fakt ist, dass ich diese Reise allein schon aus dem Grund antreten werde, damit ich weiterhin im Vorstand und mit John zusammen sein kann!“

      Mit diesen Worten riss ich meinem Vater das vermaledeite Blatt Papier aus den Händen, schob mich an ihm vorbei, rannte die Treppe hinauf und sperrte mich in meinem Zimmer ein. Dort füllte ich wütend die Felder aus, zog einen Briefumschlag aus der Schublade und steckte das Formular hinein. Ich würde es am nächsten Morgen bei Pan abgeben. Dann warf ich mich auf mein Bett und starrte blicklos auf das Bild auf meinem Nachttisch.

      Später hätte ich nicht mehr sagen können, was ich in dem Moment dachte. Es waren unzusammenhängende Wort- und Satzfetzen, die sich gleich einer Schlange aneinanderreihten, ohne auch nur einen Hauch von Sinn zu ergeben. Mit einem letzten Blick in die Augen meiner Schwester schlief ich schließlich ein, die Brille noch auf der Nase und das Licht eingeschaltet. Erst als ich erwachte – etwa um zwei Uhr morgens – änderte ich diese Umstände und legte mich unter meine warme Decke.

      Der Morgen begann mit einem zögernden Klopfen an meiner noch versperrten Tür. Müde tappte ich zu ihr hin und drehte den Schlüssel im Schloss herum. Die Klinke senkte sich und meine Mum schob ihren Kopf in mein Zimmer.

      „Guten Morgen“, wünschte sie leise und kam herein, während ich mich in mein Bett zurückfallen ließ. Sie stellte eine Tasse dampfenden Tee auf meinen Nachttisch und setzte sich auf mein Bett.

      Abwartend blickte ich sie an und bemerkte dabei die Augenringe und die zerzausten Haare. Sie schien nicht viel Schlaf bekommen zu haben.

      „Hör zu, Victoria, zunächst einmal darfst du niemals denken, wir hätten Vetana vergessen. Und dir dasselbe zu unterstellen, war ein Fehler, wir wissen natürlich, dass du das nie könntest.“

      Ich nickte und warf einen Blick auf das Foto. Dabei fiel mir auf, dass ich diesmal den Traum nicht gehabt hatte, und fragte mich sogleich, was das bedeuten konnte.

      „Du verstehst doch bestimmt, weshalb wir nicht wollen, dass du diese Reise machst, nicht wahr?“

      Erneut nickte ich. Natürlich verstand ich ihre Beweggründe – sie hatten dort die eine Tochter verloren und fürchteten nun, auch ihre zweite verlieren zu müssen.

      „Wir sind trotzdem damit einverstanden. Unter der Bedingung, dass du uns versprichst zurückzukehren. Lass nicht zu, dass sich das Ganze wiederholt, du würdest uns damit das Herz brechen.“

      Wieder konnte ich nur nicken, bevor ich heiser flüsterte: „Ich schwöre euch, dass ich wiederkomme!“

      Eine Woche später verabschiedete ich mich am Flughafen von Edinburgh von meinen Eltern, die sich um Haltung bemühten. Ich wusste, wie schwer es ihnen fallen musste, und war ihnen dankbar dafür. Genauso dankbar war ich John, mit dem ich mich vertragen hatte und der sich für sein rücksichtsloses Verhalten entschuldigt hatte. Doch den größten Dank brachte ich dem entgegen, der dafür verantwortlich war, dass sich mein großer Traum nun erfüllte. Dabei war mir egal, ob es sich um Gott, das Schicksal oder einfach nur die Verwaltung von Pan handelte. Nur die mühsam versteckte Furcht in den Augen meiner Eltern hielt mich auf dem Boden der Tatsachen.

      „Mir wird schon nichts passieren!“, beruhigte ich sie ein letztes Mal, umarmte sie und ging durch die Sicherheitskontrolle hinein in das größte Abenteuer meines Lebens, auch wenn ich das damals noch nicht ahnte.

      *

      Kapitel 2

      Lysana wachte mit starken Kopfschmerzen auf. In ihrem Kopf drehte sich alles und auch ihr Zimmer schien ein einziger verwischter Fleck zu sein. Verschlafen richtete sie sich auf, zog ihre Brille an und sog erschrocken die Luft ein, als sie plötzlich das Gefühl bekam, ihr Kopf stehe in Flammen.

      „Was ist mit mir los?“, fragte sie sich verwundert und betastete ihren Kopf. Er fühlte sich an wie immer. Sie runzelte die Stirn. Keine Flammen und auch keine Messer, die in ihm steckten. „Wieso tut er dann so weh?“

      Eine Erinnerung stieg in ihr auf. Laute Musik. Viele feiernde Leute.

      „Oh“, dachte sie erschrocken. Sie wurde endlich klar im Kopf. „Ist meine Party so aus dem Ruder gelaufen? Sie sollte doch nur ganz klein und harmlos werden.“

      Lysana erinnerte sich jetzt wieder komplett und wünschte sich etwas von dem Nebel, den sie vorhin im Kopf gehabt hatte, zurück. Sie hatte eine riesige Party geschmissen mit Alkohol, lauter Musik und vielen süßen Jungs. Sie wusste noch, dass sie mit einem Wildfremden geknutscht hatte, während ihr Freund ihre beste Freundin begrapscht hatte. Doch es hatte ihr nichts ausgemacht. Sie hatte viel gelacht und Spaß gehabt, war der Star gewesen. Flüchtig erinnerte sie sich an eine Szene, in der sie im Bikini auf einem der Tische getanzt hatte.

      Schade nur, dass ihre Eltern früher zurückgekommen waren, die Musik ausgestellt und alle nach Hause geschickt hatten. Sie hatten geschrien und den Leuten Whiskeyflaschen hinterhergeworfen, wenn diese nicht schnell genug verschwanden.

      Ein unrühmliches Ende für eine tolle Party. Sie wusste, dass sie, solange sie noch nicht volljährig war, niemals so etwas hätte veranstalten dürfen. Aber sie war doch schließlich kein Baby mehr! Und seit wann scherte sie sich um das, was ihre Eltern sagten? Sie verdankte ihnen zwar eine Menge, zum Beispiel dass sie die Schulkönigin war, dass sie viel Kohle hatte, die sie für unnötige Sachen aus dem Fenster werfen konnte, und ein luxuriöses Leben, aber das war doch kein Grund, ihnen zu gehorchen. Sie war schließlich keine Dienerin. Es reichte schon, dass sie den doofen Lehrern zuhören und folgen musste. Da brauchte sie so etwas nicht auch noch zu Hause.

      Stöhnend rappelte sich Lysana, die es nicht ausstehen konnte, mit ihrem vollen Namen angesprochen zu werden, und daher Ana bevorzugte, auf, ging zu ihrem Waschbecken, fingerte sich die Kontaktlinsen in die Augen und betrachtete sich in ihrem Spiegel. Dort sah sie ein Mädchen mit blonden Haaren, die einen rötlichen Stich hatten und sich anmutig fast bis zur Hüfte lockten, dunkelgrünen Augen und sehr heller Haut. Sie grinste spöttisch. Selbst ohne das Geld ihrer Eltern wäre sie, allein durch ihr Aussehen, die Nummer eins in der Schule geworden, da war sie sich sicher.

      Sie ging zu ihrem überdimensionalen Schrank, suchte etwas darin herum und zog schließlich eine Röhrenjeans und ein tief ausgeschnittenes hellblaues Sweatshirt an. Sie schminkte sich, bürstete sich die Locken, bis diese richtig fielen, und ging in den Salon.

      Sie wohnte in einer Stadtvilla mitten in Dublin und liebte es dort. Im Salon gab es ein paar schicke Sessel mit passenden Beistelltischen. Alles war in Hellblau und Weiß gehalten. Zum Glück war niemand zu sehen, denn ihre trübsinnigen Gedanken hatte sie erfolgreich verdrängt und ihre Laune war trotz des Katers blendend. Sie ging weiter in die Küche, dort holte sie sich ein Schmerzmittel für ihren verkaterten Kopf und machte sich Frühstück.

      Seit einer Woche hatte sie nun bereits Ferien und verbrachte die Tage mit schlafen und chatten, die Nächte mit diversen Jungs und auf Partys. So gefiel ihr das Leben. Auch wenn die letzte Nacht, also, ihre Party wirklich eher entspannt sein sollte, war es doch erheblich witziger geworden, nachdem die Jungs aus der Nachbarschaft uneingeladen dazugekommen waren. Sie hatten Whiskey mitgebracht, und da ihnen der eigene Vorrat gerade ausgegangen war, durften sie bleiben.

      Nachdem Ana das Schmerzmittel eingenommen hatte, kehrte sie mit einem vollen Frühstückstablett auf ihr Zimmer im dritten Stock zurück. Besonders viel Hunger hatte sie eigentlich nicht, schließlich musste sie auf ihre Figur achten, aber trotzdem hatte sie sich eine Tasse Kaffee, ein Glas Orangensaft, zwei Croissants und andere Leckereien (wie zum Beispiel Kaviar und Olivenbaguettes) mitgenommen.

      Sie aß und trank nur etwa die Hälfte von allem und legte sich dann wieder auf ihr Bett. Sie war gerade am Einschlafen, als ihr Telefon klingelte,