Stefan Großmann
Ich war begeistert
Herausgegeben von Alexander Kluy
Mit einem Vorwort von Hermann Schlösser
Die Reihe WIENER LITERATUREN setzt sich zum Ziel, Literatur aus Wien, über Wien, von Wiener Autorinnen und Autoren, aber auch Blicke von außen auf die Stadt zu präsentieren.
In dieser Reihe erscheint Andersartiges und Zeitenüberdauerndes: schön gestaltete und hochwertig ausgestattete Bände, die souverän eigensinnig und klug erhellend die Grenzen zwischen erzählender, feuilletonistischer und analytischer Prosa leichthändig ignorieren. Die dem gelebten Augenblick durch genaue Beobachtung Gehalt und Sinn, Witz und Leben verleihen. Und urbane Eleganz.
Kaum ein Band wäre somit als Auftakt besser geeignet als Stefan Großmanns urbane Memoiren Ich war begeistert.
Diese übersprudelnd lebendige Autobiographie gehört neben den Büchern eines Stefan Zweig zu den großen Erinnerungsbüchern der Wiener Literatur des 20. Jahrhunderts.
Großmann (1875–1935), einer der bekanntesten Journalisten seiner Zeit, schildert geistreich, pointiert und atmosphärisch, mit intensiver Sehnsucht und sehnsüchtiger Intensität das kulturelle und geistige Leben in Wien und Berlin vor und nach 1914. Er war Theaterimpresario, investigativer Reporter, Feuilletonist und Kulturkorrespondent. Und er gab eine der wichtigsten Zeitschriften des 20. Jahrhunderts heraus: Das Tage-Buch. Für den Wiener und Wahl-Berliner schrieben Alfred Polgar und Thomas Mann, Robert Walser und Alexander Roda Roda, Robert Musil, Egon Friedell und Egon Erwin Kisch. 1925 veröffentlichte Stefan Großmann eine erschreckend prophetische Rezension von Hitlers Mein Kampf und Anfang 1934 eine erschütternd klarsichtige Analyse des Endes eines Landes namens Österreich.
Alexander Kluy
Inhalt
Begeisterung als Lebensenergie (von Hermann Schlösser)
Theaterfreuden und Bitternisse
Hermann Schlösser
Begeisterung als Lebensenergie
Im Mai 1925 feierte Stefan Großmann seinen 50. Geburtstag mit einem großen Empfang im noblen Berliner Hotel Adlon. Ein Foto hat das Ereignis festgehalten: Illustre Gäste in großer Zahl umrahmen den Geehrten, der in der ersten Reihe im Mittelpunkt sitzt: »Ganz Salonlöwe mit Zigarre, etwas seitlich zurückgelehnt, die Beine übereinandergeschlagen. Gute Theaterarbeit; der Photograph hat das Seine beigetragen.« So beschrieb Großmanns Enkelin, Christina Wesemann-Wittgenstein, die Erscheinung des Fünfzigjährigen auf diesem Bild.
Der 1875 in Wien geborene Großmann gehörte in den Zwanzigerjahren zu den führenden Berliner Publizisten. Das Tage-Buch, die Zeitschrift, die er von 1920 bis 1928 zusammen mit Leopold Schwarzschild im Rowohlt Verlag herausgab, war neben der Weltbühne das wichtigste linksliberale Intellektuellenmagazin Deutschlands. Aber Großmann redigierte nicht nur, sondern nahm auch selbst in eigenen Leitartikeln, Glossen und Kommentaren Stellung zum politischen Geschehen. 1923 enthüllte er zum Beispiel in einer seiner Glossen, dass Hitler und die Nationalsozialisten von ausländischen Geldgebern finanziert wurden. Das provozierte beim Völkischen Beobachter Morddrohungen gegen »die jüdische Kanaille Großmann«; Hitler verklagte den Journalisten vor einem Münchner Gericht. Der Prozess wurde zwar erst vertagt, dann niedergeschlagen, doch die Nationalsozialisten zählten Stefan Großmann von da an zu ihren besonders verhassten Gegnern.
Großmann scheute derartige Kämpfe zwar nicht, aber in seinem fünfzigsten Lebensjahr machte sich doch eine gewisse Unlust an der aufreibenden Journalistenexistenz bemerkbar. In demselben Monat Mai, in dem er im Adlon würdevoll Geburtstag feierte, veröffentlichte Großmann im Tage-Buch einen ironischen Nachruf auf sich selbst. Dort heißt es unter anderem: »Er hat sich immer wieder der Gegenwart preisgegeben, und so verdarb er sich das bisschen Ewigkeit. Mit fünfzig Jahren erst begann er sich ein wenig zu sammeln, dieser immer Zerstreute.«
In den folgenden Jahren reduzierte Großmann seine journalistische Aktivität. 1928 trennte er sich von Schwarzschild und vom Tage-Buch und war wieder vor allem literarisch tätig – ganz wie in seinen jungen Jahren im Wien des Fin de Siècle. Unpolitisch war seine Literatur freilich nicht. 1928 veröffentlichte er den Roman Chefredakteur Roth führt Krieg, der seine Erfahrungen mit der Zeitungswelt ins Gewand der Fiktion kleidet. 1931 wurde in der Berliner Volksbühne das Drama Die beiden Adler uraufgeführt, in dem Großmann ein traumatisches Ereignis der jüngeren österreichischen Geschichte auf die Bühne brachte: Gezeigt wird hier der Strafprozess gegen Victor Adlers Sohn Friedrich Adler, der 1916 den Grafen Stürgkh, Österreichs Premierminister, aus Protest gegen den Krieg ermordet hatte.
Wie viele nicht mehr junge Autoren, die sich angesichts des dahinschwindenden Lebens ein »bisschen Ewigkeit« erschreiben wollen, wandte sich Großmann aber auch dem Genre