LebensAder. Bernd Steckmeier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bernd Steckmeier
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783868675191
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aber sehr wohl zum Schmelzen bringen. Ernährungswissenschaftler empfehlen zusätzlich zur Umstellung der Lebensgewohnheiten mit modifizierter Kost und Bewegung natürliche Methoden wie weniger heizen, scharf würzen oder kalt duschen. Auch dadurch wird die körpereigene Wärmeproduktion befeuert und der Mensch verbrennt mehr Kalorien.

      Fettsucht – Schicksal oder Völlerei ?

      Klar, futtern sich manche die überschüssigen Pfunde nur an. Sie bewegen sich zu wenig und vertilgen zu viele Kalorien.

      Die „Dicken“ sind aber nicht immer alleine schuld an ihrem stolzen Gewicht. Eine einzige genetische Variante hemmt die Fettverbrennung und verstärkt die Speicherung von Fett.

      Ändert sich in der Bauanleitung der drei Milliarden Biomoleküle (Basen) unseres Erbgutes ein einziges Molekül, dann erhöht sich unser Risiko, dick zu werden, um ein Drittel.

      Erst kürzlich wurde die Anlage für krankhafte Fettleibigkeit im Erbgut identifiziert – das FTO-Gen.37

      Viel FTO-Gen bedeutet viel Fett. Das Dickmacher-Gen begünstigt die Speicherung der weißen Fettzellen. Diese sind wesentlich inaktiver als die braunen Fettzellen und verbrennen weniger Energie. Das kranke Gen macht süchtig nach Essen. Wir nehmen zu.

      Knapp 50 % der Europäer sind Träger dieses Dickmacher-Gens. Allerdings ist diese Genvariante selten allein für Übergewicht verantwortlich. FTO ist die anlagebedingte Voraussetzung für die Gewichtszunahme. Der Hauptschalter im Erbgut „pfundiger“ (übergewichtiger) Menschen ist aber ein anderer:

      Forscher der Technischen Universität München (Prof. Dr. H. Hauner, Lehrstuhl für Ernährungsmedizin TUM) und der US-University in Chicago haben verschiedene Proben aus Fettgewebe von Menschen untersucht. Nur in Proben, die bereits mit dem Risikogen FTO behaftet waren, fanden sie die wahren Auslöser für Fettleibigkeit – das IRX3- und IRX5-Gen. Nur wenn diese Gene aktiv waren, entstand Fettleibigkeit. FTO war also nur indirekt verantwortlich, aber Voraussetzung für Übergewicht.

      Bei Menschen mit diesen Genen wird eine Hirnregion stimuliert, welche unseren Appetit fördert. Dadurch wird das Risiko für Übergewicht erhöht. Vorläufer der Fettzellen werden durch diese Gene aktiviert und verlieren die Fähigkeit der Fettverbrennung.

      Sind diese Gene (IRX3, IRX5) nicht aktiv, dann verbrennen die Zellen Fett und erzeugen Hitze.

      Die Forscher (s. o.) reparierten diese Fettzellen bei Menschen gentechnisch (machten die Fettverursacher also unschädlich) und normalisierten damit die Fettverbrennung. Beige und braune Fettzellen entstanden und die weißen Fettspeicherzellen nahmen ab. Die Probanden verloren Gewicht.

      Die braunen Fettzellen besitzen mehr Kraftwerke (Mitochondrien bewirken die braune Farbe, da eisenhaltig), welche unseren Stoffwechsel anfeuern und uns einheizen.

      Diese Mechanismen wurden auch an Mäusen nachgewiesen. Mäuse, bei denen das „IRX-Dickmachergen ausgeschaltet“ wurde, nahmen bei gleicher Kalorienaufnahme nicht zu. Im Gegensatz dazu legten Mäuse mit eingeschaltetem Gen rasch an Gewicht zu.

      So gibt es auch beim Menschen, entsprechend der genetischen Ausstattung, schlechte und gute Futterverwerter. Der eine kann essen was er will und bleibt schlank. Der andere nimmt schon beim Zusehen zu.

      Dennoch können auch „Dicke“ an ihrem Übergewicht arbeiten. Wir wissen, dass Bewegung das Dickmachergen blockiert. Wenn es auch schwer fällt. Auch Fettsüchtige können schlanker werden durch Sport und Kalorienverzicht.

      Nicht mehr hungern und essen so viel man möchte ohne Gewichtszunahme wird wohl ein Traum bleiben. Die Forscher haben aber schon begonnen, Arzneimittel zu entwickeln, die aktiv in die Mechanismen der Fettentstehung und -verbrennung eingreifen und helfen, den Anteil von braunem oder beigem Fett im menschlichen Körper zu steigern.

      Rauf, runter, rauf. Viele nehmen nach dem Abnehmen wieder zu. Schlimmer noch. Das neue Endgewicht ist nach einer Diät oft höher als das Ausgangsgewicht. Es ist so mühsam, das endlich erreichte Wunschgewicht zu erhalten. Warum ist das so ? Warum haben wir nach einer Diät so rasch die Pfunde wieder drauf ?

      Einige Tipps können helfen, den Jo-Jo-Effekt zu vermeiden. Dazu gehört der Aufbau der Muskulatur. Muskeln verbrennen Zucker und Fett. Der Stoffwechsel wird angeregt. Auch in Ruhe verbrennen wir mit mehr Muskeln mehr Kalorien. Die gilt auch für den Schlaf und bei Nacht. Um den Muskelaufbau zu fördern, sollte viel Eiweiß mit der Nahrung zugeführt werden. Bewegung und Sport stabilisieren natürlich auch das Gewicht. Leere Kalorien wie Fast Food, Alkohol und Limonaden sollten gemieden werden. Sie sind „leer“, weil sie trotz vieler Kalorien keine wichtigen Nährstoffe enthalten. Ein Crashkurs zur Gewichtsabnahme ist nicht zu empfehlen. Der Körper glaubt, es stünde ihm eine Hungersnot bevor und verwertet die Lebensmittel besser als zuvor. Ein stabiles Körpergewicht war schon immer ein evolutionärer Vorteil für das Überleben. Ein Gewichtsverlust hingegen war ein Zeichen der existentiellen Bedrohung. Der Körper merkt sich das höchste Gewicht, welches er einmal erreicht hat, als „Set-Point“ für schlechtere Zeiten und versucht alle Regulationsmechanismen, um zu diesem Sollwert wieder zurück zu gelangen.

      Ein Teil des Jo-Jo-Effekts wurde jetzt entschlüsselt. Übergewicht und Diät verändern die Bakteriengemeinschaft im Darm nachhaltig. Der Deutsche Dr. Christoph Thaiss forschte am israelischen Weizman-Institut in Rehovot und fand heraus, dass bestimmte Darmbakterien nach einer Diät eine unerwünschte Gewichtszunahme bewirken. Der Körper hat ein „Gedächtnis“ für Übergewicht, das Mikrobiom ist noch auf dick gepolt und beeinflusst den Energieumsatz. Nehmen wir zu, dann verändert sich auch die Zusammensetzung der Bakterien im Darm. Diese gewöhnen sich an die köstlichen Speisen und Dickmacher und „vergessen“ nicht so schnell, im Schlaraffenland gelebt zu haben. Die Zusammensetzung der Bakterien verschwindet deshalb nicht sofort nach einer Reduktionsdiät. Haben wir bereits abgenommen, befinden sich die auf dick gepolten Bakterien noch in unserem Darm und verlangen ihren Tribut, nämlich eine Nahrungszufuhr wie während der übergewichtigen Phase. Wir essen dann so viel wie vorher, um den „Hunger“ der Darmflora zu stillen. Die „übergewichtige Darmflora“ bleibt also auch dann noch eine Zeit lang bestehen, wenn das Gewicht bereits reduziert wurde. Besonders in den ersten Wochen nach Beendigung der Schmalkost haben sich die verwöhnten Darmbakterien noch nicht umgestellt. Bei Mäusen dauert dieser Prozess bis zu 21 Wochen. Dann erreicht die Darmflora wieder den Zustand eines normalgewichtigen Tieres. Wurden den Versuchstieren spezielle Flavonoide (sek. Pflanzenstoffe) zugesetzt, so schwächte sich der Jo-Jo-Effekt ab.

      Das Normalgewicht wurde durch den Verzehr von sekundären Pflanzenstoffen früher erreicht. Eine wichtige Rolle für das Abnehmen spielen demnach die Flavonoide, da sie der Körper braucht, um das niedrige Gewicht zu halten. Eine auf Übergewicht programmierte Darmflora wirkt, beim Versuch abzunehmen, noch länger nach. Das „Mikrobiomgedächtnis“ der auf Übergewicht gepolten Darmbakterien verhindert zunächst die Wirkung der Flavonoide. Die sekundären Pflanzenstoffe, welche das Abnehmen fördern, werden von den „verwöhnten“ Mikroben eine Zeit lang zersetzt, bevor sie zur Gewichtsreduktion beitragen können. Die Darmflora selbst trägt also bei zur beschleunigten Gewichtszunahme nach einer Diät.38

      Wie lange es beim Menschen braucht, bis sich das „dicke“ Mikrobiom wieder auf Normalgewicht umgestellt hat, versucht C. Taiss in den nächsten Jahren herauszufinden. Ein wenig Geduld müssen wir noch haben. Immerhin wissen wir jetzt, dass die Bakterien bei übergewichtigen Menschen ein Gedächtnis haben.

      Die magische Pille zum Abnehmen, welche die Pfunde dahinschmelzen lässt, ist noch nicht entwickelt. Seien Sie äußerst vorsichtig mit der Einnahme dieser Medikamente. Die meisten haben