Pflegerisches Entlassungsmanagement im Krankenhaus. Klaus Wingenfeld. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Klaus Wingenfeld
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Медицина
Год издания: 0
isbn: 9783170362468
Скачать книгу
häufig auf Unterstützung in Form des Entlassungsmanagements angewiesen sind.

      Ein Beispiel für die Überführung dieser Risikofaktoren in ein Instrument zur kriteriengestützten Einschätzung findet sich im Anhang A (image Anhang A).

      In manchen Fachbereichen ist grundsätzlich von einem erhöhten Risiko für poststationäre Probleme auszugehen. Dies gilt beispielsweise für Frühgeborenenstationen, die Geriatrie oder psychiatrische Fachabteilungen. Bei den betreffenden Patienten kann das initiale Assessment übersprungen und sofort mit dem differenzierten Assessment begonnen werden, d. h. mit der Prüfung der Frage, ob bzw. welcher Unterstützungsbedarf vorliegt.

      Auch bestimmte Erkrankungen geben Hinweise auf ein erhöhtes Risiko, unabhängig davon, ob es sich um die Haupt- oder die Nebendiagnose handelt. Dazu gehören

      • psychische Erkrankungen bzw. Störungen,

      • demenzielle Erkrankungen,

      • schwerwiegende Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Schlaganfall, Herzinsuffizienz),

      • Krebserkrankungen,

      • Verletzungen mit langanhaltenden Folgen wie Oberschenkelhalsfraktur oder Hirnschädigungen.

      Diese Liste ist nicht abschließend. Sie soll nur verdeutlichen, dass es neben den oben genannten Kriterien auch möglich ist, ergänzend bestimmte Erkrankungen zum Kriterium zu machen. Es sind im Regelfall solche Erkrankungen, die die Gesamtkonstitution des Patienten schwächen, seine Fähigkeiten zur allgemeinen Alltagsbewältigung stark beeinträchtigen oder mit besonderen Anforderungen an sein Alltagshandeln und sein Selbstmanagement einhergehen.

      Bei der Festlegung von Kriterien muss man sich immer bewusst machen, dass es im ersten Schritt nur darum geht, Patienten mit einem erhöhten Risiko für poststationäre Probleme zu identifizieren. Ob Patienten, die ein solches erhöhtes Risiko aufweisen, dann tatsächlich der Unterstützung in Form des Entlassungsmanagements bedürfen, ist eine zweite Frage. So kann es sein, dass ein Patient zwar erhebliche Mobilitätseinbußen und vielleicht auch weitere funktionelle Beeinträchtigungen aufweist, dass jedoch die daraus resultierende Beeinträchtigung der Selbstversorgungsfähigkeit durch seine Angehörigen vollständig kompensiert wird. Ähnliches gilt im Grundsatz sogar für Personen mit schwerwiegenden Erkrankungen. Auch hier findet man Patienten, die zwar erhebliche Belastungen und Anforderungen nach der Entlassung zu bewältigen haben, aber durch Angehörige, Ärzte und andere Dienste bereits ausreichend unterstützt werden und auch keinen Informations- oder Beratungsbedarf aufweisen.

      Dies wird erst im nächsten Schritt des Entlassungsmanagements festgestellt, nicht bereits beim Risikoscreening. Denn die Bedarfseinschätzung erfordert ein deutlich differenzierteres Vorgehen als das Risikoscreening. Vereinfacht gesagt: Das Risikoscreening liefert eine Antwort auf die Frage, welche Patienten einen Bedarf an Hilfen in Form des Entlassungsmanagements haben könnten. Ob sie ihn tatsächlich haben, wird dann mit dem differenzierten Assessment festgestellt (image Kap. 2.2).

      Einen Sonderfall für die Risikoeinschätzung stellt der gesamte Bereich der Geburtshilfe dar. Die meisten der oben aufgeführten Kriterien wären hier unpassend, insbesondere wenn sie auf die Situation vor dem Krankenhausaufenthalt Bezug nehmen. Selbst eine mit Komplikationen verbundene Schwangerschaft stellt nicht unbedingt einen verlässlichen Anhaltspunkt dar. Sie gibt eventuell Hinweise auf ein Risiko bei der Geburt, aber nicht unbedingt für die Zeit nach der Krankenhausentlassung. Für den Bereich der Geburtshilfe ist es empfehlenswert, die Gesundheit des Kindes zum Kriterium zu machen. Bei allen Kindern, die gesundheitlich auffällig sind (einschließlich Frühgeborene), ist das Risiko gesundheitlicher Probleme nach der Entlassung höher als bei anderen Kindern. In diesen Fällen sollte daher überprüft werden, ob alle Unterstützungsleistungen nach der Entlassung verfügbar sind (sowohl der Eltern als auch eventuell benötigte professionelle Hilfen) und ob das Kind in eine geeignete Versorgungsumgebung wechselt. Die Kriterien für das Risikoscreening sind hier also sehr überschaubar.

      Kritisch zu sehen ist der Hinweis im Expertenstandard, bei kognitiv beeinträchtigten Patienten solle schon beim Risikoscreening eine Einbeziehung der Angehörigen erfolgen. Hier wird die Funktion des Risikoscreenings verkannt: Ist bereits offenkundig oder liegt eine Information des einweisenden Arztes vor, dass der Patient kognitiv beeinträchtigt ist, so muss schon allein deshalb von einem erhöhten Risiko für poststationäre Probleme ausgegangen werden. Die zusätzliche Einbeziehung der Angehörigen in das Risikoscreening ist, anders als bei der differenzierten Bedarfseinschätzung, in diesem Fall nicht erforderlich.

      Zeitpunkt des Screenings und Zuständigkeit

      Das Screening sollte gleich zu Beginn des Krankenhausaufenthalts stattfinden, dem Expertenstandard zufolge innerhalb von 24 Stunden nach der Aufnahme. Ausschlaggebend dafür ist die Erfahrung, dass das Entlassungsmanagement zum Teil zu spät eingeleitet wird, wenn es nicht fester Bestandteil der Prozeduren zu Beginn des Krankenhausaufenthalts ist. Es bietet sich deshalb an, das Screening im Rahmen des Aufnahmegesprächs durchzuführen.

      Damit ist bereits ein Hinweis auf eine mögliche Zuordnung der Zuständigkeit gegeben. Das Screening sollte durch diejenige Person durchgeführt werden, die auch die Pflegeanamnese durchführt, und das sind häufig die Pflegenden auf den Krankenhausstationen. Wenn das Entlassungsmanagement durch spezialisierte Stellen durchgeführt wird (etwa durch eine Stelle für Pflegeüberleitung), erfolgt bei einem positiven Ergebnis (erhöhtes Risiko liegt vor) die Benachrichtigung dieser Stellen.

      Es gibt aber auch andere Lösungen. Wenn bei der Krankenhausaufnahme ein Risikoscreening obligatorisch ist, können auch andere Konstellationen sinnvoll sein. Exemplarisch sei auf das Land Nordrhein-Westfalen hingewiesen. Hier wurden die Krankenhäuser im Rahmen der Krankenhausplanung 2015 zu einem Screening mit dem Ziel der Identifizierung besonders vulnerabler Patienten in hohem Alter verpflichtet, wobei der Einsatz des Instruments ISAR (s. u.) als eine mögliche Option benannt wurde. Kommen solche Instrumente unabhängig vom Entlassungsmanagement zum Einsatz, liegt es natürlich nahe, eine sinnvolle Gesamtlösung zu entwickeln, wobei die Zuständigkeit dann nicht unbedingt bei der Pflege liegen muss und ggf. auch Ärzte das Risikoscreening übernehmen können.

      Veränderungen während des Krankenhausaufenthalts

      Es ist wichtig, dass die Pflegenden auf den Stationen nach dem Screening darauf achten, ob sich die Situation jener Patienten verändert, bei denen kein erhöhtes Risiko für poststationäre Probleme festgestellt wurde. Das betrifft nur einen Teil der oben genannten Kriterien. Aspekte wie prästationäre Krankenhausaufenthalte oder prästationäre Pflegebedürftigkeit sind Merkmale, die sich im Verlauf des Krankenhausaufenthalts nicht verändern. Die funktionellen Fähigkeiten des Patienten allerdings können sich im Verlauf der Krankenhausbehandlung erheblich verändern. Das gilt für körperliche und geistige Fähigkeiten gleichermaßen. So erleben nicht gerade wenige hochaltrige Menschen einen Verlust an kognitiven Fähigkeiten infolge einer starken Belastung durch chirurgische Eingriffe. Diese Einbußen geben sich bei vielen Patienten im Laufe der Zeit, aber es gibt auch Patienten, bei denen der Zustand der Verwirrtheit über die Entlassung hinaus anhält. Das Entlassungsmanagement muss auf diese Entwicklungen reagieren.

      Es kann also sein, dass beim Risikoscreening zu Beginn des Aufenthalts kein erhöhtes Risiko festgestellt wurde, dies aber im weiteren Verlauf sichtbar wird. Dann ist es Aufgabe der Bezugspflegenden, die weiteren Schritte einzuleiten: Hierunter fällt, das differenzierte Assessment für das pflegerische Entlassungsmanagement durchzuführen bzw. die dafür zuständigen Stellen zu informieren.

      Um dies sicherzustellen, können bestimmte Regeln für das Vorgehen der Pflegenden auf den Stationen festgelegt werden. Beispiele:

      • In den nichtoperativen Fachabteilungen wird etwa zur Mitte des Krankenhausaufenthalts bei allen Patienten im Alter