Pflegerisches Entlassungsmanagement im Krankenhaus. Klaus Wingenfeld. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Klaus Wingenfeld
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Медицина
Год издания: 0
isbn: 9783170362468
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href="#ulink_f7621d25-f82d-5f27-9d8f-e1a3420cbcf8">1 im Krankenhaus hat das pflegerische Entlassungsmanagement einen großen Bedeutungszuwachs erfahren. Was in den 1990er Jahren mit vereinzelten Modellprojekten begann, findet sich heute bereits in vielen Krankenhäusern als etabliertes Unterstützungsangebot für die Patienten und Angehörigen. Die auf Fallpauschalen beruhende Krankenhausfinanzierung, der nationale Expertenstandard »Entlassungsmanagement in der Pflege« und der allmähliche Aufbau von Fachgruppen und Qualifizierungsangeboten haben einen kräftigen Entwicklungsschub ausgelöst.

      Allerdings kann noch immer nicht von einer flächendeckenden Verbreitung dieser anspruchsvollen pflegerischen Praxis gesprochen werden. Das qualitätssichernde Potenzial des Entlassungsmanagements und die Chancen, die es für ein besseres Gleichgewicht von Patientenorientierung und Wirtschaftlichkeit mit sich bringt, werden in Krankenhäusern noch zu wenig gesehen. Der Anspruch, kein monoprofessionelles, sondern ein multidisziplinäres Entlassungsmanagement sicherzustellen, ist noch wenig eingelöst. Die Bewältigung des Nachholbedarfs im Bereich der Konzept- und Instrumentenentwicklung – Stichworte: Assessment, Beratung, Anleitung – stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Kurz: Aufbau und Weiterentwicklung des pflegerischen Entlassungsmanagements erfordern einige Kraftanstrengungen und die Auseinandersetzung mit vielen Fragen, für die es zum Teil keine einheitlichen Antworten gibt.

      Das vorliegende Buch soll dabei helfen, Antworten zu finden oder selbst zu entwickeln. Es macht die Leser schrittweise mit dem modernen Verständnis des pflegerischen Entlassungsmanagements in Krankenhäusern vertraut. Zugrunde liegen dabei u. a. internationale Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen, die nach dem Erscheinen der ersten Auflage dieses Buches einsetzten. Dazu gehört die Verankerung des Entlassungsmanagements als Aufgabe des Krankenhauses im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und die zweite Aktualisierung des Expertenstandards »Entlassungsmanagement in der Pflege« im Jahr 2019. Das Buch ist als Arbeitshilfe für die Praxis konzipiert und beschäftigt sich ausführlich mit allen Bausteinen des Entlassungsmanagements, von der Patientenaufnahme bis zum Abschluss nach der Krankenhausentlassung. Es wendet sich vor allem an die Mitarbeiter des Krankenhauses, die mit Aufgaben des Entlassungsmanagements betraut sind. Aber auch Leitungskräfte, die für den Ausbau und die Weiterentwicklung dieses verhältnismäßig neuen Aufgabenfeldes verantwortlich sind, Lehrkräfte und Teilnehmer einer Qualifizierungsmaßnahme gehören zu den Adressaten.

      Die Überleitung eines Patienten mit komplexem Unterstützungsbedarf stellt eine große Herausforderung dar und ist nicht vergleichbar mit anderen pflegerischen Maßnahmen im Krankenhausalltag. Sie leistet zugleich einen wichtigen Beitrag zu Qualität und Wirtschaftlichkeit: Misslingt der Übergang und kommt es dadurch zu gesundheitlichen Problemen, steht möglicherweise der ganze Erfolg der Krankenhausbehandlung in Frage. Das pflegerische Entlassungsmanagement hat den Auftrag, solche Entwicklungen so weit wie möglich zu vermeiden, indem bereits während des Krankenhausaufenthalts geeignete Maßnahmen eingeleitet werden. Die im Folgenden dargestellten Vorgehensweisen und Instrumente sind hierfür eine wichtige Voraussetzung.

      1 Was ist pflegerisches Entlassungsmanagement?

      1.1 Der Kern des pflegerischen Entlassungsmanagements

      Pflegerisches Entlassungsmanagement ist ein Prozess zur Unterstützung des Patienten bei der Bewältigung des Übergangs vom Krankenhaus in ein anderes Versorgungssetting.

      In dieser Definition gibt es mehrere wichtige Teilaspekte (vgl. Wingenfeld 2005):

      1. Entlassungsmanagement ist ein Prozess, also keine vereinzelte Maßnahme, sondern eine Abfolge mehrerer Handlungsschritte, die mit der Aufnahme des Patienten in das Krankenhaus beginnt. Zu diesem Prozess gehören auch eine systematische Einschätzung des Bedarfs und eine Überprüfung nach der Entlassung. Das Ausfüllen eines Überleitungsbogens, die Vorbereitung einer anschließenden Rehabilitationsmaßnahme oder die Unterstützung bei der Beantragung von Leistungen der Pflegeversicherung sind jeweils für sich genommen noch kein pflegerisches Entlassungsmanagement.

      2. Entlassungsmanagement dient der Unterstützung des Patienten bei der Bewältigung des Übergangs. Die Patienten (und häufig auch ihre Angehörigen) erhalten Unterstützung zur Bewältigung der Anforderungen und Probleme, die beim Wechsel der Versorgungsumgebung auf sie zukommen. Die Unterstützung wird in Form von Information, Beratung und Anleitung geleistet, aber auch durch die Übernahme von Aufgaben, die Patienten und Angehörige selbst erledigen würden, wenn sie dazu in der Lage wären (Beantragung von Leistungen, Bestellung von Hilfsmitteln, Suche nach geeigneten Diensten/Einrichtungen, Informationsübermittlung an weiterversorgende Einrichtungen etc.). Entlassungsmanagement umfasst also die komplexe Aufgabe der Sicherstellung der Weiterversorgung und der Vorbereitung von Patienten und Angehörigen auf die Probleme und Anforderungen nach der Entlassung.

      3. Entlassungsmanagement greift den Bedarf beim Übergang vom Krankenhaus in ein anderes Versorgungssetting auf. Es spielt keine Rolle, in welche Versorgungsumgebung der Patient wechselt – ob in eine stationäre Rehabilitationseinrichtung, ein Altenheim, eine betreute Wohngemeinschaft oder in das eigene Zuhause. Es ist auch unerheblich, ob eine Weiterversorgung durch Einrichtungen, durch Angehörige oder auch in Form der Selbstpflege des Patienten erfolgt. In all diesen Konstellationen erfolgt eine Veränderung der Versorgungsvoraussetzungen. Nicht die Umgebung oder die Lebenssituation des Patienten ist ausschlaggebend, sondern der Umstand, dass weiterhin Krankheit und Krankheitsfolgen bewältigt werden müssen.

      Der Ausdruck Risiko für poststationäre Probleme bezieht sich auf alle Ereignisse und Entwicklungen, die sich negativ auf die Gesundheit des Patienten auswirken oder sein Leben in einer problematischen Weise verändern. Damit angesprochen sind vor allem neue gesundheitliche Probleme, eine Wiedereinweisung in das Krankenhaus, der Übergang in eine vollstationäre Pflegeeinrichtung, lange Zeiten der Rekonvaleszenz, die Überforderung der häuslichen Pflegeumgebung, hohe psychische und körperliche Belastungen sowie die Chronifizierung gesundheitlicher Beeinträchtigungen.