Flucht. Benjamin Withmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Benjamin Withmer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783945133941
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      »Ja.« Warrington nickt sich selbst zu. »Ich hab da gearbeitet.«

      »Die haben ein Auto«, sagt Howard. »Und Waffen.«

      »Kann eine Woche dauern, vielleicht länger«, trällert Bad News vor sich hin.

      Mopar denkt für einen Moment, jetzt ist der Punkt gekommen. Jetzt streckt Howard seine Arme aus und bricht Bad News das Genick.

      Aber Howard nickt Warrington zu, dass er vorausgehen soll.

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      Mopar braucht nicht lange, um zu begreifen, dass sie in der Scheiße sitzen. Sie haben die Straße hinter sich gelassen und marschieren nach Südwesten, in Richtung der schneebedeckten Berge. Außer verstreuten Espen und schiefen Fichten gibt es hier keinen Schutz vor dem Sturm. Der Wind bläst eisig in Mopars Hosenbeine hinein. Die schneidende Kälte beißt im Gesicht und kriecht bis in die Knochen. Wenn sie es schafften, sich den Bergen weiter zu nähern, wären sie durch die dort dichter stehenden Bäume besser vor dem Wind geschützt. Aber Mopar kann nicht mehr sagen, wohin sie sich bewegen. In diesem Dämmerlicht weiß man nicht, ob etwas 25 oder 150 Meter weit weg ist.

      Er hat auch nicht viel Vertrauen in Warringtons Fähigkeit, sich an den Standort der Farm zu erinnern. Er schlingt die Arme um seine Anstaltsuniform, als könnte er jede Minute erfrieren und tot umfallen.

      Bad News scheint das alles nicht zu kümmern. Er pfeift immer noch diese blöde Doors-Melodie, sein Blick starr wie der eines toten Kindes. Es hat Momente gegeben, in denen Mopar überlegt hat, Bad News zu fragen, was genau er seiner Freundin angetan hat, um im Knast zu landen. Er hat es sich immer verkniffen.

      Dann erkennt Mopar weit hinten im Purpur der Abenddämmerung ein Licht. »Da«, sagt er.

      »Das ist nicht die Gefängnisfarm«, sagt Howard.

      »Die ist wer weiß wo«, sagt Mopar. »Ohne richtige Mäntel schaffen wir es nicht bis dorthin. Wir halten keine zwanzig Minuten mehr durch.«

      »Wir brauchen Waffen«, sagt Howard.

      Mopar nickt in Richtung Warrington. Der zieht ein Bein nach wie ein Tier und man kann sehen, wie bei ihm Handgelenke und Finger blau werden.

      »Ihr seid alle Hühnerficker«, sagt Howard.

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      Es ist ein Farmhaus in einem Tal voller Espen, aus dem Kamin steigt eine Rauchblume. Es ist so ziemlich der schönste Anblick, den Mopar je gesehen hat.

      »Ihr bleibt hier, wo sie euch nicht sehen können«, sagt Howard zu Warrington und Bad News in ihren Anstaltsklamotten. »Du übernimmst das Reden«, sagt er zu Mopar.

      Sie stampfen die Eingangsstufen hoch, und Mopar klopft, während Howard sich an der anderen Seite des Türrahmens postiert, mit dem Rücken an die Hauswand gelehnt.

      Eine Frauenstimme antwortet durch die geschlossene Tür. »Ja?«

      »Wir sind hier wegen dem Gefängnisausbruch«, sagt Mopar.

      »Gefängnisausbruch?«

      »Vermutlich haben Sie hier draußen die Sirene nicht gehört. Zwölf Gefangene sind ausgebrochen. Direktor Jugg hält die Leute über das Radio auf dem Laufenden.«

      »Murry, hast du irgendwas über einen Gefängnisausbruch gehört?«, ruft die Frau. Hinten im Haus antwortet eine Männerstimme.

      »Sie scheinen recht zu haben«, sagt die Frau. »Ich hab hier das Geschirr abgewaschen. Ich hasse dieses Radio, aber er hängt dauernd davor. Der verdammte Dummkopf.«

      »Können wir reinkommen, Ma’am?«, fragt Mopar. »Hier draußen ist es ein bisschen kalt.«

      »Wer sind Sie, haben Sie gesagt?«

      Mopar fällt ein, dass er sich bei Pearl Greene nicht der schwarzen Krawatte hätte entledigen sollen. »Sehen Sie die Uniform?«, fragt er. »Wir klappern die Häuser ab, die ein Ziel der Ausbrecher sein könnten.«

      »Gefängniswärter. Warum habe ich kein Auto gesehen?«

      »Schwanzlutscherin«, sagt Bad News, der seinen Platz in der zweiten Reihe verlassen hat. Er tritt die Tür ein, sie schlägt der alten Frau gegen die Wange. »Da sind wir.« Bad News macht eine kleine Verbeugung. »Die beschissene Tür ist jetzt offen.«

      »Du verfluchter Idiot«, sagt Howard.

      Die Frau liegt am Boden. In einem Türrahmen zur Rechten erscheint ein Mann.

      Howard richtet die Schrotflinte auf ihn. »Bleib genau da stehen, verdammt.« Er betritt das Haus.

      Warrington und Bad News gehen hinter Howard hinein. Mopar folgt als Letzter und drückt die Tür zu, lehnt sich dagegen, damit sie geschlossen bleibt. Sie stehen im Wohnzimmer. Ein Sofa, Stühle, Beistelltische, Zierdeckchen. Ein Bücherregal ohne Bücher, nur Fotografien. Alles sauber und geputzt. Es riecht nach Zitrone.

      »Wer ist sonst noch hier?«, fragt Howard den Mann.

      »Ist sie tot?« Der Mann trägt einen braunen Anzug. Er greift nach seiner Krawatte, als würde er sie lockern wollen, wenn sie tatsächlich tot ist.

      »Wer zum Teufel ist noch im Haus?«, fragt Howard noch einmal.

      »Nur ich und Alice.«

      Alice stöhnt und setzt sich auf. Ihre Wange ist rot. Die Stelle, an der die Tür sie erwischt hat, verfärbt sich schon schwarz.

      Der Mann lässt seine Krawatte los. Er nimmt seine Brille ab und inspiziert sie auf Armeslänge, als würde er nur nachsehen wollen, ob sie es noch tut.

      »Wer sind die Männer, Murray?«, fragt Alice.

      Murray setzt sich die Brille wieder auf.

      »Warum hast du sie ins Haus gelassen?«

      »Keiner hat uns reingelassen«, sagt Bad News. »Ich hab dir die verdammte Tür ins Gesicht getreten, du Schnalle. Komm her und stell dich davor, dann tu ich es noch einmal.«

      »Was machen wir mit dieser Tür, wenn jemand kommt und uns hier sucht?«, fragt Howard.

      Bad News scheint nicht zu merken, dass sich die Frage an ihn richtet. Er starrt auf eine gerahmte Kreuzstickerei an der Wand. »Was heißt das?«

      »Lies es halt, Blödsack.«

      »Ich kann nicht mehr lesen. Ich hab einmal Acid eingeworfen und in die Sonne geschaut. Seitdem verschwimmt alles Geschriebene vor meinen Augen.«

      »Mother. Fucker.«

      »Im Ernst. Ich mag die kleine Eule, die sie da hat. Was steht da?«

      »Dass man mutiger und klüger ist, als man denkt«, sagt Howard. »Aber für dich gilt das nicht. Du bist der blödeste Hund, den ich je getroffen habe.«

      »Sicher«, sagt Bad News, als ob er nicht richtig zugehört hat. »Die Tür ist okay. Wir können sie so herrichten, dass sie hält.«

      »Es geht nicht darum, ob sie hält«, sagt Howard. »Es geht darum, ob der erste Bulle, der hier vorbeikommt, merkt, dass man sie eingetreten hat.«

      »Wenn die so nah herankommen, denk ich, müssen wir sie eh umlegen.«

      Wann immer Bad News etwas sagt, verzieht Howard das Gesicht, nun noch einmal mehr. »Ihr zwei«, sagt er zu dem Paar. »Wir brauchen Waffen und Klamotten. Und die Schlüssel von eurem Auto. Ich weiß, dass ihr irgendwo eins habt.«

      Die beiden Alten werden totenbleich.

      »Fangen wir mit dem verdammten Auto an«, sagt Howard. »Wo ist es?«

      »Es ist in der Scheune«, sagt Murray.

      »Du hältst den Mund, Murray«, sagt Alice.

      »Und was ist mit den Knarren?«

      »Wir