Travis wusste, dass ich über mich selbst gesprochen hatte, und ging mit einem Grinsen hinein. »Gute Nacht.«
Ich löschte das Verandalicht, ging in mein Zimmer, zog mich bis auf die Unterwäsche aus und kletterte ins Bett. Ich musste lächeln, als ich so dalag und über Travis nachdachte – über jemanden, mit dem ich reden konnte – und sagte mir, dass ich besser nichts sehen sollte, was nicht da war. Trotz dieser Gedanken fiel ich schnell in den Schlaf und träumte von einem Mann mit texanischem Akzent und Augen in der Farbe des Himmels am frühen Morgen.
Kapitel 2
Es gibt im Outback ein ehernes Gesetz: Mach dich niemals über den Hut eines Mannes lustig. Leg auch niemals Hand an den Hut eines anderen Mannes. Und vor allem: Setz niemals den Hut eines anderen Mannes auf. Ja, genau. Ein Tag… er war erst einen verdammten Tag hier.
Ich stand vor Sonnenaufgang auf, genau wie immer, trotz des versäumten Schlafes. Ich war in der Küche und stand Ma im Weg, genau wie immer, als Travis plötzlich in der Tür auftauchte. Er war fertig angezogen und bereit für den Tag, auch wenn er noch ein bisschen schläfrig wirkte. Ich nickte ihm grüßend zu und interessierte mich plötzlich auffallend für das, was Ma gerade tat. Nur für den Fall, dass Travis mir vielleicht irgendwie ansehen könnte, dass ich von ihm geträumt hatte.
»Gib dem Jungen einen Becher Tee«, ordnete Ma an.
Erst da sah ich Travis an und musste mich räuspern, damit ich etwas sagen konnte. »Ich glaube, er trinkt lieber Kaffee…«
Ma wirbelte herum, um ihn anzusehen. »Dir schmeckt mein Tee nicht?«
»Äh, es geht nicht darum, dass ich Ih… deinen Tee nicht mag, sondern… also, ich…« Er blickte Hilfe suchend zu mir.
Ich prustete. »Amerikaner trinken keinen heißen Tee so wie wir, Ma. Sie trinken ihn kalt.«
»Kalt?«, fragte Ma. »Warum zum Teufel hast du nichts gesagt, Junge?«
»Ähm«, antwortete Travis zögerlich. »Ich wollte nicht unverschämt sein.«
Ma starrte mich an. »Nun, worauf wartest du? Mach dem Mann einen Kaffee.«
Ich löffelte schnell etwas Instantkaffee in eine Tasse, goss heißes Wasser aus dem Kessel darüber und fragte Travis: »Milch oder Zucker?«
»Beides.«
Natürlich. Warum zum Henker war ich nervös? Ich stellte die Kaffeetasse auf den Tisch und legte einen Löffel vom Serviertablett daneben, aber bevor ich den Zuckertopf öffnen konnte, schnalzte Ma missbilligend mit der Zunge. »Nimm einfach das ganze Tablett mit raus«, sagte sie und seufzte. »Verschwinde aus meiner Küche. Bitte, Liebes. Die Jungs werden jede Minute reinkommen und du bist im Weg.«
Travis presste die Lippen zusammen, so als würde er versuchen, sich ein Lächeln zu verkneifen. Ich verdrehte die Augen. »Hier«, sagte ich und gab ihm seinen Kaffee. Er folgte mir, als ich das Tablett ins Esszimmer trug und dort auf der Anrichte abstellte. Das Milchkännchen und den Zuckertopf stellte ich in die Nähe seines Platzes auf den Tisch.
Seines Platzes.
Mann, er war noch nicht mal einen ganzen Tag hier und ich hatte ihm schon einen eigenen Platz am Tisch gegeben.
Den Platz direkt neben mir.
»Schon lange wach?«, fragte er in dem offensichtlichen Bemühen, etwas Small Talk zu halten, denn ich war völlig in Gedanken verloren.
»Ja«, antwortete ich, vor der Anrichte stehend, wo ich mir eine Tasse Tee zubereitete, weil ich dachte, das würde mich etwas beruhigen. »Ich steh immer mit den Hühnern auf. Ich lass dann schon mal die Hunde raus und füttere sie. Ich krieg immer zu hören, dass ich sie verwöhne. Aber das stimmt nicht. Ich kümmere mich nur gut um sie.«
»Was für Hunde hast du?«
»Kelpies. Ich hab vier davon. Sie erledigen die Arbeit von zehn Männern auf den Weiden. Da ist es doch klar, dass ich mich gut um sie kümmere.« Ich setzte mich neben Travis auf meinen Stuhl und schlürfte meinen Tee. »Hast du gut geschlafen die erste Nacht?«
»Habe ich, danke.« Er trank einen Schluck von seinem Kaffee und verzog das Gesicht.
Ich lachte. »Soll ich Ma sagen, dass sie besseren Kaffee auf die Einkaufsliste setzen soll?«
Er nickte, aber lachte leise. »Oder ich könnte auch einfach Spülwasser trinken.«
George kam herein und marschierte direkt zur Anrichte, um sich eine Tasse Tee zu holen. Ich erwartete, dass er etwas dazu sagen würde, dass ich schon vor dem Frühstück lächelte, aber er behielt es glücklicherweise für sich. Bald darauf kamen auch die anderen in Reih und Glied hereinspaziert, gefolgt von Ma mit Schüsseln voller Eier, Schinken, Würstchen, gebratenen Tomaten und Toast.
Während wir alles wegputzten, was Ma uns servierte, sprachen wir über das, was zu tun war. Dann leerte sich das Esszimmer genauso schnell wieder, wie es sich gefüllt hatte, und jeder machte sich an die Arbeit. Auf dem Weg nach draußen schnappte ich mir meinen Hut vom mittleren Garderobenhaken im Flur und setzte ihn auf. Travis starrte die obere Hälfte meines Schädels an. Ich grinste. »Was?«
»Was zur Hölle ist mit deinem Hut passiert?«
Ich zog den alten Akubra vom Kopf und betrachtete ihn. Travis hingegen stupste ihn mit einem Finger an. »Hey«, sagte ich. »Fass meinen Hut nicht an.«
Er starrte ihn immer noch an. »Wie behält er seine Form? Nicht, dass das besonders gut funktioniert, aber…«
»Na ja, er ist alt… ich trage ihn jeden Tag.« Ich drehte den Hut herum und betrachtete ihn eingehend von allen Seiten. Der Filz war schmutzig, fleckig und hatte einige Löcher in Krempe und Krone. Er hielt kaum noch zusammen. »Außerdem wurde mehrfach drüber getrampelt – da haben schon Männer, Bullen und Pferde drauf gestanden. Ich hab ihn aus einem Fluss gezogen, bin darüber geritten, hab ihn verloren, wiedergefunden… einmal ist er mir aus dem Hubschrauber gefallen.« Ich warf einen Blick auf seine Kopfbedeckung. »Tatsächlich ist die Kappe, die du da aufhast, überhaupt nicht für die Sonne hier draußen geeignet.«
Ich sah zur Hutablage. Sie bestand aus drei Haken auf einem lackierten Holzbrett, das in Augenhöhe in der Nähe der Vordertür angebracht war. Auf dem Haken an der linken Seite hing immer Georges Hut, mein Haken war der mittlere und der rechte Haken, am dichtesten bei der Tür, war seit dem Tod meines Vaters leer geblieben.
»Ich besorge dir einen Hut«, sagte ich und verschwand in mein Zimmer. Ich zog meinen alten alten Hut aus der hintersten Ecke meines Schrankes und brachte ihn Travis. »Das hier ist mein alter Hut. Er ist schon ein bisschen abgetragen«, erklärte ich, während ich den Staub rausklopfte.
»Er ist in besserem Zustand als der, den du aufhast«, sagte Travis und beäugte ihn zweifelnd.
»Sicher, aber dieser hier« – ich zupfte mir die Krempe tiefer ins Gesicht – »ist mein Lieblingshut.« Ich reichte ihm den alten Hut. »Guck mal, ob er passt.«
Er nahm seine Kappe ab und probierte den alten Akubra auf. Er passte ganz gut. Travis schob ihn auf seinem Kopf hin und her, bis er sich richtig anfühlte. »Besser?«
Ich nickte. »Viel besser.«
Er warf abermals einen Blick auf meinen Hut und schüttelte den Kopf. Dann verengte er die Augen. »Du hast ihn aus einem Hubschrauber fallen lassen?«
»Jepp. Benutzen wir für den Viehtrieb. Und ich muss mich wohl zu weit rausgelehnt haben…« Ich grinste ihn an. »Und wo wir gerade davon sprechen – ich wollte heute mit dir eine Runde damit drehen.«
»Mit dem Hubschrauber?«, fragte er. »Du hast einen hier?«
»Jepp. Viele der Farmen hier draußen nutzen einen fürs Treiben. Meiner ist nur ein gebrauchter, aber er funktioniert prima.«
Travis sah etwas überrascht aus. »Und du willst mich darin mitnehmen?«