IV. Prozessuale Fragestellungen bei Vergütungsstreitigkeiten
72
Für Rechtsstreitigkeiten zwischen GmbH und Geschäftsführer aus dem Anstellungsvertrag sind mangels anders lautender Vereinbarung zwischen den Parteien (§ 2 Abs. 4 ArbGG) die Zivilgerichte und dort nach § 95 Abs. 1 Nr. 4a GVG die Kammern für Handelssachen zuständig.124 Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist, unabhängig von der Frage, ob das zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell als Arbeitsverhältnis einzustufen ist oder nicht,125 nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ausgeschlossen.126
73
Der Ausschluss der Arbeitsgerichtsbarkeit nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG endet nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedoch dann, wenn die Organstellung des Geschäftsführers endet, und zwar auch dann, wenn dies erst nach Erhebung der Klage geschieht.127 Das LAG Sachsen hatte in seinem Beschluss vom 18.3.2015 demgegenüber die Ansicht vertreten, dass dies dann nicht gilt, wenn der Geschäftsführer eine Klage auf rückständige Vergütung erhebt und erst nach Klageerhebung abberufen wird. Anders als in den vom BAG entschiedenen Fällen, in denen es um Bestandsschutzstreitigkeiten zwischen Geschäftsführer und GmbH und damit um sog. sic-non-Fälle128 ging, sei eine nach Klageerhebung erfolgte Abberufung des Geschäftsführers bei einer Klage des Geschäftsführers auf ausstehende Vergütung kein Umstand, der zum nachträglichen Wegfall der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG und damit zur nachträglichen Zuständigkeit der Arbeitsgerichte führe.129 Anders als Bestandsschutzstreitigkeiten sei eine Klage auf Vergütung ein sog. aut-aut-Fall,130 weil in diesem Fall das Bestehen der Vergütungsansprüche nicht zwingend vom Bestand eines Arbeitsverhältnisses abhinge, sondern eine Vergütung auch bei Vorliegen eines Dienstvertrags geschuldet sei.
74
Das BAG131 widersprach dieser Ansicht des LAG Sachsen. Auch in Vergütungsstreitigkeiten, d.h. in aut-aut-Fällen, sei der nachträgliche Wegfall der Organstellung zu berücksichtigen und führe zum Wegfall der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, sodass die Arbeitsgerichte zuständig sein können. Es hat indes ausdrücklich offengelassen,132 ob die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte im Rahmen der Vergütungsklage – also einem aut-aut-Sachverhalt – dann eröffnet ist, wenn der Kläger schlüssig vorträgt, Arbeitnehmer zu sein, oder ob das Arbeitsgericht den Status des Klägers für die Frage der Zuständigkeit im Falle des Bestreitens der beklagten GmbH notfalls durch Beweiserhebung klären muss.133 Eine Antwort auf diese vom BAG immer wieder offengelassene Frage hat sich bislang, insbesondere bei den Landesarbeitsgerichten, nicht herausgebildet. Die wohl überwiegende Ansicht scheint dabei gleichwohl davon auszugehen, dass in aut-aut-Fällen wie der Vergütungsklage zwar die bloße Behauptung einer Arbeitnehmereigenschaft nicht ausreicht, wohl aber der schlüssige Prozessvortrag; einer Beweiserhebung im Falle des Bestreitens der beklagten GmbH soll es hingegen nicht bedürfen.134 Diese Ansicht erleichtert abberufenen Geschäftsführern im Falle von Vergütungsstreitigkeiten den Zugang zu den Arbeitsgerichten deutlich.135
75
Wollen die GmbH und der Geschäftsführer für Vergütungsstreitigkeiten die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte insgesamt ausschließen, können sie nach allgemeiner Meinung im Anstellungsvertrag oder im Zusammenhang mit einer konkreten Streitigkeit136 die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts vereinbaren (§ 1029 Abs. 1 ZPO).137 Nachdem zumindest der Fremdgeschäftsführer nach überwiegender Meinung Verbraucher im Sinne des § 13 BGB ist,138 sollten die Parteien sich vorsorglich nicht auf eine Schiedsklausel im Anstellungsvertrag verlassen, sondern die für Verbraucher geltenden Schutzvorschriften des § 1031 Abs. 5 ZPO einhalten. Die Schiedsklausel sollte demnach in einer gesonderten, eigenhändig von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde enthalten sein (§ 1031 Abs. 5 Satz 1 ZPO) und neben der Schiedsabrede keine weiteren Vereinbarungen darin aufnehmen (§ 1031 Abs. 5 Satz 3 ZPO).
76
Eine in der Satzung der GmbH vereinbarte Schiedsklausel schließt demgegenüber auch im Falle eines Gesellschafter-Geschäftsführers nicht den Zugang zu den staatlichen Gerichten für die anstellungsvertragliche Vergütungsstreitigkeit aus.139
124 Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, § 35 Rn. 179. 125 BAG 26.10.2012, 10 AZB 60/12, NZA 2013, 54, 55; BAG 4.2.2013, 10 AZB 78/12, NZG 2013, 351, 352; LAG Rheinland-Pfalz 28.6.2012, 3 Ta 72/12, NZG 2012, 1227, 1228; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, § 35 Rn. 179. 126 Aktueller Überblick bei Boemke, RdA 2018, 1, 21; zur Rechtswegzuständigkeit im Falle der Drittanstellung vgl. OLG Hamburg 22.3.2013, 11 U 27/12, NZG 2013, 831; Winstel, EWiR 2013, 459, 460. 127 BAG 8.9.2015, 9 AZB 21/15, NZA 2015, 1342, 1343 f. 128 Vgl. dazu Moll-Reiserer, § 8 Rn. 1; Klasen, BB 2013, 1849 ff. 129 LAG Sachsen 18.3.2015, 4 Ta 300/14 (6), BeckRS 2015, 68455. 130 BAG 24.4.1996, 5 AZB 25/95, BB 1996, 1512; Moll-Reiserer § 8 Rn. 2; Reinfelder, RdA 2016, 87, 96. 131 BAG 8.9.2015, 9 AZB 21/15, NZA 2015, 1342, 1343 f. 132 BAG 10.12.1996, 5 AZB 20/96, BB 1997, 998, 999; BAG 8.9.2015, 9 AZB 21/15, NZA 2015, 1342, 1343 f. 133 Zum Streitstand vgl. ErfK-Koch, § 2 ArbGG Rn. 38; Moll-Reiserer, § 8 Rn. 2; Stagat, NZA 2015, 193, 197. 134 Darstellung bei Reinfelder, RdA 2016, 87, 96; Jaeger, NZA 1998, 961, 962 (der die „Beweiserhebungstheorie“ als herrschend bezeichnete); offengelassen stets vom BAG, zuletzt BAG 10.12.1996, 5 AZB 20/96, BB 1997, 998, 999; a.A. – Beweiserhebung erforderlich – der BGH 27.10.2009, VIII ZB 42/08, BGHZ 183, 49, 52 (zum Handelsvertreter). 135 Ausführliche Darstellung der Rechtsprechung bei Stagat, NZA 2015, 193, 197 f. 136 Ein Ad-hoc-Schiedsgericht liegt vor, wenn das Schiedsgericht für den individuellen Streitfall ohne Rückgriff auf eine Schiedsorganisation konstituiert wird. Zum Ablauf eines Ad-hoc-Schiedsverfahrens eingehend Lörcher/Lörcher, SchiedsVZ 2005, 179 ff. 137 Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, § 35 Rn. 314. 138 Zur Verbrauchereigenschaft des Fremdgeschäftsführers BAG 19.5.2010, 5 AZR 253/09, BB 2010, 2439 m. Anm. Ley; MüKoBGB-Micklitz, § 13 Rn. 49. 139 Vgl. etwa Umbeck, SchiedsVZ 2009, 143, 146.
Kapitel 8 Die Vergütung von Vorständen börsennotierter Aktiengesellschaften
Schrifttum: