Trumpism. Regula Stämpfli. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Regula Stämpfli
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9783907146088
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dreckige Spiel einfach weiterspielten. Was die Journalisten des Weißen Hauses im Jahr 2018 immer noch in den Presseraum treibt, bleibt ein Rätsel. Selbst Donald Trump findet, seine Tweets würden vollends reichen, um seine Politik zu erklären. Die Heuchelei vieler Journalisten, sich über die Populisten zu entsetzen, mit diesen aber gleichzeitig echt unanständige Quoten zu erreichen, wird viel zu selten diskutiert.

      Denn klar ist: Die 140 Zeichen auf TWITTER, die Donald Trump zur Präsidentschaft verhalfen, kommen nicht aus dem Niemandsland. Sie manifestieren das seit Jahren gepflegte Seifenopern- und Selfie-Medienprinzip: Dem Verkauf wird alles untergeordnet. Informationen sind nur Nebengeräusche der eigentlichen Zielsetzung, nämlich die entsprechenden Politprodukte möglichst geschickt zu verkaufen. TRUMPISMUS ist die politkommunikative Selfie-Revolution aller Lebenszusammenhänge, die ihrerseits einem teils unbewussten, teils beabsichtigten neoliberalen Skript einer gesellschaftslosen, individuellen, privatisierten Politik folgen: Geniales Politmarketing braucht keinen Reality-Check (siehe Emmanuel Macron, der auch nur sich selbst verkaufen musste), sondern veräußert Wünsche und Träume. TRUMPISMUS kann deshalb – keck an Arthur Schopenhauer angelehnt – politphilosophisch als »Die Welt als Selfie-Wille und Seifenoper-Vorstellung« zusammengefasst werden.

       III.Der erste »weiße« Präsident

      Es war einmal der Traum vom Sieg der Main Street gegen die Wall Street. Wie gute Rhetorik und digitales Know-how noch keine Demokratie machen. Wie aus dem Hoffnungsträger Obama der erste schwarze und aus seinem Nachfolger der erste weiße Präsident wurde. Falsch erzählt, ist die Demokratie schnell gekreuzigt.

      »Sadly, because president Obama has done such a poor job as president, you won’t see another black president for generations!« — Donald J. Trump @realDonald- Trump 25.11.2014

      Vor dem Hintergrund der Seifenopern-Inszenierungen hatte Donald Trump exzellente Chancen, der 45. Präsident der Vereinigten Staaten zu werden – dies war schon lange vor der Novembernacht 2016 auch meine Einschätzung. Denn die Medien- und Umfragedemokratien förderten schon seit Jahren politische Extreme, sogenannte charismatische Personae und antidemokratische Themenpräferenzen. Polit-Talks leben vom extremen Spektakel mit möglichst exaltierten Schauspielern und schrecklichen Simplifikateuren. Trump spielte perfekt auf dieser Klaviatur. Der Plot am Potomac lieferte immer neuen Medienstoff: hier der Held Barack Obama, da Donald Trump der Bösewicht. Während dieser laufenden Personality-Show ging China – von der Öffentlichkeit weitgehend unbeobachtet – auf Shopping-Tour in der realen Welt. Die Volksrepublik kauft sich weiterhin Unternehmen, Länder, Rohstoffquellen, mischt in dreckigen Kriegen mit und versetzt sich in die Poleposition, um die westlichen Demokratien in baldiger Zukunft zu Vasallenstaaten zu transformieren. Dies ist das obszöne und reale Geheimnis von TRUMPISMUS. Die freie Presse beschäftigt sich indessen lieber mit Frisuren, Tweets, Schimpfwörtern, Lügen und Umfragewerten. Deshalb entging ihr auch, dass die entscheidenden Weichen zur Abschaffung westlicher Demokratien schon vom viel gelobten Barack Obama gestellt wurden. Der charismatische 44. Präsident klingt für die Presse immer noch viel zu gut, als dass mal jemand kritisch auf dessen Politik schauen würde.

      Diese Personality-Shows verwandelten die Demokratie zunächst in ein Spektakel und nun in einen veritablen antidemokratischen Flächenbrand. Und am Anfang steht immer ein »Es war einmal«.

      Es war einmal ein kleiner schwarzer Junge, der auszog, Washington zu erobern. So beginnt die Geschichte von Barack Obama. Ebenso war einmal ein anderer kleiner Junge. Diesmal als weißer Millionärssohn geboren, dessen einziges Ziel es war, möglichst schnell zu noch mehr Geld zu kommen. So beginnt die Geschichte von Donald Trump. Der kleine schwarze Junge sagt als Erwachsener so wunderbare Sätze wie: »Veränderung wird nicht kommen, wenn wir auf eine andere Person oder auf eine andere Zeit warten. Wir sind die, auf die wir gewartet haben. Wir sind die Veränderung, nach der wir suchen« (aus Obamas Campaign Speech 2008). Der weiße Millionärssohn beherrscht als Erwachsener 140 bis 280 Zeichen auf TWITTER und sagt so Sachen wie: »Grab them by the pussy.«

      Obama war klug und smart, Trump too much gold trash. Obama spielte den good guy, Trump den Bösewicht. Mögen die individuellen Unterschiede zwischen beiden riesig sein, strukturell gleichen sie sich weit mehr, als dies den meisten lieb ist. Mit Barack Obama zogen Träume ins Weiße Haus, mit Donald Trump verwandeln sich diese in Albträume. Doch Träume sind Schäume, Fiktionen, Diskurse. Diesbezüglich schlägt Barack Obama Donald Trump. Nicht nur wegen seiner eleganten Rhetorik, sondern weil Obamas Reden … naja, meist Reden blieben. Was man von Donald Trump nicht behaupten kann: Da folgen Worten tatsächlich Taten.

      Beide gewannen die Wahlen aufgrund ihres Außenseiterstatus. Beide punkteten mit einer Kombination aus Anti-politik, kommunikativer Revolution und digitalem Know-how. Beide machten auch Karriere in den Medien: Obama als Bestsellerautor, Trump als TV-Host. Beide verwandelten Washington in eine (Alb-)Traumfabrik und punkteten als Persona. Beide versprachen, »Washington« grundsätzlich zu reformieren. Die Show-Elemente wurden mit eingängigen Slogans wie »Yes We Can« oder »Make America Great Again« unterfüttert. Beide sind unbestrittene Stars in einer Promi-Gesellschaft, die das Individuum zu Gott erhoben hat. Die Schlussfloskel jedes amerikanischen Politikers der USA lautet denn auch: »God Bless America«. Oft ist nicht klar, wer hier eigentlich mit Gott gemeint ist. Pop- und Rockstar-Qualitäten, kombiniert mit Marketingstrategien, ebneten beiden, Obama und Trump, den Weg ins Weiße Haus. Innerhalb von nur zwei Jahren stieg Barack Obama vom politischen Hinterbänkler zum Politmessias für die ganze Welt auf. Und in nur einem Jahr gelang es Donald Trump, sich als Establishment-Outlaw zum Retter der Geächteten hochzuspielen. Beide: Obama und Trump verfügten über teure Wahlkampfmaschinerien, die sich wie Daten- und Umfragekraken durch die demokratischen Institutionen fraßen.

      Selbst die Art und Weise, wie Obama und Trump regier(t)en, ist ähnlich, nämlich auf der Basis von executive orders – Präsidialerlassen. Obama formulierte diese, um Amerika zu verändern, Trump dienen sie dazu, jene von Obama rückgängig zu machen. Egal, von wem sie stammen: In einer Demokratie sind Präsidialerlasse ausnahmslos schlecht. Denn sie bedeuten »Regieren im Ausnahmezustand« (Carl Schmitt).

      Ohne Barack Obama gäbe es keinen Donald Trump. Das Drehbuch war einfach zu perfekt, das Timing auch: Die globale Finanzkrise von 2008 hatte sich ebenso von der Realpolitik verabschiedet und hin zum Gruselmärchen für Demokraten entwickelt. Von Barack Obama als »Blaupause für Trump« zu sprechen, mag sehr schmerzlich sein – doch es ist höchste Zeit, mal genauer hinzuschauen.

      Bei seiner Wahl wurde Barack Obamas Hautfarbe zunächst von seinen Gegnern thematisiert. Nach seiner Amtszeit aber von seinen Fans. Was war in der Zwischenzeit passiert? 2008 wurde Barack Obama in erster Linie gewählt, um der Main Street gegen die Wall Street Geltung zu verschaffen. Barack Obama galt als Politmessias, der den frustrierten Demokraten Gerechtigkeit, Demokratie und Wohlstand versprach. Die Finanzgurus der Wall Street hatten 2008 fast alle funktionierenden Volkswirtschaften mit ihren Fantasieprodukten an die Wand gefahren. Obama war der Superman, der die Welt vor diesen Bösen retten sollte. Der charismatische Rhetoriker eroberte die Medien, ja die ganze Welt mit seinen Versprechen. Kein anderer Präsident vor ihm erhielt derart viele Vorschusslorbeeren. 2009 verlieh ihm das schwedische Nobelpreiskomitee sogar die höchste Auszeichnung, die die Welt zu vergeben hat: den Friedensnobelpreis. Die Begründung lautete unter anderem: »Als US-Präsident hat Obama ein neues Klima in der internationalen Politik geschaffen. Multilaterale Diplomatie ist wieder ins Zentrum gerückt, ein Schwerpunkt ist dabei die Rolle, die die Vereinten Nationen und andere internationale Institutionen übernehmen können. Dialog und Verhandlungen werden als vorrangiges Mittel angesehen, um selbst die kompliziertesten internationalen Konflikte zu lösen. (…) Es kommt nur sehr selten vor, dass eine einzelne Person es in dem Maße wie Obama schafft, die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich zu ziehen und den Menschen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu geben« (zitiert nach »Spiegel Online«, 9.10.2009). Barack Obama wurde nicht für konkrete politische Reformen, sondern für seine guten Narrative ausgezeichnet. Dies war, als ob man einem Fisch einen Preis dafür verliehen hätte, dass er gut schwimmt. Denn das Resultat von