Ich sage euch: Glaubt an niemanden – auch nicht an mich. Ihr müsst eure eigene Erkenntnis finden und ihr dann folgen. Wo immer sie hinführt, ist für euch der richtige Weg. Ob auch andere diesem Weg folgen, spielt keine Rolle. Jeder Einzelne ist einzigartig und jedes individuelle Leben ist schön in seiner Einzigartigkeit.
Deine Frage ist sehr bedeutsam – ist vielleicht die älteste Frage überhaupt. Der Mensch hat sie von Anfang an gestellt. Er hat zwar Millionen von Antworten darauf bekommen, aber keine hat etwas ausrichten können. Die Frage ist nach wie vor relevant. Meine Antwort lautet: Das Ziel des Lebens ist das Leben selbst – mehr Leben, tieferes Leben, höheres Leben, aber immer Leben. Es gibt nichts Höheres als das Leben.
Worin besteht die Kunst, wirklich lebendig zu sein?
Die Kunst, umfassend, total und intensiv zu leben, ist keineswegs schwierig oder kompliziert, aber man hat sie euch fast unmöglich gemacht. Sie ist so einfach und liegt so auf der Hand, dass man sie nicht erst zu erlernen braucht. Man wird mit einem intuitiven Gefühl geboren, das zum Leben selbst gehört. Die Bäume kennen es, die Vögel kennen es, die Tiere kennen es. Nur der Mensch ist bedauernswert: Der Mensch ist zwar „die Krone der Schöpfung“, will aber erst die Kunst des Lebens erlernen! Er ist ständig dazu erzogen worden, gegen das Leben zu sein. Das ist letztlich der Grund, warum er heute „diese Kunst“ benötigt.
Alle Religionen der Welt, die seit grauer Vorzeit die Menschheit beherrschen, sind gegen das Leben. Sie bestehen geradezu darauf, dass das Leben eine Strafe ist. Dem Christentum zufolge werdet ihr mit der Erbsünde geboren – weil Adam und Eva Gott ungehorsam waren. Einfach nicht zu glauben, wie weit man Kindermärchen treiben kann! Selbst wenn Adam und Eva Gott nicht gehorchten, kann ich nicht einsehen, was du oder ich damit zu tun haben sollen. Und es ist nicht unbedingt eine Sünde, ungehorsam zu sein. Manchmal kann es das einzig Tugendhafte sein …
Aber alle Kulturen, alle Gesellschaften verlangen Gehorsam – was nur ein anderes Wort für Unterwerfung, spirituelle Versklavung ist. Was war denn so schlimm daran, als Adam und Eva die Frucht vom Baum der Erkenntnis aßen? Ist Erkenntnis etwa Sünde? Ist Unwissenheit etwa Tugend? Und Gott hatte ihnen sogar verboten, von zwei Bäumen zu essen: der eine war der Baum der Erkenntnis und der andere der Baum des ewigen Lebens. Wer sündigt denn hier – Adam und Eva oder Gott? Weder ist Erkenntnis Sünde, noch ist es Sünde, sich nach ewigem Leben zu sehnen; beides ist absolut natürlich. Es zu verbieten ist Sünde, und ihr Ungehorsam ist völlig richtig. Sie waren die ersten Revolutionäre der Welt, die ersten Menschen mit einem Funken Würde. Nur ihrem Ungehorsam verdanken wir alle Zivilisation, Wissenschaft, Kunst und alles Übrige. Wären sie nicht ungehorsam gewesen, liefen wir immer noch nackt im Garten Eden herum und würden Gras kauen – nicht einmal Kaugummi würde es heute geben!
Das Christentum steht darin nicht allein; andere Religionen erfinden andere Gründe, um das Leben zu verdammen. Hinduismus, Jainismus und Buddhismus behaupten, dass ihr leidet und unglücklich seid, weil ihr für eure Untaten aus früheren Leben bestraft werdet: „Nun, was in früheren Leben passiert ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden; also müsst ihr dafür büßen. Euer jetziges Unglück, eure Leiden und Qualen habt ihr euch selbst zuzuschreiben und es bleibt euch nichts anderes übrig, als es passiv zu ertragen. Dann werdet ihr im zukünftigen Leben belohnt werden.“
Seltsame Logik! Wenn du in diesem Leben etwas falsch gemacht hast, solltest du auch in diesem Leben dafür bestraft werden. Schließlich sind Ursache und Wirkung sonst ja auch immer unmittelbar verbunden: Halte einfach nur mal eine Hand ins Feuer – glaubst du vielleicht, du würdest dich erst im kommenden Leben verbrennen? Du wirst dich hier und jetzt verbrennen. Auf alles, was du tust, folgt unmittelbar entweder der Lohn oder die Strafe. Dieser Abstand vom ganzen Leben ist nur ein schlauer Trick, um deine Erwartungen an das Leben auf ein Minimum herunterzuschrauben. Und all diese Religionen wollen, dass du dem Leben entsagst. Wer dem Leben entsagt, wird ein Heiliger, der wird angebetet. Wer rückhaltlos aus dem Vollen lebt, wird von niemandem angebetet, der wird von niemandem geschätzt – der wird vielmehr in Grund und Boden verdammt.
Unsere ganze Erziehung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie den Genuss verurteilt, die Freude verurteilt, den Humor, das Vergnügen an kleinen Dingen … z. B. daran, ein Lied zu singen oder zu tanzen oder auf deiner Flöte zu spielen. Niemand wird dich einen Heiligen nennen, weil du so wunderbar Flöte spielst – außer mir. Ich werde dich einen Heiligen nennen, wenn du so total tanzt, dass du mit dem Tanz verschmilzt und nur noch das Tanzen da ist; wenn der Tänzer völlig in seinem Tanz aufgegangen ist und selbst zum Tanz geworden ist. Wenn du deine Flöte so total spielst, dass du dich selbst vergisst – nur die Melodie ist noch da, du bist kein Spielender mehr, sondern nur noch Zuhörer – dann liegt die Flöte auf den Lippen Gottes.
Wenn du liebst, wird das verdammt. Alle Religionen wollen euch weismachen, dass Liebe etwas Animalisches sei. Obwohl ich die Tiere beobachtet habe, konnte ich bei keiner Tierart Liebe bemerken. Liebe ist absolut menschlich. Die Tiere haben zwar Sex; aber habt ihr jemals Tiere dabei beobachtet? Ihr werdet keinerlei Freude sehen. Sie werden sich durch und durch britisch verhalten. Sie wirken so gotterbärmlich, als müssten sie etwas Schlimmes über sich ergehen lassen. Und in der Tat ist es für sie etwas Schlimmes – ein rein biologischer Zwang. Sie spüren genau, dass irgendeine unbekannte Macht sie zu etwas zwingt, woran sie nicht interessiert sind. Das ist auch der Grund warum, außer dem Menschen, kein Tier das ganze Jahr über Sex hat. Immer nur zu ihrer Brunftzeit, wenn die Biologie sie dazu antreibt: „Jetzt bist du dran!“ Unter Zwang, so als stünde jemand mit der Flinte hinter dir: „Los, mach Liebe!“ Beobachtet die Tiere nur einmal, ihre Augen … sie empfinden keinerlei Freude. Von animalischer Liebe zu sprechen ist also völliger Quatsch. Tiere haben keine Ahnung von Liebe. Selbst Millionen von Menschen haben keine Ahnung von Liebe. Die Liebe setzt grundsätzlich ein gewisses Zentriertsein voraus, ein Gefestigtsein in deinem eigenen Wesen.
Denn solange du nicht in dir selbst ruhst, wirst du all die Schätze, die in dir angelegt sind, nicht erkennen können. Liebe ist nur einer davon. Es gibt noch größere – da ist Wahrheit, da ist Ekstase, da ist die Erfahrung des Göttlichen. Wer nicht tief in Meditation gegangen ist, der kann nicht lieben, und der kann auch nicht leben.
Du willst von mir etwas über die Kunst wissen, völlig lebendig zu sein. Beginne zu meditieren, damit du die Quelle deines Lebens erkennst und du in der Quelle deines Lebens verweilen kannst … und das ist eine erstaunliche Erfahrung. Dann wird dir plötzlich bewusst, wie viel du hast – einen solchen Überfluss, dass du die ganze Welt lieben kannst, wenn du möchtest. Du kannst die ganze Welt mit deiner Liebe erfüllen. Dein winziger Körper enthält ein Samenkorn, das Millionen von Blumen hervorbringen kann, das jeden erdenklichen Duft in sich trägt.
Die Kunst zu leben beginnt mit Meditation. Und mit Meditation meine ich die Stille des Verstandes, die Stille des Herzens … du gelangst in dein innerstes Sein und findest den Schatz, der deine Wirklichkeit ist. Sobald du den erkannt hast, kannst du Liebe ausstrahlen, kannst du Leben ausstrahlen, kannst du Kreativität ausstrahlen. Deine Worte werden poetisch, deine Gesten werden anmutig; selbst deinem Schweigen wird noch ein Lied anhaften. Selbst wenn du ruhig dasitzt, wirst du noch tanzen. Jedes Einatmen, jedes Ausatmen wird eine Freude sein, jeder Pulsschlag ist so kostbar, weil der Puls des Universums selbst darin schlägt – du bist ein Teil davon. Jetzt weißt du, dass du Teil der Existenz bist … und wirst anfangen, vollends zu leben, ohne jede Angst vor irgendwelchen Religionen und ihren Priestern und all ihren lebensfeindlichen Lehren, die dich statt zum Jubel dazu anhalten, dem Leben zu entsagen, dem Leben zu entfliehen. Sobald du frei bist von deiner Erziehung – und Meditation ist wie ein Feuer, das all den Müll verbrennt, den die Vergangenheit dir als Erbe vermacht hat – wirst du neu geboren. Und dann wirst du keine Kunst mehr zu erlernen brauchen. Sie wird sich spontan aus deinem Wesen entfalten.
Im Augenblick sind noch zu viele Hindernisse, zu viele Barrieren da. Du bist schon so lange vergiftet