Ich war einmal in Kalkutta im Hause eines Obersten Richters zu Gast. Seine Frau sagte zu mir: „Mein Mann hört nur auf Sie. Sie sind der Einzige, der in seinem Leben etwas ausrichten kann. Seine Einstellung geht der ganzen Familie auf die Nerven. Er bleibt selbst im eigenen Hause immer der Richter.“ Sie sagte: „Selbst im Bett bleibt er noch der Oberste Richter. Er verlangt von mir, dass ich ihn mit ‚Euer Gnaden‘ anspreche! Nie ist er spontan, und dauernd schreibt er uns etwas vor und erlässt Gesetze. Die Kinder haben es satt. Wenn er nach Hause kommt, wird es schlagartig still, alle Freude ist verflogen. Wir können es gar nicht abwarten, bis er wieder zum Gericht fährt.“
Nun, ich kenne den Mann; er ist ein guter Richter – sehr gewissenhaft, sehr aufrichtig und ehrlich. Und das sind lauter gute Eigenschaften – aber er ist zu einer Maschine geworden. Er kommt heim und bleibt ‚Euer Gnaden‘; das ist nicht gut. Man muss sich auch mal entspannen, mal mit den Kindern spielen können. Aber so tief kann er sich nicht herablassen. Selbst vor seiner Frau bleibt er auf seinem hohen Ross, unerreichbar. Immer und überall bleibt er der Richter. Genau das ist es, was mit den Anhängern des Yoga passiert ist; sie können nicht mehr spielerisch sein, sie können sich über nichts mehr freuen. Sie können nicht mehr feiern, weil sie einfach nicht mehr entspannt sein können. Und wer nur Tantra kennt, wird chaotisch; wer nichts anderes übt als Tantra, der wird sehr, sehr selbstsüchtig. Dann werden dir alle anderen egal; dann vergisst du, dass du Teil eines größeren Ganzen bist, dass du einer Gesellschaft angehörst, dass du Teil der Existenz bist und der Existenz etwas schuldest – denn was wärst du ohne sie? Du musst gewissen Ansprüchen genügen, die die Existenz, die die Gesellschaft an dich stellt. Wenn du absolut chaotisch wirst, kannst du nicht überleben – dann kann niemand überleben.
Also muss man ein Gleichgewicht finden zwischen Chaos und Mechanisierung, einen Punkt genau in der Mitte. Ich möchte, dass ihr an diesem Punkt seid – genau in der Mitte. Und von da aus könnt ihr, wenn es nötig wird, in das eine oder das andere Extrem gehen und ebenso auch wieder zurückkommen. Diese Geschmeidigkeit lehre ich, diese Beweglichkeit lehre ich.
Ich bin gegen jede Fixierung, jede Erstarrung. Ich lehre Lebenssynthesen, die wachsen; Verhaltensweisen, Erscheinungsbilder, die wachsen und die immer auch das Andere, den Gegensatz mit einschließen können. Dann ist das Leben schön.
Und man kann die Wahrheit nur erkennen, wenn man gelernt hat, die Gegensätze in Ergänzungen zu verwandeln. Erst dann gewinnt dein Leben Symmetrie, kommt es zum Ausgleich … halten sich das Positive und das Negative die Waage.
Erst in dieser Ausgewogenheit liegt die Transzendenz. In dieser Ausgewogenheit erkennt man das Jenseits, öffnet man sich für das Jenseits.
1. KAPITEL
ÜBER DIE KUNST ZU LEBEN
Unser Leben ist kurz; unsere Energie ist begrenzt, sehr begrenzt. Und mit dieser begrenzten Energie müssen wir das Unbegrenzte finden; in diesem kurzen Leben müssen wir das Ewige finden. Eine große Aufgabe, eine große Herausforderung! Befasst euch also bitte nicht mit Belanglosigkeiten.
Was ist wichtig und was ist unwichtig? Nach der Definition aller Buddhas ist all das unwichtig, was dir der Tod nehmen kann und all das wichtig, was dir der Tod nicht nehmen kann. Merk dir diesen Unterschied, mach einen Prüfstein daraus. Anhand dieses Prüfsteins kannst du alles augenblicklich einschätzen.
Hast du von dem Prüfstein gehört, mit dem die Alchemisten beurteilten, was Gold ist und was nicht? Mache folgende Frage zu deinem Prüfstein für das, was wichtig ist: Wird es dir der Tod dereinst nehmen? Wenn ja, dann ist es nicht wichtig. Geld ist also nicht wichtig – nützlich zwar, aber nicht wichtig, ohne Belang. Macht? Ansehen? Ehre? – der Tod wird kommen und das alles auslöschen; warum also in den wenigen Tagen, die du hier verweilst, so viel Aufhebens davon machen? Dies ist eine Karawanserei, einer Herberge für die Nacht, und wenn der Morgen kommt, ziehen wir weiter.
Merkt euch: Nur was du mitnehmen kannst, wenn du deinen Körper verlässt, ist wichtig. Mit anderen Worten: Außer Meditation ist gar nichts wichtig. Außer Bewusstheit ist gar nichts wichtig, denn nur deine Bewusstheit kann dir der Tod nicht nehmen. Alles andere wird er dir wegschnappen – weil alles andere von außen kommt. Nur die Bewusstheit sprudelt aus deinem Innern hervor; die kann man dir nicht nehmen. Genauso wenig wie die Schatten der Bewusstheit: dein Mitgefühl, deine Liebe … die man dir nicht nehmen kann, sie sind untrennbar mit deiner Bewusstheit verwoben.
Du wirst also nur die Bewusstheit mitnehmen, die du erlangen konntest; das ist dein einziger wirklicher Reichtum.
Wie ich höre, feiern deine Leute einfach alles?
Du hast richtig gehört: Meine Sannyasins feiern alles. Feiern ist der Grundstein meines Sannyas – nicht Abkehr von der Welt, sondern Feiern; alle Schönheiten, alle Freuden zu feiern, die das Leben uns bietet – weil dieses ganze Leben ein Geschenk Gottes ist. Die alten Religionen haben euch gelehrt, dem Leben zu entsagen. Sie sind alle lebensfeindlich; ihr ganzer Ansatz ist pessimistisch. Sie sind alle gegen das Leben und seine Freuden.
Für mich ist Leben gleichbedeutend mit Gott. Ja, Leben ist ein viel besseres Wort als Gott, weil Gott nur ein philosophischer Begriff ist, während Leben etwas Reales, Existenzielles ist. Das Wort Gott kommt nur in Heiligen Schriften vor; es ist nur ein Wort, ein bloßes Wort. Das Leben aber ist in euch und um euch herum – in den Bäumen, in den Wolken, in den Sternen. Diese ganze Schöpfung ist ein Tanz des Lebens.
Ich lehre die Liebe zum Leben. Ich lehre die Kunst, euer Leben total zu leben, trunken zu sein vom Göttlichen im Leben. Ich bin kein Weltflüchtling. Alles, was euch die alten Religionen gelehrt haben, ist Weltflucht – sie waren alle gewissermaßen hip. Dazu müsst ihr wissen, was das Wort Hippie bedeutet … Es bezeichnet jemanden, der vor dem Kampf des Lebens wegläuft, der ihm seine hips, seine Hüften zeigt! All eure alten Religionen sind Hippies, haben ihre Hüften gezeigt. Sie konnten sich nicht der Herausforderung des Lebens stellen, sie konnten dem Leben nicht begegnen, ihm nicht ins Auge sehen. Sie waren Feiglinge. Sie zogen sich in die Berge, in die Klöster zurück. Doch auch wenn du dich in die Berge, in die Klöster zurückziehst, wie willst du dich selbst zurücklassen? Du bist Teil des Lebens.
Das Leben pulsiert in deinem Blut, es atmet in dir, das Leben ist dein eigentliches Sein. Wohin willst du fliehen? Und all diese Fluchtbemühungen sind, bei Licht besehen, Selbstmord. Eure Mönche, eure Nonnen, eure Mahatmas, eure so genannten Heiligen waren allesamt Selbstmörder. Sie übten sich im allmählichen Selbstmord. Sie waren nicht nur Selbstmörder, sondern obendrein Feiglinge – Feiglinge, weil sie nicht imstande waren, auf einen Hieb Selbstmord zu begehen. Sie begingen nach und nach Selbstmord – auf Raten; sie starben ganz allmählich und langsam. Diese kranken Menschen, diese unheilsamen, diese wahnsinnigen Menschen haben wir verehrt. Dabei waren sie gegen Gott, weil sie gegen das Leben waren.
Ich bin total verliebt in das Leben, deshalb lehre ich das Feiern. Alles muss gefeiert werden, alles muss gelebt, geliebt werden. Für mich gibt es nichts Weltliches und nichts Geheiligtes. Mir ist alles heilig, von der untersten Sprosse der Leiter bis hinauf zur höchsten Sprosse. Es ist eine Leiter: vom Körper zur Seele, vom Materiellen zum Spirituellen, vom Sex zum samadhi ist alles göttlich!
Einer meiner Sannyasins erzählt einem Schauspieler, der gerade den Hamlet spielt, dass er früher auch schon einmal den Hamlet gespielt hat.
„Wie haben Sie die Rolle verstanden?“, fragt der Darsteller. „Hat Hamlet tatsächlich mit Ophelia geschlafen?“
„Hamlet? Weiß ich nicht“, antwortet der Sannyasin, „aber ich schon!“
Feiern muss etwas Totales sein, nur so kannst du in allen Dimensionen reich sein. Und in allen Dimensionen