Deine Frage zeigt, dass du noch nie die Liebe geschmeckt hast und versuchst, deine Lieblosigkeit hinter dem Verlangen: „Wie kann ich besser lieben?“ zu verstecken. Jemand, der die Liebe kennt, kann diese Frage nicht stellen. Man darf biologische Vernarrtheit nicht für Liebe halten; es ist Lust. Es gibt sie bei allen Tieren, daran ist nichts Besonderes; ja, sie existiert sogar bei den Bäumen. Das ist die Art und Weise, wie die Natur sich fortpflanzt. Es ist nichts Spirituelles und auch nicht speziell dem Menschen vorbehalten. Als Erstes musst du also ganz klar zwischen Liebe und Lust unterscheiden. Lust ist blinde Leidenschaft. Liebe ist die Ausstrahlung eines stillen, friedvollen, meditativen Herzens; sie hat nichts mit Biologie, Chemie und Hormonen zu tun.
Liebe ist der Flug deines Bewusstseins zu höheren Sphären, jenseits von Materie und Körper. Sobald du Liebe als etwas Transzendentes begreifst, ist Liebe nicht mehr die eigentliche Frage. Die eigentliche Frage ist: Wie kannst du den Körper transzendieren? Wie kannst du etwas in dir erfahren, was jenseits des Körpers ist – jenseits von allem Messbaren?
Das ist die Bedeutung des Wortes „Materie“. Es kommt von der Sanskritwurzel matra, die „Maß“ bedeutet; es bedeutet „das, was gemessen werden kann“. Das Wort „Meter“ stammt aus derselben Wurzel. Die eigentliche Frage ist also: Wie kannst du vom Messbaren zum Nichtmessbaren gelangen? Mit anderen Worten: Wie kannst du über die Materie hinausgelangen und deine Augen für ein höheres Bewusstsein öffnen? Für das Bewusstsein gibt es keine Grenzen – je bewusster du wirst, umso mehr erkennst du, wie viel mehr noch möglich ist. Kaum hast du einen Gipfel erreicht, taucht ein neuer Gipfel vor dir auf. Es ist eine ewige Pilgerreise.
Liebe ist die Begleiterscheinung eines wachsenden Bewusstseins. Sie ist wie der Duft einer Blume. Suche sie nicht in den Wurzeln, denn dort ist sie nicht. Deine Biologie, das sind deine Wurzeln, und dein Bewusstsein, das ist deine Blüte. Je mehr der Lotus des Bewusstseins sich in dir öffnet, umso mehr wirst du überrascht sein, wirst du verblüfft sein über eine ungeheure Erfahrung, die man nur Liebe nennen kann. Dann bist du so voller Freude, voll Glückseligkeit, dass jede Faser deines Wesens vor Ekstase tanzt. Du bist wie eine Regenwolke, die sich ausregnen und ergießen will. Sobald du von Glückseligkeit überströmst, taucht ein starkes Bedürfnis in dir auf, sie zu teilen. Dieses Teilen ist Liebe.
Liebe kannst du nicht von jemandem bekommen, der diese Seligkeit noch nicht erlangt hat. Und darin besteht das Unglück der ganzen Welt: Alle wünschen sich, geliebt zu werden, und alle tun so, als würden sie lieben. Aber du kannst nicht lieben, solange du nicht weißt, was Bewusstheit ist. Du hast keine Ahnung von satyam, shivam, sundaram – von der Wahrheit, der Erfahrung des Göttlichen und dem Duft der Schönheit.
Was hast du denn zu geben? Du bist so leer, so hohl. Nichts wächst in deinem Wesen, da ist kein Grün. Da sind keine Blumen in dir; dein Frühling ist noch nicht gekommen.
Liebe ist eine Nebenerscheinung. Der Frühling kommt und auf einmal fängst du zu blühen an, und deine Blüte öffnet sich und verströmt den Duft, der in dir geschlummert hat. Diesen Duft mit anderen zu teilen, diese Grazie, diese Schönheit zu teilen – das ist Liebe.
Ich will dir ja nicht wehtun, aber ich kann nicht anders, ich muss dir die Wahrheit sagen: Du hast keine Ahnung, was Liebe ist. Du kannst es nicht wissen, weil du bisher noch nicht tief genug in dein Bewusstsein eingedrungen bist. Du hast dich selbst noch nicht erfahren. Du hast keine Ahnung, wer du bist.
In dieser Blindheit, in dieser Unwissenheit, in dieser Unbewusstheit kann keine Liebe wachsen. Du lebst in einer Wüste. In dieser Dunkelheit, in dieser Wüste gibt es keine Möglichkeit, dass Liebe zum Erblühen kommt. Zuerst musst du voller Licht sein und voller Freude – so voll, dass du überfließt. Diese überfließende Energie ist Liebe. Dann wirst du Liebe als die höchste Vollkommenheit im Leben erfahren. Sie ist nicht mehr und nicht weniger als das.
Aber unsere ganze Erziehung ist so neurotisch, so psychisch krank, dass sie alle Möglichkeiten für inneres Wachstum zunichte macht. Vom ersten Atemzug an wird dir beigebracht, ein Perfektionist zu sein, und so wendest du deine perfektionistischen Ideen natürlich auf alles an – sogar auf die Liebe.
Kürzlich las ich diesen Satz: „Ein Perfektionist ist jemand, der sich um alles kümmert und damit den Kummer für andere vergrößert.“ Und das Ergebnis ist diese trübsinnige Welt, in der alle versuchen, perfekt zu sein.
Sobald jemand versucht, perfekt zu sein, erwartet er auch von allen anderen, dass sie perfekt sind. Dann fängt er an, andere zu verurteilen; er fängt an, andere herabzusetzen. So machen es seit jeher eure so genannten Heiligen, so machen es eure Religionen. Sie haben euer Dasein mit dieser Vorstellung von Perfektion vergiftet. Doch weil du nicht perfekt sein kannst, fühlst du dich schuldig und verlierst deine Selbstachtung.
Und jemand, der seine Selbstachtung verloren hat, verliert auch seine Menschenwürde. Sein Stolz ist gebrochen, seine Menschlichkeit durch schöne Worte wie Perfektion zerstört.
Kein Mensch kann perfekt sein. Gewiss, es gibt Erfahrungen, die jeder Mensch machen kann, die das gewöhnliche Vorstellungsvermögen übersteigen. Aber erst wenn man die Erfahrung des Göttlichen gemacht hat, weiß man, was Vollkommenheit bedeutet. Vollkommenheit ist keine Fertigkeit; sie ist nicht etwas, das du praktizieren kannst, sie ist nichts, was du üben oder proben kannst. Aber genau das wird allen Menschen beigebracht, und das Ergebnis ist eine Welt voller Scheinheiliger, die ganz genau wissen, wie hohl und leer sie innen sind, und trotzdem alle möglichen Qualitäten vortäuschen, die nichts als leere Worte sind.
Wenn du zu jemandem sagst: „Ich liebe dich“ – hast du je darüber nachgedacht, was du damit meinst? Ist es nur eine biologische Vernarrtheit ins andere Geschlecht? Denn sobald du deine tierischen Gelüste befriedigt hast, verschwindet die ganze so genannte „Liebe“. Es war bloß ein Hunger, und wenn du ihn befriedigt hast, bist du satt. Die gleiche Frau, die dir als die schönste Frau der Welt erschien, der gleiche Mann, der dir wie Alexander der Große vorkam … jetzt überlegst du, wie du den Kerl am besten wieder loswirst.
Vielleicht versteht ihr mich besser, wenn ich euch diesen Brief vorlese, den Paddy an seine Geliebte Maureen geschrieben hat:
„Meine liebste Maureen, für dich würde ich auf den höchsten Berg steigen und in der stürmischsten See schwimmen. Für einen Augenblick an deiner Seite würde ich jede Härte auf mich nehmen!
Dein dich immer liebender Paddy.
PS: Ich komme am Freitagabend vorbei, falls es nicht regnet.“
Sobald du zu jemanden sagst: „Ich liebe dich“, weißt du gar nicht, was du da sagst. Du weißt nicht, dass es nur Lust ist, die sich hinter dem schönen Wort „Liebe“ versteckt. Sie geht vorüber, sie ist sehr vergänglich. Liebe ist etwas Ewiges. Sie ist die Erfahrung der Buddhas, nicht der unbewussten Menschen, von denen die ganze Welt voll ist. Nur sehr wenige Menschen haben erfahren, was Liebe ist, und es sind diejenigen, die das höchste Erwachen, die höchste Erleuchtung, den höchsten Gipfel des menschlichen Bewusstseins erlangt haben.
Wenn du wirklich wissen willst, was Liebe ist, vergiss die Liebe und besinne dich auf die Meditation. Wenn du Rosen in deinem Garten haben willst, vergiss die Rosen und kümmere dich um den Rosenstrauch. Du musst ihm Dünger geben, ihn begießen und dich darum kümmern, dass er die richtige Menge Sonne und Wasser bekommt. Wenn für alles gesorgt ist, werden die Rosen zur rechten Zeit erblühen. Du kannst sie nicht früher hervorholen, kannst sie nicht zwingen, sich eher zu öffnen, und du kannst von einer Rose nicht verlangen, vollkommen zu sein. Hast du je eine Rose gesehen, die nicht vollkommen ist? Was willst du mehr? Jede Rosenblüte ist vollkommen in ihrer Einmaligkeit. Wie sie im Wind, im Regen, in der Sonne tanzt … Kannst du ihre ungeheure Schönheit, ihre absolute Freude nicht sehen? Eine kleine gewöhnliche Rosenblüte strahlt die verborgene Herrlichkeit der Existenz aus. Liebe ist eine Rosenblüte in deinem Sein. Doch du musst dein Sein darauf vorbereiten: