Osho: „Ich antworte nicht auf die Frage, ich antworte dem Fragenden.“ Oder: „Was ich auch sage – auch das Gegenteil davon ist wahr. Denkt daran, denn wenn ihr das Gegenteil ausschließt, werdet ihr engstirnig und fanatisch.“ Und schließlich: „Alle Theorien sind falsch – absolut, kategorisch, meine eigenen eingeschlossen.“ Wer so denkt, muss in unserer auf Logik, Kausalität und Bestand fixierten Welt Feinde haben.
Osho: „Wenn die Mehrheit dich für einen Idioten hält, nur dann besteht die Wahrscheinlichkeit, dass du ein Weiser bist, andernfalls ist es ausgeschlossen.“ Und: „Wenn du keinen Feind hast, verschwindet alles Salz aus deinem Leben.“ Von hierher kommt das Schillernde des Oshobildes in der Öffentlichkeit. Osho hat seinen Spaß daran. Er genießt es, ja er fördert es. Er lacht darüber. Gelegentlich zitiert er Alan Watts, der über Gurdjieff geschrieben hat: „Er ist der heiligste Schurke, den ich je gekannt habe.“ Ich glaube, Osho wäre es lieb, wenn irgend jemand das über ihn sagte.
Also sage ich es hier: Osho ist der heiligste Schurke, den ich je gekannt habe.
Osho: „Ist es richtig, auf Kosten anderer ein Heiliger sein zu wollen? Nein, durchaus nicht. In einer besseren Welt wird der Heilige auch Sünder sein … Nach Gurdjieff lässt sich das alte Konzept vom Heiligen nicht mehr aufrecht erhalten. Gurdjieff markiert einen Wendepunkt … Bis zu ihm galt, dass ein Heiliger ein Heiliger sein muss. Er aber war beides – Heiliger und Sünder zugleich.“
Osho: „Für mich gibt es nur eine Religion, und diese Religion ist: die innere Stimme finden, den inneren Leitstern.“ Und aus dem Zusammenhang dieses Buches wird deutlich: Der innere Leitstern ist die Verborgene Harmonie, der Verborgene Gott, der Gott in uns. Höre auf Seine Stimme in Dir! Deshalb ist dieses Buch so wichtig.
Für mich ist es eines der schönsten, die Osho geschrieben – eigentlich ja gesprochen – hat.
Joachim Ernst Berendt
1. KAPITEL
DIE VERBORGENE HARMONIE
Die verborgene Harmonie
Ist besser
Als die offensichtliche.
Aus Zwietracht entsteht Eintracht,
Aus Missklang
Entsteht die höchste Harmonie.
Erst durch dauernden Wechsel
Kommen die Dinge zur Ruhe.
Die Menschen sehen nicht, dass alles,
Was sich widerspricht,
Dadurch mit sich in Einklang kommt.
Es liegt Harmonie im Widerstreit,
Das zeigen Bogen und Leier.
Der Name des Bogens ist Leben,
Aber sein Werk ist Tod.
Ich liebe Heraklit nicht erst in diesem Leben, sondern schon seit vielen Leben. Und Heraklit ist überhaupt der einzige Grieche, den ich je geliebt habe.
Heraklit ist wirklich großartig: Wäre er in Indien oder sonstwo in Asien geboren worden, wäre er als ein Buddha bekannt geworden. Aber in der griechischen Geschichte, in der griechischen Philosophie war er ein Fremder, ein Außenseiter. Für die Griechen war er kein Erleuchteter, sondern Heraklit der Obskure, Heraklit der Dunkle, Heraklit der Rätselhafte. Und Aristoteles sagte: „Im besten Fall ist er ein Dichter“ – aber selbst dieses Zugeständnis fiel ihm nicht leicht. So sagte er später in anderen Werken: „Heraklit muss irgendeinen Charakterfehler gehabt haben, irgendeinen biologischen Schaden; darum redet er auf so dunkle Weise, in lauter Paradoxien.“
Aristoteles glaubte, dass Heraklit etwas exzentrisch, ein bisschen verrückt sei – und Aristoteles gab für den ganzen Westen den Ton an. Hätte man Heraklit akzeptiert, dann wäre die gesamte Geschichte des Westens anders verlaufen. Aber er wurde überhaupt nicht verstanden. Er wurde mehr und mehr vom Hauptstrom des westlichen Denkens, der westlichen Weltanschauung abgedrängt. Heraklit war vom Schlag eines Gautam Buddha oder Laotse oder Basho. Der Boden Griechenlands war absolut ungeeignet für ihn. Im Osten dagegen wäre er zu einem großen Baum herangewachsen, hätte er Millionen helfen können, Millionen hätten durch ihn den Weg gefunden. Aber für die Griechen war er bloß fremdartig, exzentrisch, irgendwie ausländisch, nicht zugehörig: Er war nicht einer von ihnen. Darum wurde sein Name verschwiegen, in die Ecke geschoben; nach und nach vergaß man ihn. Als Heraklit geboren wurde, genau zu dieser Zeit, erreichte die Menschheit einen Höhepunkt, eine Zeit der Umwandlung. Es verhält sich mit der Menschheit genauso wie mit dem Individuum: Es gibt Augenblicke, wo sich alles verändert. Alle sieben Jahre verändert sich der Körper und das geht immer weiter so – wer siebzig Jahre lebt, dessen gesamtes biochemisches System verändert sich zehnmal. Und wenn man die Lücke zwischen diesen Phasen zu nutzen weiß – den Augenblick, wo sich der Körper verändert – dann ist es sehr leicht, in Meditation zu gehen.
Zum Beispiel: Mit vierzehn wird zum ersten Mal Sex bedeutsam. Der Körper erfährt eine biochemische Umwandlung und wenn man zu diesem Zeitpunkt zur Meditation hingeführt werden kann, ist es sehr leicht, den Einstieg zu finden. Der Körper ist noch nicht festgelegt, das alte Muster ist verschwunden und das neue soll erst entstehen. Es klafft eine Lücke. Im Alter von 21 Jahren ereignen sich wiederum tiefe Veränderungen, denn alle sieben Jahre erneuert sich der Körper vollständig: Alle alten Zellen werden abgestoßen und von neuen ersetzt. Dann geschieht das Gleiche im Alter von 35 Jahren und später dann wieder. Alle sieben Jahre erreicht der Körper den Punkt, wo das Alte verschwindet und das Neue fußfasst. Und es gibt jedes Mal eine Übergangszeit. Während dieser Übergangszeit gerät alles ins Schwimmen. Wenn du möchtest, dass eine neue Dimension in dein Leben eintritt, dann ist das genau die richtige Zeit.
Und ganz genau dasselbe geschieht mit der Menschheitsgeschichte im Großen. Alle fünfundzwanzig Jahrhunderte kommt es zu einem Gipfelpunkt, und wenn dieser Punkt genutzt wird, ist es leicht, zur Erleuchtung zu gelangen. Zu anderen Zeiten ist es weitaus schwieriger. Denn in jenem Gipfelmoment fließt der Strom von selbst in diese Richtung: Nichts ist fest, alles fließt.
Vor fünfundzwanzig Jahrhunderten wurden Gautama Buddha und Mahavir der Jaina in Indien geboren, in China Laotse und Tschuangtse, Zarathustra im Iran und in Griechenland Heraklit. Das sind die Höhepunkte. Nie zuvor waren solche Gipfel erreicht worden oder wenn sie erreicht wurden, dann sind sie nicht in die Geschichte eingegangen, denn die Geschichte beginnt für das Abendland mit Jesus. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was vor fünfundzwanzig Jahrhunderten geschah. Und jetzt nähert sich wieder dieser Zeitpunkt, wir befinden uns wieder in einem fließenden Zustand: Das Alte ist sinnlos geworden, die Vergangenheit hat für euch keine Bedeutung mehr, die Zukunft ist ungewiss: Die Lücke tut sich auf. Und die Menschheit wird wieder einen Höhepunkt erreichen, den gleichen Gipfel wie zur Zeit des Heraklit.
Und wenn ihr ein wenig bewusst seid, könnt ihr diesen Augenblick nutzen – ihr könnt einfach vom Rad des Lebens abspringen. Wenn die Dinge festliegen, dann ist Umwandlung schwierig. Ihr habt das große Glück, in ein Zeitalter hineingeboren worden zu sein, wo die Dinge wieder in Bewegung sind. Nichts ist mehr sicher, alle alten Verhaltensmuster und Gebote sind nutzlos geworden. Neue Muster haben sich noch nicht wieder ausgebildet, aber sie werden sich bald ausbilden; der Mensch kann nicht ewig ohne festen Halt leben, denn ohne festen Halt herrscht Unsicherheit. Die Dinge werden sich also wieder setzen; dieser Zeitraum wird nicht lange dauern, er währt nur ein paar Jahre. Wenn du ihn nutzen kannst, kannst du einen Gipfel erreichen, der zu anderen Zeiten kaum zu erreichen ist. Verfehlst du ihn, dann wird ein solcher Zeitpunkt erst in fünfundzwanzig Jahrhunderten wiederkommen.
Macht es euch klar: Das Leben bewegt sich im Kreis – alles bewegt sich im Kreis. Das Kind kommt auf die Welt, dann kommt die Zeit der Jugend, dann das Alter, dann der Tod. Es bewegt sich so wie die Jahreszeiten: Der Sommer kommt, dann die Regenzeit, dann der Winter und so weiter, im Kreis herum.
Das Gleiche gilt auch für die Dimension des Bewusstseins: Alle fünfundzwanzig Jahrhunderte rundet sich der