»Willst du das darüber legen, und laß es ein wenig auf dem Boden schleppen – so...«
»Sehr gut – aber das harte Hellblau, Rosmarie, erlaube. Warum bist du nicht lieber in deinem grauen Tuchkleid gekommen?«
»Im Tuchkleid... die Fee!«
»Und deine Haare...« »Es wird schon recht werden. Ich möchte wissen, ob das nun gut im Lichte steht. Und dann: Welchen Moment hast du dir ausgedacht? Wann sie ihm die Schale reicht?«
Harro betrachtet seine Zeichnung: »Das ist jetzt gleichgültig.«
»Nein, gar nicht. Das mußt du jetzt schon wissen. Es richtet sich doch meine Stellung danach.«
»Hartnäckig wie immer.«
»Es gibt drei Möglichkeiten. Den Moment, wo er sie erblickt und sie über ihn erschrickt... dann muß er weiter zurück... oder...«
»Ach, das läßt sich jetzt nicht entscheiden.«
»Dann laß mich's tun. Ich wähle die zweite. Sie fürchtet ihn nicht mehr.«
Wie die dunkeln Augen leuchten aus dem weißen Gesicht.
»Rosmarie?«
»Harro, einen Augenblick. Ich will das Bild allein stellen. Gehe dort nach dem Fenster und warte. Einen Augenblick. Bis ich dir rufe.«
In Harros Gesicht schießt eine tiefe Röte bis in seine braune Stirn herauf. Mit wild klopfendem Herzen tritt er an die Wand. Es flimmert ihm vor den Augen. Was für ein Narr er ist! Sie hat sich gewiß recht schön gemacht unter ihrem hellblauen Kleide mit einem ihrer Festgewänder, und will ihn damit überraschen. Ich darf ihr die Freude nicht verderben. »Hast du gerufen?«
Ein sehr leises Ja – und Harro dreht sich lächelnd um. Und dann steht er regungslos da – seine Seele in den Augen ... die tiefste Ruhe senkt sich auf sein quälendes Verlangen. Das ist nicht sein junges Weib ... das ist die Fee.
Blaß und ernst, mit dunkeln Augen, das Kleinod in der sanft erhobenen Hand, nur das an sich, was ihr Gottes Hand selbst um die Schultern gelegt, den goldenen Königsmantel ihrer Haare. Weißleuchtend wie die Mohnblüte, wenn sie die grauen Schalen gesprengt, hoheitsvoll und lieblich, wie aus dem Lande des Vollkommenen herabgestiegen.
Einen tiefen Atemzug, der ihm die breite Brust schwellt, tut der Mann, und dann leuchten die sonnenhaften Augen. Er greift nach seinem Pinsel, und der fliegt ... Und jetzt sind seine Augen stahlhart, wie sie auf und nieder gleiten.
Es ist totenstill da innen, nur seine Schritte tönen, wie er hin und wieder geht. Und die Sonne macht ihren kurzen Weg um den Berg.
Fast plötzlich fällt ein graues Dämmern. Die weiße Gestalt dort wankt. Die Schale noch fest in der Hand, sinkt sie zu Boden.
Harro stürzt herbei und hebt ihr schneeblasses Gesicht... »Liebste, vergib ... O Gott, was hab ich getan! Mache doch deine Augen auf ... Eiskalt bist du. Liebste!«
Harro fängt an, unsinnig zu schluchzen. Da schlägt sie die Augen auf.
»Ach – nicht weinen, Liebster. Gib mir mein Kleid, ja ich bin schwach geworden – aber ich habe doch ausgehalten ... Gib es mir schnell.«
Harro hüllt sie mit bebenden Händen ein, trägt sie hinüber auf ihr Bett und häuft Decken auf sie. Da liegt sie nun. Ihren weißen Rosenkranz hat sie noch auf dem Haupte.
»Wird es schön, das Bild? Ich sah's an deinen Augen. Ich hielt zu lange still, und nun hab ich dich erschreckt, du Armer!«
»Ein roher Geselle bin ich ... ich vergaß es alles – die Fee – die Fee ... der Wahnsinn ergriff mich. Nie habe ich noch so etwas gefühlt. Ich weiß gar nicht, was ich gemacht habe ... das göttliche Feuer brannte in mir!« »Ich sah es. Und ich habe dir gedient. Und nun laß mich ein wenig ruhen.«
Er beugte sich über sie: »Darf ich dich küssen. O du – du süße Heilige, du weißt ja gar nicht, was du mir gegeben hast – du kannst es ja nicht wissen, über mich hinausgehoben hast du mich – du. Du mein blauer Himmel. Ja ich gehe ... sag mir, daß ich dir nicht geschadet.«
»Ich bin sehr glücklich, Harro. Und was sollte es mir geschadet haben?«
Und er geht. Sie lächelt mit weißen Wangen. »Die Schleier sind dünn geworden ... es ist keine eiserne Tür dahinter ... ich muß Geduld haben ... und ich habe ihm dienen dürfen.«
Neunundzwanzigstes Kapitel.
Das beste Lebkuchenrezept
Draußen dichte Schneeschleier, krächzende Rabenscharen; und Chrysanthemumsträuße im Goldhaus, wohin man sieht. Das neue Haus fängt schüchtern an zu leben, und es weihnachtet schon ein wenig. Rosmarie und ihre Lisa studieren das berühmte Honigkuchenrezept. Sie haben sich sogar das ehrwürdig braune, am Rande zerfaserte Original kommen lassen, in dem freilich mysteriöse Quentlein und Prieslein ihr Wesen treiben. Rosmarie zeigt es Harro, weil es eine gar so schöne Handschrift ist auf dem dicken, vielerfahrenen Papier. Harro, der eine große Freude an Handschriften hat und eine schöne Sammlung besitzt, gerät in Entzücken über das Blatt.
»Das Rezept muß vorzüglich sein, man sieht es schon dem Rande an. Wenn es nicht großartiges Papier wäre, so hätte es den Ansturm nicht ausgehalten. Rosmarie, das bekommen sie nicht wieder. Wir schreiben es ihnen auf ein bißchen angerautes Papier mit allen Quentlein und Prieslein ab. In der Küche werden sie keinen Handschriftenkundigen haben.«
»Als ob das aus der Küche käme! Herr Domänenrat hat es schon vor dreißig Jahren aus dem großen, alten Küchenbuch gerettet. Er hätte es auch niemand gegeben, – nur mir. Er schrieb sogar auf das Kuvert: Vorsicht!! – als ob es Glas wäre.«
»Ist euer Herr Domänenrat nun handschriftenkundig oder hat er ein tendre für Rezepte? Er sieht das Blatt nicht wieder. Ich habe mich nun in die Handschrift verliebt. Sieh die klaren Linien! Und es kostet dich ja nur ein Wort. Ich will ein altes Rezept. Es sind doch keine Diamanten, wer sollte es dir denn streitig machen... das war keine Küchenfee, die das schrieb.«
Harro studiert mit der Lupe eifrig die Linien, die ihm ein für Rosmarie ganz mysteriöses Interesse einflößen.
»Herr Domänenrat, Sie werden dies Stück nicht wiedersehen!«
»Schnöde bist du, Harro...«
»Alle Sammler sind schnöde. Mein Kind, das weißt du eben nicht.«
»Wie so vieles andere,« seufzt die junge Gräfin. »Du könntest dich wohl um die Abgründe meiner Torheit annehmen, Harro!«
»Du bist mir ganz recht, wie du bist. Übrigens, wenn man einmal merkt, daß man an Abgründen steht, das ist schon der Anfang der Weisheit.«
»Ein schmerzlicher.«
Harro starrt immer noch auf das Blatt. »Himmel, welch ein Wille! Und sanft war sie auch noch. Eine Mischung, gegen die es keinen Widerstand gibt. Gut, daß sie nicht mehr lebt, Rosmarie, du würdest am Ende eifersüchtig.«
»Bin ich doch schon.«
»Ihr Frauen seid doch furchtbar. Nicht im Grab gönnt ihr einer andern etwas! Ich reite heute hinüber nach Brauneck und frage den Domänenrat, ob er noch mehr von der Sorte hat. Und dich mache ich verantwortlich für das Blatt, daß es nicht etwa in die Küche wandert, wo es Feuer und spritzende Dinge gibt. Und komme ich nicht zum Essen, so bin ich drüben und suche.«
Rosmarie schickt ihre Lisa fort, um dem letztgeborenen Thorsteiner Kind das blaue Jahresjäckchen zu bringen, und setzt sich in ihren Schmollwinkel zu ihrer Weihnachtsarbeit für Harro. Die Lisa kommt schon sehr schnell zurück mit hochroten Wangen und: »Frau Gräfin, es ist eine ganz gewöhnliche Sorte, die Thorsteiner! Ich habe auch freilich