»Und warf sich auf die Knie vor der Fee.«
»Da neigte sich die Fee zum Brunnen.«
»Da tauchten die Enden ihres goldenen Mantels ins Wasser, und es perlte von ihren Händen.«
»Und sie zog aus dem Brunnen eine köstliche Perlmuttermuschel mit grauem Silber beschlagen und gab ihm zu trinken. Und er trank und bot es ihr wieder und sie trank auch. – Da wurden die zwei eins, und er vergaß die ganze Welt und das rote Kreuz auf seinem Schild. – Er holte aus seinem Mantelsack einen purpurseidenen Mantel und schlug den um sie und ritt mit ihr nach seiner Burg zurück. Und der alte Burgpriester gab sie zusammen, nachdem er zuvor ihre Stirn mit dem heiligen Wasser benetzt hatte. Und da konnte sie reden mit einem Male, denn zuvor hatte sie kein Wort gesprochen. – Und weil sie zuerst geschwiegen hatte, und weil er die Welt von seinem heimlichen Glücke fernhalten wollte, nannte er sie und seine Burg »Schweigen«. Und sie werden zuerst vielleicht glücklich gewesen sein. Ich weiß es ja nicht. Und dann stieg leise etwas auf zwischen ihm und Schweigen. Es war zuerst nur wie ein Nebel, der zarteste Nebel aus einer Wiese am Sommerabend. Und dann wurde der Nebel dichter und immer dichter, daß ihre Augen nur noch von ferne einander begegneten. Und Schweigen ging mit leisen Füßen seinen Schritten nach und stand vor verschlossenen Türen, und zuweilen war morgens ihr Kissen naß. Sie mußte wohl im Schlafe geweint haben, denn bei Tage hatten ihre Feenaugen keine Tränen. Die kennen sie nicht, die Tränen, in dem Lande, wo sie herkam. Und reden konnte sie nicht und den Nebel mit festen Worten anfassen und zerstreuen, denn sie war nicht von vielen Worten und trug ihren Namen immer noch mit Recht, Und sie dachte: Ich bin nicht von der Art, wie die Frauen und Mägdlein der Menschen sind, darum hat sich seine Seele von mir gewendet. Und vielleicht, wenn ich am Tage weinen könnte wie die anderen, so vergäße er, daß ich von fremder Art bin. Aber der Braunecker saß in seiner Kemenate, die weit über das blaue Land schaute, wo die Menschen gingen und ritten, einzeln und in Zügen, und wo mancher Wimpel flatterte, und woher die Sommerluft ferne Rufe trug. Und neben ihm stand sein Schild, auf dem das rote Kreuz brannte. Tag und Nacht stand das rote Kreuz vor seiner Seele, das er verraten hatte, um des Weibes willen. Und doch konnte er sich nicht von ihr trennen, denn er liebte sie. Und die Fee allein lassen in der Welt, von der sie nichts wußte und verstand, das konnte er nicht. Und einmal geschah es, daß ein Sonnenstrahl durch das Schlüsselloch glitt in seine Kemenate und auf das rote Kreuz fiel, so daß sie, die davor stand, es sehen konnte. Da dachte sie, das ist der Zauber, der uns trennt, der schlimme Zauber. Wenn ich den zerstören könnte, so wäre er wieder mein. Und sie schlich sich eine Nacht mit bloßen Füßen, als er schlief, in die Kemenate und hatte einen kleinen Hammer in der Hand und wollte den Zierat von dem Schilde lösen und ihn zerstören. Es schien der Mond mit blauem Licht. Ein Kauz saß im Fenster und sah herein mit runden gelben Augen und schlug mit den Flügeln. Aber als der erste Schlag erklang, so hell und metallen, da fuhr der Braunecker, der nebenan schlief, auf, sie hörte ihn seufzen und im Traume reden, und sie beugte sich über ihn und horchte auf seine träumenden Worte und er sagte: In mein Herz hat es sich gebrannt, das rote Kreuz, in mein Herz. Da sah sie, daß es unnütz war, den Zierat vom Schilde zu lösen, wenn das Zeichen doch in seinem Herzen saß. – Da beugte sie sich über ihn und küßte ihn, und da kamen ihr die ersten wachenden Tränen. Und sie löste ihren Gürtel und ließ das schwere Samtgewand zu Boden fallen, das sie als des Ritters Weib trug, und glitt heraus aus ihrem Linnen und löste ihre goldenen Haare. Dann ging sie ans offene Fenster, da flog der Kauz mit einem Schrei davon und bald rauschte es von Flügeln in der Luft, Eulen und Käuze in schwarzen Zügen kamen geflogen. Runde gelbe Augen leuchteten wie kleine Goldkugeln, und mondgraue Schwingen schlugen gegen das Gemäuer. Und als sie sah, daß es ihrer genug waren, da warf sie eine seidene Decke über das Gevögel und stieg hinaus. Die trugen sie auf ihren Flügeln davon in der Mondnacht, ihre langen Haare wehten hinter ihr drein, und die kleinen Nachttiere, die Fledermäuse und die großen Nachtfalter umgaben sie mit ihrem Fluge. Dreimal umflog sie das Schloß der Braunecker, und sie sprach: du sollst stehen bleiben, wenn einst rings herum alles in Trümmern liegen wird. Und ich danke dir, Braunecker, du hast mir Tränen gegeben. Und komme ich damit zum Himmelstor und zeige mein Perlengeschmeide, so wird mir der Pförtner die ewigen Türen öffnen. Dafür danke ich dir. Und sieh zu, daß du selbst des Weges nicht verfehlst. Und als sie dem Nachtwind, der um die Türme geht, die Worte aufgetragen hatte, verschwand das Gevögel mit ihr in der unendlichen Sternennacht. – Als der Braunecker am andern Morgen erwachte, da war er allein und lag nur das Gewand da und ein silbernes Hämmerlein neben seinem Schild. Da merkte er, daß Schweigen verschwunden war. Da nahm er seinen Schild auf und ritt zum heiligen Grabe. Und er fiel bei Accon, und so wird er wohl des Weges nicht verfehlt haben.«
»Du hast einen Fehler gemacht, Rosmarie. Sie muß ihm doch etwas anderes zurückgelassen haben als nur die leeren Gewänder. Wenn ich von etwas tödlich überzeugt bin, so ist's, daß du in direkter Linie von der Fee Schweigen abstammst. Sie ist mir zu sehr Schwanenjungfrau, deine Fee Schweigen!«
»Aber du wolltest doch von Schwanenjungfrauen hören!«
»Deine Fee ist schlimmer als meine Schwanenjungfrau.«
»Ich weiß nicht, was fehlen soll.«
»Nun, es muß an irgend einer Stelle heißen: Und sie schenkte ihm einen Sohn. – Das tun die Schwanenjungfrauen immer, ehe sie sich davon machen. Laß wenigstens in einer Nacht dein mondgraues Gevögel wiederkommen und in den Teppich, den sie doch mitgenommen, ein Kind gewickelt liegen. Der alte Burgpfaffe kann es aufziehen. Dann hast du das Recht zur Fee Schweigen als Urahne.«
»Du weißt offenbar die Geschichte besser als ich, Harro. Und nun gute Nacht. Du bist sehr bald aufgewesen, ich habe in grauer Frühe dein Licht aufblitzen sehen. Und morgen wirst du fleißig sein wollen.«
»Es eilt nicht zu morgen. Du hast die Fee Schweigen gesehen, nicht ich.«
Rosmarie nickte nur gute Nacht und ergriff ihre bunten Seiden und ging zur Tür. Er hatte gerade noch Zeit, diese aufzureißen, da enteilte sie schon.
»Mit leisen Schritten, wie Königinnen schreiten,« murmelte Harro.
Eine Weile ging er auf und ab, dann riß er das Fenster auf. Eine wilde Schneewehe schlug herein. Er sog den harten Atem der Nacht ein... noch mehr, noch mehr... den ganzen Körper müssen sie durchrasen, die wilden Ströme. Er warf das Fenster zu und ging mit langen Schritten in sein Atelier.
Rosmarie, die drüben an ihrem Fenster stand, sah das Licht aufblitzen und wieder verschwinden, hörte im Brunnen seine Schritte hallen und durch das Getöse der Sturmnacht und das schwere Zufallen der Schloßpforte.
Ich habe ihn fortgetrieben, denkt Rosmarie. Dann läutet sie ihrer Lisa. Die kämmt und bürstet ihr Haar und flicht es dann wieder für die Nacht und erzählt ihr dabei, wie Weihnachten immer so schön war in Brauneck. Und ob die Köchin wohl auch die echten richtigen Honiglebkuchen backen könne, nach denen allemal das Braunecker Schloß rieche?
»Das Rezept müssen wir uns verschaffen, und wenn die Köchin nicht will, so werden wir beide uns daran machen.«
»Sie wird nicht wollen, Durchlaucht, sie ist eine herrische.«
Dann schicken wir sie auf einen Nachmittag fort und tun, was wir wollen. Und vielleicht schneidet uns der Herr die Lebkuchen aus, dann sollst du einen schönen Mann bekommen.«
»Lieber einen solchen, dem man den Kopf abbeißen kann, wenn er einem nicht paßt, als einen rechten,« meint die Lisa. »Was unsereins einmal kriegt... du lieber Gott!«
Und nun hat Lisa ihre Herrin zu Bett gebracht und ist gegangen.
Auf Rosmaries Tischchen am Bett ist eine schöne Lampe, ein Vogel Rock, der in seinen Klauen den leuchtenden Stein fortträgt. Die darf sie ja nur ausknipsen. Das ganze festlich schöne Gemach liegt im Dämmern. Rosmarie hört noch Lisa in ihr eigenes Zimmer am Ende des Ganges gehen und die Tür schließen. Und nun ist's totenstill. Außen heult der Winterwind um den Bergfried, aber er kann es lange nicht so vielfältig wie in den Braunecker Galerien. Eine ganze Skala von Tönen fehlt ihm.
Und im Haus ist's auch so still. Keine Treppen knarren geheimnisvoll von verstohlenen Tritten, es schweift nichts die Wände entlang, als glitten Hände