»Ich will nichts für mich behalten. Nein, ich markte nicht.«
Und sie löst mit bebenden Fingern ihre Flechten und schüttelt die Wogen zurecht und knöpft am Halse das weiße Nachthemd auf und läßt es von den Schultern gleiten.
Da steht auf dem Teppich im Dämmer wohl die schönste Lilie aus Gottes Wundergarten. Dann geht sie vor den Spiegel und hält die Hände vor die Augen, und durch die feinen Finger perlen Tränen, und ein Schauer geht über die weiße Gestalt.
»Du mußt dich gewöhnen,« flüstert sie. »du mußt. Willst du morgen zittern und erbleichen und seine Künstlerfreude stören? Wenn er sieht, daß du leidest, so ist dein Opfer umsonst. Nein, was du gibst, mußt du mit Lächeln geben können.«
Und dabei sinkt sie zusammen und gräbt ihr Gesicht in ihre Arme. Die weiße Lilie zittert wie im Gewittersturm. Die goldenen Lichter huschen über die wogenden Haarwellen.
»Du bist eine Närrin, Rosmarie. Wer verlangt es denn von dir? In großen Worten und in Anklagen kannst du dich ergehen, aber wenn du einmal, einmal etwas um ihn leiden sollst, so windest du dich.
Und du hast ihn in die Nacht getrieben und in den Sturm. Um dich liegt er in der Zelle da drüben auf dem Stroh.«
»Wer sagt dir denn das?« trotzt die Prinzessin. »Ich, deine Seele, sage es dir.«
Und Rosmarie erhebt sich, wischt die Tränen aus den Augen und geht nach der Wand, wo der kleine Knopf ist und dreht, daß das Zimmer in strahlende Helle getaucht ist. Von der Decke herab leuchten die gläsernen Rosengewinde auf in warmem gelbem und rötlichem Licht.
Und Rosmarie blickt auf ihr weißes Bild im Spiegel mit herrischen grauen Augen und teilt ihr Haar über der Stirne und drückt die goldene Spange hinein und flüstert:
»Es müssen weiße Rosen sein, der Gärtner muß sie morgen früh von Brauneck bringen.«
Sie nimmt von dem Bord an der Wand eine perlmutterne, von grauem Silber umwundene Schale und rückt Stühle vor den Spiegel und bedeckt sie mit einem grünen Tuche, und nun versucht sie das Bild zu stellen und dann macht es ihr Vergnügen. Ist es schön genug? Das Beste muß er ja selbst dazu tun. Und dann greift sie nach dem Knopfe und dreht alle Lichter aus, auch das im Vogel Rock.
Haus Thorstein liegt in finsterer Nacht. Und nur der Wind hat das Wort und die treibenden Schneewolken.
Rosmarie frühstückt immer allein, denn sie steht ja so viel später auf. Sie hat heute morgen telephoniert und ein Reitknecht hat aus Brauneck schon die Rosen gebracht. Sehr spät ist Harro heute nacht heimgekommen. Nun tritt er herein ganz frisch und durchblasen vom Wind, denn er kommt von einem Gange zurück. Er hat einen großen Tannenzweig voll schwerer rötlicher Zapfen an der Hand.
»Guten Morgen, Frau Königin. Da rieche einmal. Herrlich, nicht wahr? Vom verlorenen Grund. Es war heute morgen noch nicht viel los... aber sieh, wahrhaftig, es hellt sich auf!«
Einen Sonnenblitz zwischen jagenden Wolken, daß das Silbergeschirr aufglänzt und alles einen Augenblick im Goldglanz schwimmt.
»Noch mehr von dem, Frau Sonne, das tut wohl! Man meint, sie sei gestorben, die gute, und nun kommt sie und sagt: Ich bin da.«
»Dann kannst du heute malen, Harro...«
»Ei, hat die Fee endlich ihre Sprache gefunden? Was gibt's, Rose? Hat die Köchin gekündigt, oder hat meine liebenswürdige Schwiegermama einen Brief geschrieben? Du bist so feierlich wie das Seelchen, wenn es etwas ganz Besonderes ausgeheckt hatte. Gestern abend hast du mir eine schöne Geschichte erzählt...«
»Du hast sie ja getadelt.«
»Habe ich? Welch ein schnöder Mensch! Ach die schönen Rosen, woher?«
»Von Brauneck, heute morgen.«
»War der Gärtner so zuvorkommend? Hast du etwas anderes als das süße Zeug da, so kannst du deinem armen Mann wohl anbieten.«
»Hier in der Schüssel ist Schinken, heiß, dort Filet, aber kalt.«
»Herrlich, üppig!«
Und seine Augen schweifen verstohlen. Sie ist so sonderbar gestern und heute. Sollte sie es mit Launen bekommen, die Rose? Aber vorderhand läßt er es sich sehr gut schmecken, und Rosmarie bedient ihn mit gewohnter Aufmerksamkeit. Und der Himmel hellt sich zusehends auf, die Wolken rollen wie graue Vorhänge auseinander und schlagen sich ins Tal. Das ist nun unter einer weißen Daunendecke zugeschüttet und verborgen.
»Sieh, Rosmarie, wie das wogt. Als Kind litt ich an Sehnsucht, mich einmal ungestraft in das weiche Gewoge stürzen zu dürfen, das wäre ein Bett gewesen!«
»Und nun hast du ein Strohlager, Harro!«
»Das scheint dich anzugreifen, Prinzessin. Sieh, wie das glänzt. Nun sind wir die Herren der Welt auf unserem Berg. Und der Gabelweih dort. Wir sehen seinen braunen Rücken, wir sehen auf ihn herunter. Du nimmst dir ja die Fee Schweigen heute gänzlich zum Vorbild, Rosmarie!«
»Oh, es ist sehr schön. Und ich horche auf die Glocke, die da heraufklingt, aus der versunkenen Welt. Und arbeitest du jetzt, Harro?«
»Ich gehe wenigstens hinüber.«
»Ich möchte auch kommen, Harro. Ich werde aus den weißen Rosen einen Kranz winden um mein goldenes Band. Und ... ja ... wenn du meinst, ich sei heute ein wenig... ein wenig Urahne ...« sie errötet heftig, »kannst du nicht eine Skizze nach mir machen?«
Harro dreht sich hastig nach ihr um. Aber sie hält die Augen fest auf die Rosen geheftet, die sie eben auseinander nimmt.
»Das ist ja sehr gütig von dir,« murmelt er, »sehr gütig.«
Zum Zerspringen klopft ihr Herz... Er wird vielleicht sagen: »Nein, ich kann dich nicht brauchen,« oder: »Nun bin ich schon an etwas anderem,« und wird wieder neue Schlösser vor die eiserne Tür hängen.
Aber er redet nichts und sie fühlt seine Augen auf ihr brennen. Endlich sagt er mit veränderter Stimme, so gequält heiter, wie er vorher natürlich war:
»Du langweilst dich wohl, Rosmarie, so allein hier. Es ist einsam für dich. Ich habe mir schon gedacht, wie wäre es, wenn wir für eine Woche nach München gingen. Du könntest ins Theater gehen, gute Musik hören, dir die Theken besehen... Die Stille, seit das Baugeräusch aufgehört hat, – das ich so oft verwünscht habe, sie geht einem wirklich manchmal auf die Nerven.«
»Das Haus ist noch so leise, und der Thorsteiner Wind kann nicht, was der Braunecker kann. Hast du ihn einmal bei Nacht gehört? Der Thorsteiner ist ein Dilettant dagegen. Was da alles lebendig wird in Brauneck. Aber ich möchte jetzt nicht von Hause fort, und darf ich herüberkommen, bitte?«
Harro geht zur Türe. »Du bist so hartnäckig wie das Seelchen, wenn es etwas wollte ...«
Rosmarie atmet tief auf, nimmt ihre Rosen und geht ins Schlafzimmer.
Harro wandelt vor seiner Staffelei auf und ab und richtet seine Farben und rückt mit den großen Vorhängen hin und her. Dann fallen ihm die Hände herunter, und er steht brütend da.
»Ja, nun wird sie wohl kommen, die holde Quälerin. Ob sie glücklich waren, die Fee und der Braunecker, das weiß sie nicht. Das geht an deine Adresse, Harro, mein Freund! Sie dreht und wendet etwas in ihrem süßen, törichten Kopf herum. Ach, sie wird sich wieder beruhigen. Ich habe sie viel zu viel allein gelassen. Das Alleinsein über den Wolken, das soll der Teufel holen. Wir müssen fort, daß die Zeit vergeht. Nun werd ich ihr ein schönes Köpfchen auf die große Leinwand malen, und das wird sie unterhalten.«
Ein leises Rauschen hinter ihm. Rosmarie steht da in einem weiten blauen Morgenkleid. Sie sieht fast geisterhaft blaß aus, nur ihre Augen leuchten dunkel, fast schwarz. Das kennt Harro und er weiß, daß sie in ihrem Tiefsten erregt ist.
»Ist dir etwas, Rosmarie?«
»Nein, Harro.« Nun lächelt sie mit weißen Lippen. »Sieh, ich habe dir den alten