Erster Teil
Erstes Kapitel
beginnt unter drohenden Aspekten, zeigt aber auch, daß junges Volk sich nicht gleich fürchtet, auch nicht allzuleicht den Mut verliert.
Das Jahr nach der Geburt unseres Herrn Jesus Christus eintausendfünfhundertsechsundfünfzig fing auf eine klugen Leuten und Einfaltspinseln gleich bedenkliche Weise an.
Seit dem achtundzwanzigsten Februar nämlich blickte alles Volk, alt und jung, vornehm und gering, gelehrt und ungelehrt – mit Grausen und Entsetzen allabendlich, wenn die Sterne aufgingen, nach einem großen Himmelswunder, welches um diese Zeit mit den gewohnten freundlichen Lichtern im himmlischen Saal emporstieg und, von Nacht zu Nacht gewaltiger und dräuender werdend, seinen Weg dem mitternächtlichen Meerstern zu nahm.
Dieses greuliche Wunderzeichen und Schrecknis war von weißer und bleicher Farbe, als ob ein Stern gestorben sei und nun wegen der Sünden, so auf ihm geschehen, als ein Totengespenst umgehen müsse, die andern, noch in Leben und Licht wandelnden Geschöpfe Gottes zu schrecken. Es zog einen grausamen Schwanz hinter sich her durch den Luftraum, nach der Meinung und Rechnung der Sternkundigen wohl hundertundachtzig oder noch mehr Meilen lang.
Viele arme Kindlein lagen dazumal krank an der schweren Not und starben ohne Hülfe haufenweise. Unglück aller Art – Teuerung und Krieg – wurde vorhergesagt und traf auch in Hülle und Fülle ein.
Erst am letzten April glitt das letzte Stücklein des feurigen Sternschweifes hinter den Horizont hinab, und wurde von da an nichts mehr gesehen am Nachthimmel als der gewohnten Sterne »Lauf, Licht und Figur«; und wenn auch auf diesen Kometen nach altem Recht ein gar heißer, schwerer Sommer erfolgte, so tat das doch dem nahen Frühling fürs erste nichts.
Im Gegenteil rückte derselbe recht fröhlich und prächtig ein in das Land. Die Frösche hüpften vor aus ihren Schlupflöchern und sonnten sich auf den Wegen und hatten durchaus nicht die geringste Ahnung davon, daß es besser für sie gewesen wäre, wenn sie in ihren Winterwinkeln geblieben wären. Bäume und Büsche entfalteten wie gewöhnlich ihre großen Blattknospen und begrünten sich, die Vögel sangen ihre Loblieder, die Eichkätzchen rieben sich den Schlaf aus den klugen Äuglein, erzählten sich ihre Winterträume und fingen an, muntere Jagden zu halten um die Stämme der Buchen und Eichen. Alles Tierleben regte sich allgemach, munter und guter Dinge, und zuletzt fingen die Menschen auch wieder an freier zu atmen, da sie nur allein die gewöhnlichen lieben Sternbilder, den großen Bär und den kleinen, den Orion und die andern alle, so viel sie Namen haben oder nicht haben, am nächtlichen Himmelszelt erblickten, ehe sie schlafen gingen, nicht aber mehr das gräßliche geschweifte Ungetüm, dessen Art noch niemals der Menschheit viel des Guten gebracht hat und bringen wird.
Doch so weit sind wir noch nicht!
Am fünfundzwanzigsten März abends, wo unsere Geschichte ihren Anfang nimmt, steht der Komet noch schrecklich am schwarzen Himmel und durchzieht gleich einem alles verschlingen wollenden Drachen die Herde der übrigen silbernen Lichter.
Die Unruhe und Angst ist noch groß in der Welt, also auch groß in dem Städtlein Holzminden an der Weser, allwo der lutherische Pastor Herr Magister Valentin Fichtner über seinen Studiertisch weg und seinen Garten, welcher sich gegen den Fluß hin erstreckt, den drohenden Boten Gottes gerade vor Augen hat – recht bequem, um über das Manuskript seines großen Werkes: De Daemonibus von Zeit zu Zeit durch das Fenster zu ihm auflugen zu können.
Ein geistlicher Herr des neunzehnten Jahrhunderts würde dabei jedenfalls sehr nachdenkliche Rauchwolken aus seiner Tabakspfeife gesogen haben; Ehrn Valentin Fichtner tat das aber nicht. Zwar rauchte man bereits um diese Zeit in England das neue virginische Kraut, und nach Portugal schwamm eben über den Atlantischen Ozean das Schiff, welches den Leibarzt des spanischen Königs, Philipps des Zweiten, Don Francesco Hernandez, welcher den Tabak nach Portugal brachte, trug; im deutschen Reich kannte man jedoch dieses tröstende Labsal in jeglicher Bekümmernis und Bedrängnis, dieses Stärkungsmittel bei jeglicher Arbeit noch nicht. So mußte es denn auch der Pastor Fichtner entbehren, obgleich es ihm gewiß die besten Dienste geleistet haben würde bei der Abfassung des unheimlichen Kapitels seines Werkes, an welchem er eben schrieb: »Von den vielen und mancherlei Naturen der Teufel«, bei der Betrachtung des unheimlichen Sternes, welcher ob seinem Studium leuchtete.
Viele dickleibige und schweinslederne Folianten und Quartanten hatte der wackere Mann nachgeschlagen, vieler hochgelehrten und frommen Männer Zeugnis hatte er treulich und ordentlich erforscht; und so wollen wir ihm über die Schulter schauen und seine Klassifikation des bösen Prinzips ablesen von dem Blatte vor ihm.
Da hat er gefunden:
»Zuerst – die Pseudothei, hoc est falsi Dei, das ist, falsche Götzen und abgöttische Teufel, welche sich Gottes allmächtigen Namen anmaßen und wie Gott selbst verehrt werden wollen. Der Fürst dieser Ordnung heißt: Beel-Zebub, ein Gott der Teufel.«
»Zum andern – Spiriti mendaciorum, Lügengeister, wie deren einer aus dem Munde des Propheten Ahab ging. Der Fürst dieser Ordnung ist Python, die Schlange, von welcher der heidnische Abgott Apollo, Epythius genannt wird.«
»In der dritten Ordnung stehen die Geister, so man vasa iniquitatis nennt: Instrumente, Werkzeuge und Gefäße aller Sünden, Laster und Schanden. Ihr Fürst ist Belial, ein ungehorsamer,