Die wichtigsten Novellen, Romane & Erzählungen von Wilhelm Raabe. Wilhelm Raabe. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wilhelm Raabe
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027207619
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der Befehlshaber an Bord des Andrea Doria, die Mitte der Schelde und fuhr stromab langsam an der Stadt hinunter. Sieben genommene kleinere Fahrzeuge schwammen bereits mit den Geusenschiffen voraus; die schwarze Galeere schloß den Zug.

      Wie blitzte und krachte es von den Wällen Antwerpens; wie antworteten so gut die Geusenschiffe und der Andrea Doria, der jetzt unter der Bettlerflagge, die Segel lustig geschwellt vom Morgenwinde, stromab fuhr, wie raufte Don Federigo die Haare über solch unerhörte Tat!

      Feuer von allen Schanzen und Forts den Strom entlang!

      Hoiho, hoiho, Geusenglück, Geusenglück! Was kümmert’s die Meergeusen, ob die Spanier gut oder schlecht schießen? Die Wunden unter Deck, die Toten über Bord –— hoiho, hoiho, da flammt’s wieder von der schwarzen Galeere auf, vor Fort Philipp! Bum – bum, das ist Cruysschanz auf der brabantischen Seite.

      Nun aber haltet euch gut, ihr niederländischen Männer, der letzte Riegel, aber auch der gewaltigste ist zu sprengen.

      Drunten im Morgennebel liegt Fort Liefkenhoek.

      Drunten im Morgennebel liegt Fort Lillo.

      Jetzt gilt’s, ihr Geusen, an die Geschütze, wer noch Hand und Fuß rühren kann!

      Geusenglück! Geusenglück!

      Es war alles bereit auf Liefkenhoek; der Kommandant hatte Zeit genug gehabt, seine Anordnungen zu treffen: bereits um zwei Uhr hatte ihn der Hauptmann Jeronimo geweckt. »Nun, was gibt es, Sennor?« hatte der Oberst gefragt, und der Alte hatte die Achseln gezuckt und gesagt: »‘s mag sein Meuterei zu Callao, ‘s mag sein Aufruhr zu Antwerpen, ich ersuche Euch jedenfalls, auf den Wall zu kommen, Sennor.« Ärgerlich war der Kommandant auf der südöstlichen Bastion seines Forts erschienen und hatte lange gehorcht. Eine Viertelstunde nachher hatte die Trommel wieder einmal die Besatzung auf die Wälle gerufen, und eine Stunde nachher hatte der Hauptmann gesagt:

      »Sennor Oberst, ich würde die Schildwachen dieser ganzen Nacht erschießen lassen.« – – –

      Wie lange dauerte nun schon der Geschützdonner stromab die Schelde? Es war kein Wunder, daß alles zum Empfang der schwarzen Galeere bestens auf dem Fort Liefkenhoek vorbereitet war!

      Vor seiner Kompanie schritt der Hauptmann Jeronimo finster auf und ab, und je näher das Feuer kam, desto finsterer wurde er, das war so seine Art. Er hatte das Spiel so lange mitgespielt, bis er desselben überdrüssig geworden war – nein, nicht überdrüssig! bis es ihm so gleichgültig geworden war, wie – wie das Atemholen. Der Hauptmann Jeronimo hatte nur nach gewohnter Art die Achseln gezuckt, als der reitende Bote quer über Land von Fort Perle aus die erste nähere Kunde über das vor Antwerpen Geschehene brachte. Wie grimmig die Kameraden sich gebärdet hatten, der alte Soldat von Alba, Requesens und Farnese hatte nur dem Boten den Rücken gedreht und war zu seiner Kompanie hingeschritten.

      »Und dieses Volk vermeinen sie noch immer zwingen zu können?« murmelte er. »Wie lange schon liegt die Blüte Spaniens, der Kern seiner Kraft in diesem Boden begraben! Wehe dir, armes Vaterland!«

      Die Kanonen vor der Cruysschanze hatten ein Selbstgespräch unterbrochen. In den Morgennebel hinein fing es leise an zu schneien; man sah nicht drei Schritte weit.

      »Ja, ja«, murmelte der alte Soldat, »feuert nur blind zu! und horch – da ist sie schon wieder, diese gottverfluchte Weise, das Grablied von Spaniens Macht und Ehre – paff, paff, so spart doch euer Pulver, ihr vernichtet sie doch nicht damit – ja, ja, schießt nur, schießt, das Lied klingt nur um so heller! O Teufel, man hat’s zuletzt schon auswendig gelernt.«

      In den Geschützdonner hinein und den Klang der niederländischen Trompeten summte der Hauptmann Jeronimo:

      »Ein Prinze von Oranien

       Bin ich frei unversehrt,

       Den König von Hispanien

       Hab’ ich allzeit geehrt.«

      Er war noch nicht damit zu Ende, als eine Kugel dicht neben ihm in seiner Kompanie einschlug und sechs Mann derselben tot oder verwundet zu Boden streckte. Von der genuesischen Galeone kam diese Kugel; Jan Norris auf dem Andrea Doria eröffnete sein Feuer im Vorüberfahren von Fort Liefkenhoek. Das Fort antwortete sogleich auf die kräftigste Weise, jedoch ohne den Geusen einen bedeutenden Schaden zuzufügen.

      Auf dem Deck des Andrea Doria stand neben dem Geliebten Myga van Bergen.

      Ihre Augen funkelten; was kümmerten sie die Kugeln der Spanier! Über dem Haupte des Brautpaares flatterte sieghaft das Geusenbanner, die herabgerissene Flagge Spinolas lag unter den Füßen der beiden.

      »Noch eine volle Lage, Burschen! Feuer! Feuer! Feuer! Der Myga, meiner Braut, zu Ehren!« rief Jan Norris, den Hut schwingend. »Da geht die Bramsegelstange über Bord! ‘s tut nichts! Hoiho, Myga, süße Braut, – frei Wasser, frei Wasser! Horch, wie die schwarze Galeere vor Lillo ins Zeug geht! Hoiho, hoiho, lieber Türk als Pfaff! Frei Wasser! Frei See! O süße, süße Myga, o holde, liebe Braut, wie lieb’ ich dich!«

      »O Jan, Jan, auf so stolze Art ist noch nie eine Braut erobert worden! Was hast du getan um mich!«

      »Ach, was ist’s denn?« lachte Jan Norris. »Einen welschen Schiffsleutnant hab’ ich niedergehauen und den Kadaver eines welschen Kapitäns über Bord geworfen. Die schwarze Galeere hat dich und mich gerettet – bis an die Sterne hoch die schwarze Galeere!«

      »Hoch! Hoch die schwarze Galeere!« jauchzte das Schiffsvolk auf dem Andrea Doria, und weiter links donnerte das schwarze Schiff seinen Segensgruß, unter den Mauern von Fort Lillo hinstreichend. –

      »Laßt es gut sein«, sagte der Hauptmann Jeronimo zu den Kameraden, die ihn vom Walle herantragen wollten. »Laßt mich in freier Luft sterben, es wird mir leichter abgehen. Lebt wohl, Kameraden, lebt alle wohl – und haltet euch gut. Ich sehe lauter junge, jugendliche Gesichter um mich her, – Kameraden, ich wünsche euch mehr Glück, als der alten Armee zuteil geworden ist. Wir haben unsere Pflicht getan – grabt nach auf dem Felde von Jemmingen, auf der Mockerheide, bei Gemblours und vor Antwerpen, – es ist nicht unsere Schuld, daß – wir noch – am – alten Flecke stehen! – Lebt – wohl, Kameraden, – das alte – Heer geht zu Grabe! Lebt wohl und – Spanien – für immer, das arme Spanien! …«

      Der Hauptmann Jeronimo war tot, und stumm umstanden ihn Offiziere und Soldaten der Besatzung von Fort Liefkenhoek.

      Der Geschützdonner war verstummt. Glücklich hatten alle niederländischen Schiffe die spanischen Festungen mit ihrer Beute passiert. Aus der Ferne klang aber noch immer das Lied von Fünfzehnhundertachtundsechzig:

      »Vor Gott will ich bekennen

       Und seiner ganzen Macht,

       Daß ich zu seinen Zeiten,

       Den König hab’ veracht’t,

       Weil daß ich Gott dem Herrn,

       Der höchsten Majestät,

       Hab’ müssen obedieren

       In der Gerechtigkeit.«

      Meerwärts verhallten die Klänge, als das stolze Geusengeschwader mit seiner Beute, seinen blutigen Wunden und seiner Glorie in dem immer dichter werdenden Nebel stromab glitt.

       Inhaltsverzeichnis

       Erster Teil

       Erstes Kapitel

       Zweites Kapitel

       Drittes Kapitel

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