Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben. Heinz Keßler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heinz Keßler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783360510037
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meine Gedanken darzulegen, dass man die derzeitigen Spannungen mit dem Westen nutzen und einen eisernen Ring um Berlin legen sollte.‹«

      Das Hamburger Nachrichtenmagazin weiß nicht nur alles, es weiß es vor allem besser: »Chrusch­tschow hatte freilich keine Mühe, seinen Besucher (? – d. Verf.) zu überzeugen.«

      Das Protokoll, so die Schöngeister von der Alster, erstaune wegen des »lockeren Tonfalls«. Dann aber sei man zur Sache gekommen. »Bereits zu Anfang des Gesprächs legt Chrusch­tschow seinem Gegenüber dar, dass es zur Sperrung der Grenze keine Zeit und Alternative mehr gebe: ›Ich habe unseren Botschafter gebeten, Ihnen meinen Gedanken darzulegen, dass man die derzeitigen Spannungen mit dem Westen nutzen und einen eisernen Ring um Berlin legen sollte. Das ist leicht zu erklären: Man droht uns mit Krieg, und wir wollen nicht, dass man uns Spione schickt. Diese Begründung werden die Deutschen verstehen.‹

      Chrusch­tschow äußerte sich weiter zu militärpolitischen Fragen: »Wir müssen auch zu einem gemeinsamen Entschluss über demonstrative militärische Verstärkungsmaßnahmen kommen. Ich habe einen Bericht unseres Generalstabes entgegengenommen, und wir werden alles tun, was nötig ist.«

      Und an anderer Stelle sagte er: »Dem Berater Kennedys habe ich gesagt: Gegen jede Ihrer Divisionen bieten wir zwei auf; und wenn Sie die Mobilmachung erklären, dann tun wir das ebenfalls.«

      Was im Westen als Willkür und militärischer Hasard interpretiert wurde, nämlich die Verstärkung der sowjetischen Truppen, hatte einen realen Grund: die Truppenbewegungen auf der NATO-Seite. Darauf ging Die Zeit aber nicht ein. Stattdessen hieß es bedrohlich: »Militärisch sei von der Sowjetunion bereits alles vorbereitet, führte der KPdSU-Chef weiter aus, sein Generalstab habe bereits alle entsprechenden Pläne ausgearbeitet: ›An der Grenze zur BRD werden sich unsere Panzer hinter den Stellungen eurer Soldaten eingraben. Das tun wir so geheim, dass es der Westen nicht mitbekommt.‹ Zugleich stellte er die Verlegung weiterer sowje­tischer Truppen in die DDR in Aussicht.

      Chrusch­tschows Vorstoß hingegen, auch die DDR möge ihre Streitkräfte verstärken, blieb allgemein. »Unsere Genossen vom Militär meinten, vielleicht müsste bei den Deutschen auch etwas geschehen. Möglicherweise wäre es gut, eine Aufstockung eurer Divisionen vorzunehmen. Aber ich habe gesagt, dass man Genossen Ulbricht fragen muss, wie die Deutschen darauf reagieren. Das könnte unter Umständen negative Reaktionen auslösen, und als Demonstration hat diese Maßnahme keine entscheidende Bedeutung.«

      Darauf ging Ulbricht nicht ein.

      So Chrusch­tschow angeblich gegenüber dem BRD-Botschafter Kroll am 9. November 1961.

      Die Rezeption heute

      Der Umgang mit dem 13. August 1961 ist heute ritualisiert, die Haltung zur Mauer fixiert. Hier wird sichtbar, was Napoleon in den Satz gekleidet hat, dass die Geschichte die Summe der Lügen sei, auf die sich die Herrschenden nach dreißig Jahren geeinigt hätten. Das trifft zu. Keine im Bundestag vertretene Partei sieht es heute anders, als in den Medien und in den Schulbüchern seit Jahr und Tag mitgeteilt wird.

      Die Linkspartei wirft sich an jenem Datum pflichtschuldig ihr Büßergewand über, trägt ihren Kranz in die Bernauer Straße und lässt sich dafür beschimpfen. Beschämt erklärte sie selbstanklagend beispielsweise 2001, als sie noch PDS hieß: »Die Berliner Mauer war ein Ergebnis der Blockkonfrontation im Kalten Krieg. Die Opfer dieses Grenzregimes sind jedoch mit dem Verweis auf internationale Rahmenbedingungen und Sicherheitskonzepte keinesfalls zu rechtfertigen. Menschliches Leid verlangt Respekt und Nachdenklichkeit. […]

      Diese Grenze wurde gesichert, damit Frieden blieb. Der Frieden hielt 28 Jahre, so lange sie stand. 1993 beteiligten sich erstmals deutsche Soldaten im Rahmen der »Operation Deny Flight« an der Überwachung des Flugverbotes über Ex-Jugoslawien, im Sommer mussten 1800 Bundeswehrsoldaten nach Bosnien-Herzegowina, 1999 bombardierte die NATO mit deutscher Beteiligung Jugoslawien …