Mörderisches Schicksal. Heide-Marie Lauterer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heide-Marie Lauterer
Издательство: Bookwire
Серия: Vera Roth
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783944587998
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genannt, was mir anbiederisch vorkam und mich noch mehr irritierte als sein nach Orange duftendes Männerparfüm, das er auch hier im Stall trug. Mit Reisebürokunden blieb ich im Privatleben lieber auf Distanz, wollte er vielleicht sein Bio-Dyn an die Frau bringen? Anstelle des Seidenschals hatte er heute ein blutrotes Cowboy-Bandanna um den Hals geknotet. Nach dem heißen Wortwechsel mit seiner Liebsten musste er sich offensichtlich durch körperliche Arbeit abreagieren. Er schleppte einen Sack Bio-Dyn nach dem anderen über der Schulter herbei und lud ihn an der Wand des Schuppens ab. Dort stapelten sich schon mindestens zehn prallgefüllte Säcke, die er aus Tissas Minibus, der jetzt vor der Scheune stand, herbeigeschafft hatte. Wenn sie heute nicht vor der Futterkammer stand, an ihrem Mitnehmkaffee nippte und mich mit ihren spitzen Bemerkungen traktierte, dann lag es bestimmt daran, dass sie sich nach ihrem heftigen Streit auf dem Parkplatz erst einmal wieder in Ruhe sortieren musste.

      „Braucht ihr einen Sack, oder zwei? Tissa hat gesagt, ihr füttert Bio-Dyn jetzt regelmäßig?“

      „Regelmäßig? Woher weiß Tissa das?“

      „Von Gerson nehme ich an, die beiden waren doch heute Morgen zusammen unterwegs.“

      „Wie bitte?“

      „Tissa hat ihm gezeigt, wo sie das Bio-Dyn-Feed herstellen lässt.“

      Bei mir schrillten alle Alarmglocken. Ob Gerson wirklich mit Tissa unterwegs gewesen war? Aber warum hatte er mir dann gestern noch erzählt, dass er Bilder von der Alten Brücke im Morgennebel fotografieren wollte?

      „Es gibt jetzt zwei Sorten“, erklärte mir Hansi, der meine Bestürzung überhaupt nicht bemerkte. „Das normale und das Bio-Dyn-Feed-Plus. Welches bekommt denn euer Fango?“

      „Das normale.“

      „Bist du sicher?“, fragte Hansi lauernd.

      „Ja, natürlich!“ Hansi durfte mir auf keinen Fall anmerken, dass ich in Bezug auf das Biofutter überhaupt nicht im Bilde war. Die Täuschung schien mir zu glücken, denn er verschwand und kam gleich darauf mit einem vollen Sack zurück.

      „Ich stelle es vor deinen Spind“, sagte er. „Das Geld kannst du dann ja Tissa geben.“

      Mein Misstrauen gegen die Futtermischung wuchs von Minute zu Minute. Ich musste mir Klarheit darüber verschaffen, was diesem Zeug alles untergemischt war. Schwierig war das nicht: Ich würde die Zusammensetzung des Futters chemisch analysieren lassen und hoffte, dass mir Doktor Abnemer dabei helfen würde. Ich musste nur noch auf eine passende Gelegenheit warten, denn ich wollte auf jeden Fall vermeiden, dass Tissa und Hansi vor der Zeit etwas von meinen verdeckten Ermittlungen erführen.

      Am nächsten Abend beugte sich Doktor Abnemer vor dem Stall schon wieder über seinen Medikamentenkoffer. Als ich an ihm vorbeiritt, machte er mir ein Zeichen. Das ist die Gelegenheit, auf die ich gewartet habe, jubilierte es in mir. Heute würde ich ihm die Analyseprobe geben, denn ich hatte weder Hansi und Tissa noch sonst jemanden auf dem Hof gesehen. Er winkte noch einmal und schien mir etwas sagen zu wollen, doch gerade da spitzte Fango die Ohren und verlangsamte seinen Schritt. Ein Plausch mit dem Tierarzt kam nicht in Frage, ich musste mich auf meinen Weg konzentrieren, und der ging an dem vollgestopften, überdimensionalen Mistcontainer vorbei. Gleich dahinter tat es einen Ruck, der mich beinah aus dem Sattel katapultiert hätte, denn Fango erstarrte zum Reiterstandbild. Mit weitaufgerissen Augen und geblähten Nüstern schielte Fango schräg nach unten. Auf dem schmalen Rasenstück vor dem Reitplatz wölbte sich eine schwarze Plane, die ich gestern noch nicht bemerkt hatte. Nur weiter und vorbei, wir konnten unmöglich hier stehenbleiben! Aber je mehr ich ihn antrieb und meine Absätze an seine Seiten klopfte, desto mehr versteifte er sich. Er schnaufte hektisch, verdrehte seinen Hals und ich konnte das Weiße in seinem Auge schimmern sehen. Das Pferd fühlte sich unter mir so hart an wie eine Eisenstange. Auf einmal fing er an zu tänzeln und versuchte, sich auf der Hinterhand zu drehen. Plötzlich war Doktor Abnemer neben uns und griff mir in die Zügel. Mir klopfte das Herz bis zum Hals, zitternd sprang ich von dem aufgeregten Pferd ab. Wie leicht hätte er steigen und auf dem glatten Beton das Gleichgewicht verlieren können!

      „Ich habe Sie warnen wollen“, sagte der Tierarzt.

      „Aber wovor denn?“, fragte ich zitternd.

      „Unter der Plane liegt Elan. Wir mussten ihn gestern Abend einschläfern. Jetzt warten wir auf den Abdecker.“

      „Hat Fango den Tod gerochen?“, sagte ich leise und fühlte eine leichte Übelkeit aufsteigen.

      „Wer weiß?“, sagte der Tierarzt und zuckte mit den Achseln.

      „Eine Kolik?“

      Weil er schwieg, fragte ich noch einmal nach: „Und woran ist er … ich meine, hat er zu viel frisches Gras gefressen?“

      „Das wohl nicht – eher eine heftige allergische Reaktion auf irgendetwas im Futter vielleicht. Was es genau war, bekommen wir wohl nie raus.“

      „Da wäre ich mir nicht so sicher!“ Jetzt hatte ich endlich meinen Anknüpfungspunkt! Gerade wollte ich Doktor Abnemer in mein Vorhaben einweihen, da hörte ich Hufgetrappel.

      „Auf Sie habe ich gewartet.“ Tissa baute sich mit ihrer Stute Mausi vor dem Tierarzt auf, Mausi stand mit hängenden Ohren auf drei Beinen und Tissa sagte mit einem vielsagenden Blick in Doktor Abnemers Richtung: „Der Hufschmied!“

      Irgendjemand musste ja schuld daran sein, wenn ein Pferd lahm ging und nur noch auf drei Beinen dastand! Mein vertrauliches Gespräch mit Doktor Abnemer war beendet und meine verdeckten Ermittlungen würden warten müssen.

      Die Lust am Reiten war mir für heute verdorben. Fango tobte sich genauso gerne in der kleinen Halle aus. Ich gönnte ihm eine gute halbe Stunde, dann führte ich ihn in seine Box. Um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen, weil ich nicht ordentlich geritten war, bürstete ich ihm ausgiebig das Fell.

      Ein schrilles Lachen beendete unser Tête à Tête. Warum kam Tissa immer im falschen Moment, fuhr es mir durch den Kopf. Gerson kam nie, wenn ich bei Fango war und Tom auch nicht. Ich fühlte plötzlich einen unheimlichen Groll in mir aufsteigen, dessen Stärke mich erschreckte. Was hatte die Frau mir denn getan? Die Arme auf die Paddockstange gestützt, lugte sie zu uns herein. Warte nur, dachte ich, heute krieg ich dich dran. Ich tat so, als ob ich sie nicht bemerkte, verabschiedete mich von Fango, dann ging ich schnell hinaus auf den Hof, zur Sattelkammer. Hinter mir hörte ich Schritte, Tissa folgte mir.

      „Hey, Vera!“

      „Hey.“

      Tissa blieb vor mir stehen, verknotete ihre Beine, nahm ihren Becher, der Skorpion war direkt auf mich gerichtet. „Na, hast du dich von deinem Schock erholt?“

      „Schock? Von welchem Schock denn?“ Ich bekam einen roten Kopf. Hatte sie etwa gesehen, wie ich von Fango abgesprungen war? Aber egal, das war die Gelegenheit, auf die ich gewartet hatte. Ich griff mit der Hand in den offenen Bio-Dyn-Sack in meinem Spind und ließ die Körner ganz langsam durch meine Finger gleiten. Tissa beobachtete mich gespannt; es war verrückt und fahrlässig zugleich, aber ich konnte mir nicht helfen, ich musste dem Impuls folgen! Vielleicht würde ich in Kürze an mörderischen Bauchkrämpfen elendig zu Grunde gehen, doch ich steckte mir ein paar Körner in den Mund und fixierte Tissa dabei mit den Augen. Sie starrte mich an, hielt für einen Wimpernschlag lang den Atem an, dann schrie sie: „Vera!“

      Mit so einer heftigen Reaktion hätte ich nicht gerechnet; fast wurde es mir selbst ein bisschen mulmig.

      „Was hast du denn, Tissa? Ist was passiert?“, fragte ich mit schlecht gespielter Ahnungslosigkeit.

      „Warum kaust du Pferdefutter? Hast du nicht gefrühstückt?“

      „Die Leute sagen, es hätte Müsliqualität? Stimmt es etwa nicht? Das wollte ich einfach mal probieren. Mir schmeckt