PRIMORDIA 2 - Die Rückkehr zur vergessenen Welt. Greig Beck. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Greig Beck
Издательство: Bookwire
Серия: Primordia
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354210
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hatte damals keine Wahl gehabt, als sich diesem urzeitlichen Leben zu stellen. Er begann verbittert zu kichern.

      »Ich bin der einzige Mensch hier, und das wird sich die nächsten 100 Millionen Jahre nicht ändern. Ich allein gegen die Monster.«

      Ben schaute noch einmal zum Plateau. Eine Sache störte ihn. Auf seiner Wanderschaft hatte er kaum Exemplare der Titanoboa im Tal gesichtet, sie schienen es zu bevorzugen, auf dem Plateau zu leben. Oder irgendetwas zwang sie dazu, dort oben zu bleiben.

      Ben wusste, dass er sich bald wieder in Bewegung setzen musste. In seinem aktuellen Domizil war er schon länger, als er sollte. Es war irgendein sechster Sinn, der ihm sagte, dass es nicht mehr sicher war.

      Er wünschte, dass er zum Ozean zurückkehren könnte. Klar, dort gab es einen ganz eigenen Streichelzoo aus Monstrositäten, doch irgendwie hatte es ihm dort gefallen … bis er vertrieben worden war. Seine Mundwinkel gingen nach oben, als er sich daran erinnerte: Das endlos scheinende blaue Wasser, der frische Fisch und sein einziger Freund: Ralph.

      »Ich vermisse dich, Kumpel.« Er seufzte und machte sich daran, die Leiter hinabzusteigen – doch dann hielt er abrupt inne und lauschte.

      ***

      Die Jäger waren dem Geruch des merkwürdigen Tieres bereits kilometerweit gefolgt. Der Geruch seines warmen Blutes, der salzige Schweiß und sein Atem waren für sie unwiderstehlich. Ihr Anführer, ein zwei Meter großer Pteropode, dessen Zehen in sensenscharfen Krallen endeten, hielt inne. Er lauschte den Klängen des Dschungels und drehte dabei langsam seinen Kopf. Ihre Beute war nah, er konnte sie ganz deutlich riechen, doch war sie nirgends zu sehen.

      Der Jäger schlich vorwärts, gerade im Begriff, sich zwischen zwei engen Baumstämmen hindurchzuquetschen, als sein dreistrahliger Fuß an einer Schlingpflanze hängenblieb, die dort gespannt worden war. Sofort raste ein horizontal gewachsener Ast, der mit geschärften Pfählen präpariert war, in einem Tempo auf ihn zu, das jede Reaktion unmöglich machte.

      Der Pteropode wurde buchstäblich an Ort und Stelle festgenagelt, als die meterlangen Speerspitzen sich tief in seinen Bauch bohrten.

      Von hoch oben kam ein Geräusch. Es war das erste Mal, dass die Jäger etwas Derartiges hörten – es war ein menschliches Lachen.

      KAPITEL 10

       Das Anwesen der Cartwrights, Greenberry, Ohio

      Cynthia Cartwright hatte Emma erlaubt, den Familiensitz als Treffpunkt für die Gruppe zu benutzen. Es war das größte Haus in Greenberry und trotzdem sehr unauffällig.

      Emma sah, dass die alte Dame ruhig und interessiert mit dem unglaublich kräftig gebauten Drake Masterson sprach. Der Hüne hielt ihre kleine Hand in einer seiner riesigen Pranken und tätschelte sie sanft, während er nickend ihren Worten lauschte. Emma konnte sich vorstellen, dass Cynthia ihm gerade das Versprechen abrang, ihren Sohn heil nach Hause zu bringen. Und sie vermutete, dass Drake in bestem Wissen und Gewissen schwören würde, dass er sein Leben dafür geben würde.

      Emma mochte den Kerl und vertraute ihm. Sie war dankbar, dass er zugestimmt hatte, die Expedition anzuführen. Das gab ihr Zuversicht.

      Sie vermutete, dass die vier Soldaten inzwischen, wo sie wussten, dass Ben vielleicht wirklich noch lebte, sogar unbezahlt mitgekommen wären. Denn der Zusammenhalt unter ihnen war grenzenlos. Sie wusste aber auch, dass sie ihre Leben riskierten, und dafür musste sie einen Gegenwert bieten. Sie hoffte nur, dass sie es alle überleben würden, um sich dann auch an dem Geld erfreuen zu können.

      Diese Soldaten schienen beinahe zu einer anderen Spezies zu gehören als alle anderen Anwesenden. Sie waren hoch, breit und laut. Der Rotschopf Fergus O'Reilly scherzte mit seinem Kumpel Brocke Anderson, dessen strahlend weißes Grinsen den ganzen Raum zu erhellen schien. Sie fragte sich, wie er seine Ohrmuschel verloren hatte – war sie weggeschossen oder abgebissen worden? Sie würde es vielleicht eines Tages erfahren.

      Brocke bemerkte, dass sie ihn anschaute, hechtete nach vorn, schnappte sich die Kaffeekanne und hielt sie ihr theatralisch hin. Sie lächelte und schüttelte den Kopf. Als er sie wieder hinstellte, boxte ihm Fergus in die Rippen und hielt ihm seine eigene Tasse hin.

      Emmas Aufmerksamkeit wanderte zu dem kräftigsten Kerl in der Gruppe – dem immer noch bedrückt dreinschauenden Ajax Benson. Sie nahm sich vor, mit ihm zu reden, um zu erfahren, was in ihm vorging. Es gab da etwas, das er zurückhielt, und wenn man die Gefährlichkeit ihrer Mission bedachte, wollte sie nicht, dass mittendrin irgendwelche Komplikationen hochkochten. Ben hatte ihr einmal gesagt, selbst kleine Zweifel könnten auf dem Schlachtfeld zu lebensbedrohlichen Dämonen werden.

      Schlachtfeld? Sie seufzte in sich hinein, denn es war doch irgendwie lächerlich, die Natur als Gegner in einem bewaffneten Konflikt anzusehen. Andererseits war sie schon einmal auf diesem Plateau gewesen und fühlte sich, als hätte sie einen Krieg überlebt.

      Andy und seine Schwester Helen, die paläontologischen Waffen in Emmas Arsenal, standen neben dem lodernden Kamin und unterhielten sich, wobei Helen sich die auf dem Sims stehenden Fotografien anschaute. Besonders genau betrachtete sie ein Porträt von Ben, als würde sie versuchen, sich sein Gesicht ganz genau einzuprägen.

      Für einen Moment hatte Emma ihre Wahl angezweifelt – die beiden Wissenschaftler schienen noch sehr jung und naiv. Sie waren im Begriff, in einen Fleischwolf geworfen zu werden, dessen Brutalität sie noch gar nicht ermessen konnten. Doch mit den Jahren hatte Emma eine Art Schutzpanzer entwickelt, eine emotionale Sturheit in der nur noch zählte, Ben wieder nach Hause zu holen – alles andere war egal. Die vier Soldaten sahen aus, als würden sie Stacheldraht zum Frühstück essen, aber diese beiden … die wirkten eher so, als würden sie am liebsten Avocadosandwiches mit Sojamilch in irgendeinem Hipster-Café zu sich nehmen.

      Emma wischte diese Gedanken beiseite; sie hatte die beiden ausgesucht, weil sie helfen würden, Ben zu retten – Ende der Geschichte. Sie würde ihnen die Risiken noch einmal nennen und dann war es ihre Wahl, ob sie mitkommen wollten oder nicht. Zur Not war immer noch Zeit, sie zu ersetzen.

      Emma schluckte, es war langsam Zeit, loszulegen. Sie räusperte sich. »Guten Morgen allerseits!« Sie lächelte und sah jeden einzelnen an, als die Anwesenden sich ihr zuwandten.

      Als Erstes ging sie zu Cynthia und hakte sich bei ihr ein. »Ich werde jetzt mit dem Team sprechen, du musst nicht bleiben, wenn du nicht möchtest.«

      Die kleine Frau richtete sich stolz auf. »Du wirst darüber reden, meinen Ben zu retten, unseren Ben. Da will ich doch dabei sein!« Sie schaute sich um und deutete auf ihren Lieblingssessel, in dem Fergus gerade saß. »Ich setze mich einfach und höre still und leise zu.«

      Emma hob eine Augenbraue und der Rothaarige stand sofort auf, wischte theatralisch den Stuhl ab und verbeugte sich dann. Emma half Cynthia dorthin, goss ihr noch etwas Tee ein und gab ihr ein Stück von ihrem Lieblingskäsekuchen auf einen Teller des Sonntagsgeschirrs. Dann ging sie zu einer der großen Wände neben dem Kamin und nahm die Bilder ab, die dort hingen. Als Nächstes schaltete sie einen Projektor an, der auf dem Tisch stand und klappte ihren Laptop auf.

      Das erste Bild erschien und Emma nahm sich die Fernbedienung. An der Wand sah man eine Satellitenaufnahme von Südamerika mit einem roten Punkt – am Rande des Canaima Nationalparks.

      »Von dort haben wir unsere Expedition begonnen.« Sie atmete tief durch. »Das war vor fast zehn Jahren.«

      »Entschuldige bitte, Emma, aber woher wusstet ihr, dass ihr dort anfangen müsst?«

      Diese Frage hatte sie erwartet. »Wir hatten Karten, ein altes Notizbuch und eine Legende, der wir folgen konnten. Und ich weiß auch, was ihr als Nächstes fragen werdet – nein, diese Ressourcen stehen uns leider nicht mehr zur Verfügung. Sie sind für immer verloren.«

      »Aber die Legende existiert noch, schätze ich«, sagte Andy.

      »Genau, das ist doch schon mal was wert«, sagte Fergus. »Und wenn man bedenkt, dass der Amazonas nur drei Millionen