PRIMORDIA 2 - Die Rückkehr zur vergessenen Welt. Greig Beck. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Greig Beck
Издательство: Bookwire
Серия: Primordia
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354210
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dem krachenden Geräusch brechender Knochen eines der Truthahnwesen schnappte. Dann schüttelte er es in ruckartigen Bewegungen, wie ein Hund, der einen Hasen erwischt hat.

      Die anderen Pflanzenfresser flohen, wobei einer direkt auf Ben zukam, der nur noch einen Arm hervorschnellen lassen musste, um blitzschnell das Genick der Kreatur zu brechen. Der große Jäger war zum Glück so sehr mit seiner Beute beschäftigt, dass er nichts davon mitbekam und Ben sich langsam ins Unterholz zurückziehen konnte. Dabei stellte er sicher, sein Abendessen gründlich durch den Matsch zu ziehen, um seinen Geruch zu maskieren. Die wichtigste Lektion, die er bisher gelernt hatte, lautete, dass man jederzeit in der Lage sein musste, sich zurückzuziehen. Und zwar sowohl geräuschlos als auch geruchlos.

      Er begann sich in einen der Durchgänge zu zwängen, die er sich durch die Wurzeln des Unterholzes gegraben hatte. Dabei musste er seinen Körper so flach machen, dass ihm ein Pups entfleuchte. Sofort hielt er inne und lauschte ein paar Minuten, ob das ungewollte Geräusch irgendwelche Konsequenzen hatte. Schließlich atmete er tief durch, jedoch nicht, ohne sich selbst zu tadeln: Cartwright, du Idiot, dich kann man wirklich nirgendwo mit hinnehmen, dachte er und setzte dann seinen Weg fort. Nach ein paar Minuten war Ben verschwunden.

      ***

      Der große zweibeinige Saurier hatte inzwischen Besuch von anderen Mitgliedern seines Rudels bekommen. Nachdem er selbst gesättigt war, überließ er ihnen die Reste seiner Beute. Doch das kleine Tier reichte nicht, um alle satt zu bekommen – sie brauchten mehr, wie immer eigentlich.

      Ihr Anführer schnüffelte und nahm tatsächlich die Fährte des Methans auf. Seine empfindliche Nase konnte aus diesen Chemikalien in der Luft sämtliche wichtigen Schlüsse über ihren Erzeuger ziehen: Welches Essen es gegessen hatte, dass es warmblütig war, seinen Gesundheitszustand, das Geschlecht, und nicht zuletzt die Richtung, in die es verschwunden war.

      Der Saurier grunzte, um das Rudel zum Mitkommen zu bewegen, und fing dann an, dem Geruch zu folgen.

      KAPITEL 8

       Smithsonian Naturkundemuseum, Washington DC

      Emma hatte eine Mission und eilte in Richtung der Sonderausstellung. Im Eiltempo hatte sie bereits einige wichtige Punkte ihrer Checkliste abgehakt. Ihr Plan nahm Formen an, und sie musste alles berücksichtigen, was bei der letzten Expedition schiefgegangen war. Klar, sie hatten im Grunde genommen einfach nur alles massiv unterschätzt, das war sicherlich ihr größter Fehler gewesen. Aber es gab gewisse Ressourcen, die ihre Chancen trotzdem verbessert hätten.

      Ihre Kiefer verkrampfte sich, als sie darüber nachdachte, wie naiv sie gewesen waren, als sie damals in Ricky's Diner gesessen hatten und sich beglückwünscht hatten, dass sie auf ein derart tolles Abenteuer aufbrechen würden. Sie waren einfach dumme Kinder gewesen, die der Meinung waren, etwas Geld, Enthusiasmus und jugendliche Entdeckerfreude wären genug. War es aber nicht, und nun waren sie fast alle tot.

      Sie knirschte so stark mit den Zähnen, dass es wehtat, doch endlich erreichte sie das Exponat, nach dem sie gesucht hatte. Schon beim bloßen Anblick begannen sämtliche Alarmglocken in ihr zu schrillen und sie bekam Herzrasen. Doch tapfer setzte sie einen Fuß vor den anderen.

      Was sie vor sich hatte, war die Rekonstruktion der riesigen Titanoboa, die größten je gefundenen Überreste einer Schlange. Sie war so breit wie ein Auto und von schlammbrauner Farbe. Die Spezialisten des Museums hatten in ihrer Darstellung eine Pose gewählt, in der die Schlange eine Art Antilope verschlang. Das Hinterteil war bereits in dem riesigen Maul verschwunden, das mit scharfkantigen Fangzähnen ausgestattet war. Emma spürte, wie ihr schwindelig wurde.

      Außer ihr waren noch zwei Leute da; ein junger Mann und eine junge Frau, die über den Körper der Schlange kletterten und kleine Schäden an den Malerarbeiten beseitigten. Als der Mann Emma bemerkte, unterbrach er seine Arbeit und ging lächelnd auf sie zu.

      »Ziemlich cool, oder?« Er wandte sich der Schlange zu und steckte die Hände in die Hosentaschen. »Diese Schlange lebte zur Zeit der Dinosaurier und hat sie wahrscheinlich zu Mittag gegessen.« Er drehte sich wieder um und grinste Emma an. »Wollen Sie wissen, wie wir darauf kommen?«

      Emma zuckte mit den Schultern. »Klar.«

      »Fossile Überreste von Regurgitation.« Emmas Augenbrauen gingen nach oben. »Versteinerte Kotze?« Sie legte den Kopf schief.

      »Genau. Wir haben zertrümmerte Dinoknochen gefunden, die vor ihrer Versteinerung verdaut worden waren. Die Größe der Bruchstücke hat uns zu der Erkenntnis gebracht, dass die Schlange sie zerbissen und heruntergeschluckt hat, um die dann wieder zu erbrechen.« Er kicherte. »Das machen Monsterschlangen manchmal.«

      »Tun wir das nicht alle?«, fragte Emma und lächelte zurück.

      »Stimmt«, lachte der junge Mann. »Das Komische ist nur, die Titanoboa hat die Dinosaurier um Millionen von Jahren überlebt. Wir wissen immer noch nicht, wieso.«

      Emmas Augen richteten sich auf das Modell. »Es ist zu klein«, sagte sie, wobei sie wie hypnotisiert wirkte.

      »Was ist zu klein?«, fragte er verblüfft.

      »Die Schlange ist zu klein, und der Körper war gestreift wie bei einem Tiger, nur in Grün und Braun.« Sie leckte sich über die Lippen, die auf einmal ganz trocken waren. »Und sie war viel muskulöser, sehniger, und sah insgesamt viel mächtiger aus.« Sie zog die Schultern hoch und nickte dann. »Aber es ist schon nahe dran. Ich verstehe ja, dass Sie nur ein paar wenige Knochen als Ausgangsbasis hatten.«

      Er starrte sie verwundert an und auch seine Kollegin hatte ihre Tätigkeit unterbrochen, um zuzuhören. Ihre Augen verengten sich. Sie wischte sich die Hände an einem Lappen ab und kam näher.

      »Sie sind Emma Wilson, oder?«

      Emma nickte und blinzelte. Ihren eigenen Namen zu hören hatte sie aus ihrer Trance geholt. »Ja, die bin ich.«

      Die Frau schüttelte ihren Kopf und wandte sich an ihren Kollegen: »Das ist die Frau, die behauptet hat, sie und ihre Freunde wären vor zehn Jahren im Amazonas von einer Riesenschlange angegriffen worden.« Ihre Lippen kräuselten sich.

      Emma verschränkte die Arme vor der Brust. »Und ihr beide müsst Andy und Helen Martin sein, die Paläontologen-Geschwister, die auch Spezialisten für Herpetologie sind.« Sie lächelte den jungen Mann an. »Gute Arbeit beim Fund der Fossilien von Borealopelta Mmarkmitchelli

      Andy grinste. »Danke. Es ist ein Verwandter des Ankylosauriers und ohne Zweifel das besterhaltene Exemplar der Welt. Sogar die Panzerplatten kann man noch sehen. Es ist unglaublich, wie …«

      Helen boxte im in die Seite und wandte sich wieder Emma zu. »Was können wir für Sie tun, Misses Wilson? Wir sind gerade etwas beschäftigt.«

      »Das verstehe ich«, antwortete Emma. Sie legte den Kopf schief. »Ich sehe, wie eure Augen leuchten, wenn ihr über eure herausragenden Funde redet. Und ich weiß, wie schwer es ist, Expeditionen finanziert zu bekommen. Schließlich findet man nicht jeden Tag etwas wirklich Bedeutendes.«

      Helen verkrampfte sich, doch Andy nickte.

      »Ich weiß nicht, was ihr über mich gelesen habt, aber ich kann es mir schon denken.« Emma schaute zwischen den beiden hin und her. »Die Sache ist die; meine Freunde und ich sind auf eine Expedition in den Amazonas aufgebrochen und wir haben dort etwas entdeckt, was ebenso faszinierend wie tödlich war. Wir haben versagt, weil wir alles unterschätzt haben, sowohl den Dschungel als auch die Tiere darin.« Emma musterte sie aufmerksam. »Wir gehen dorthin zurück, und dieses Mal werde ich alles mitnehmen, was ich brauche. Diesmal werde ich nichts unterschätzen.«

      Die beiden schauten Emma für einen Augenblick wie gebannt an, bevor sie sich einander zuwandten. Dann hob Helen ihr Kinn. »Ich schätze, du willst uns mitnehmen? Uns brauchst du also auch?«

      Emma zuckte mit den Schultern. »Ihr seid auf jeden Fall die ersten Experten, die ich frage. Das ist eine großartige Gelegenheit. Und überlegt es euch mal: Ich