Wyatt Earp Paket 1 – Western. William Mark. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: William Mark
Издательство: Bookwire
Серия: Wyatt Earp
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740942502
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ging leichter Regen nieder. Zischend fuhren die Tropfen in die Glut und ließen kleine Dampffontänen aufsteigen.

      Wyatt blickte in das Feuer.

      Der andere starrte trübe vor sich hin. Plötzlich verzerrte sich sein stoppelbärtiges Gesicht. »Du bist doch ein ganz verdammter Satan, Earp!« knurrte er. »Von einem Menschen hast du nicht viel. Erinnerst mich irgendwie dauernd an einen Holzheiligen, den wir bei uns in der Kirche stehen hatten.«

      Wyatt hob den Blick. Es war seit langem das erste Wort, das er sprach. »Oh, ich habe nichts von einem Menschen an mir? Aber du? He? Zum Beispiel, als du den armen kleinen Jungen unten vor Wittrup in die Brust geschossen hast. Oder als du den grünen Burschen vor dem Sheriff-Office in Howell abgeknallt hast, he? Oder als du den alten Mann oben in Cheyenne in der Kneipe zum Krüppel geschlagen hast – als du die Frauen unten in Wichita niederschossest und die Posthelfer, Väter mehrerer Kinder, einfach abknalltest. He? Halt bloß das Maul, Mensch, sonst ist es mit meiner Geduld zu Ende!«

      Nach einer Weile fragte Cassedy: »Was heißt Geduld? Unten in Dodge willst du mir doch einen Hanfstrick um die Gurgel legen lassen, nicht wahr!«

      »Sei still!«

      »Also wäre es von mir aus gesehen doch nur ein Gewinn, wenn ich an einer Kugel von dir vorher sterben würde. Strick ist gemein, ordinär. Etwas für vertierte Geschöpfe.«

      Wyatt hob erneut den Blick vom Feuer und suchte in dem grauen Gesicht des anderen. »Hör mal, Brother, raspele kein Süßholz, das schmeckt mir nicht. Es macht mir ohnehin nur ganz wenig Spaß, mit dir tagelang durch die Prärie zu ziehen.«

      Cassedy duckte den Kopf und schob ihn raubvogelartig nach vorn. »Vor allem nachts, was, Earp? Wenn man die Augen zumachen möchte – und nicht kann, weil drüben der andere liegt, der wach ist, nicht wahr?«

      Wyatt schob den Ast ins Feuer, daß die Funken aufstoben. »Dem kann ich sehr schnell ein Ende machen, fellow – indem ich dich nämlich ganz einfach ein bißchen fessele. Also spare deine Worte, sonst bringst du mich noch auf den Gedanken, dich den ganzen Ritt in Stricken machen zu lassen.«

      »Muß mich ja sowieso an den Strick gewöhnen«, versetzte der Bandit mit beißendem Hohn. »Da kommt es auf einen mehr oder weniger nicht an.«

      In der Nacht lag Wyatt wach und hielt den anderen im Auge. Mit übermenschlicher Anstrengung hielt er sich anderntags im Sattel.

      Als Cassedy, der in der Nacht gut geschlafen hatte, ironisch versetzte: »Heute nacht wird aber einer gut schlafen«, wandte Wyatt den Falben und trieb auch den Rappen westwärts auf eine Ansiedlung zu, die er oben von den Bergen aus gesehen hatte.

      Es gab in dem kleinen Ort keinen Sheriff, wohl aber einen sicheren Bau, wo man den Verbrecher für die Nacht unterbringen konnte.

      Wyatt überzeugte sich von der Stabilität der Gittertür und der Fenstergitter, dann nahm er den Schlüssel von dem Bürgermeister entgegen, ging in das kleine Colorado-Hotel und mietete sich ein Zimmer.

      In dieser Nacht schlief er wie ein Murmeltier.

      Als er am nächsten Morgen die Augen aufschlug, stand die Sonne schon hoch am Himmel.

      Er sprang aus dem Bett, wusch sich, kleidete sich an und lief noch vor dem Frühstück hinüber in das »Gefängnis«. Eine unerklärliche Unruhe hatte ihn erfaßt.

      Kaum hatte er die Tür aufgeschlossen, als er mit geweiteten Augen auf das Fenster blickte. Seine Gitterstäbe waren zersägt worden.

      Es war müßig, in der kleinen Stadt nach dem Mann zu fahnden, der dem Verbrecher zur Flucht verholfen hatte. Aber es mußte einen Menschen gegeben haben, der Silk Cassedy befreit hatte. Allein wäre er nie herausgekommen.

      Der Bürgermeister zog die Schultern hoch und wischte sich den Schreck von der Stirn. »Ich bedaure, Marshal, der Vorfall ist mir äußerst peinlich. Ich kann mir nicht denken, wer den Mann befreit hat. Immerhin war Silk Cassedy auch hier ein bekannter Bandenchef, vor dessen Rache die Leute…«

      Wyatt warf den Kopf herum. »Woher kannten Sie ihn?«

      »Ich kannte ihn überhaupt nicht«, rief der dickliche Mann und legte seine Wurstfinger auf seine zitronengelbe Weste. »Wie kommen Sie denn darauf, daß ich ihn gekannt habe?«

      »Sie haben doch eben seinen Namen genannt. Woher wußten Sie, daß es Silk Cassedy war?«

      Der Mann wurde um einen Schein bleicher. »Aber, Marshal, Sie haben mir doch den Namen selbst genannt!«

      »Nennen Sie mich nicht dauernd Marshal. Das ist das einzige, was ich Ihnen gestern schon gesagt habe. Ich bin ein einfacher Constabler! Und daß der Mann Silk Cassedy ist, wissen Sie nicht von mir.«

      Ein gewitztes Lächeln blinkte in den Augenwinkeln des dicken Ortsvorstehers. »Ja, jetzt weiß ich es. Ich weiß es sogar genau, Mr. Cassedy hat es mir selber gesagt…«

      Wyatt wich einen halben Schritt zurück. »Mr. Cassedy? Mister?«

      »Ja. Sie werden es nicht glauben, Marshal – eh, Mr. Earp, aber…«

      Wyatt winkte ab, ging hinüber ins Hotel, legte sein letztes Geld auf den blankgescheuerten Tisch der Rezeption und ritt davon.

      Zu allem Unglück stieß der Falbe auf der holprigen Mainstreet mit dem linken Vorderhuf gegen einen vorspringenden Stein, und gleich darauf klapperte ein Eisen.

      Mit einem unterdrückten Fluch lenkte der Constabler sein Pferd vor eine Schmiede.

      Mit rußgeschwärztem Gesicht blickte ihm ein knochendürrer, mittelgroßer Mann entgegen.

      »Na, Mister, was passiert?«

      Wyatt stieg ab. »Mein Pferd hat vorn links ein Eisen verloren.«

      »Ah, warten Sie eine halbe Stunde, dann habe ich das Rad hier fertig und kann mich gleich an das neue Eisen machen.«

      Wyatt trat von einem Fuß auf den anderen. Erstens hatte er keine Zeit und zweitens keinen Dollar mehr in der Tasche.

      »Hören Sie, Meister – ich… ich bin in einer verteufelten Lage. Ich kam gestern abend mit einem Verbrecher hier in den Ort. Er ist heute nacht ausgebrochen…«

      »Ah, dann sind Sie der Marshal aus Dodge City?«

      »Nein, das bin ich nicht. Ich bin Constabler aus Lamar. Der geflohene Bandit heißt Silk…«

      »… Cassedy, ich weiß«, versetzte der Schmied. »Wir kennen ihn hier. Er ist ein Bekannter unseres lieben Ortsvorstehers!«

      »Dachte ich mir’s doch!« preßte der Constabler durch die Zähne. »Höchstwahrscheinlich ist der Mann wieder nach Norden geflüchtet, dahin, woher wir gekommen sind.«

      »Setzen Sie sich doch einfach wieder auf seine Spur.«

      Der Schmied hatte den Hammer auf dem Amboß ruhen lassen, das glühende Eisenband in der Zange erkaltete zusehends.

      Wyatt hob beide Hände. »Der Huf, Mister…«

      »Ah, deshalb. Na dann…« Der Blacksmith warf den Reifen auf die rauchende Esse.

      Wyatt ergriff den hageren Mann am Arm. »Ich habe nicht einen Dollar mehr.«

      Der Schmied blickte ihn treuherzig an und winkte dann ab. »Macht nichts. Werden Sie eben ein wenig bei der Arbeit helfen!«

      »Worauf Sie sich verlassen können!«

      Nach einer halben Stunde galoppierte Wyatt aus der kleinen Ortschaft heraus auf die Straße nach Norden zu.

      *

      Nach einem Gewaltritt von anderthalb Tagen kam er völlig zerschlagen wieder in Cheyenne an.

      Der junge Sheriff konnte sich ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen, als Wyatt ihm von der Flucht des Verbrechers berichtete. Das einzige, was er zu bemerken hatte, war: »Na, dann kann ich ja die Meldung an den Marshal zurückbehalten!«

      Wyatt ging hinaus. Es hatte keinen