»Verschwinden Sie!«
»Kommen Sie raus, oder ich hole Sie!«
Es blieb still.
Da ging Wyatt vorwärts und hielt auf den umgestürzten Tisch zu.
»Bleib stehen!« knurrte ihm der Schießer entgegen. »Ich bin in einem Gunfight; da haben Sie mich nicht zu stören!«
Wyatt rief zurück: »Sie sind immer in einem Gunfight! Wir sind hier aber zufällig nicht in Texas. Schluß jetzt, kommen Sie raus.«
Ehe der Bandit etwas erwidern konnte, hatte Wyatt den Tisch zur Seite gestoßen.
Mannen hockte vor ihm am Boden, mit der Flinte in der Hand. »Sie haben mir die Deckung genommen. Die verdammten Kuhtreiber da drüben könnten mich jetzt abknallen wie einen Präriehasen…«
»Das wäre vermutlich das Beste!« lachte der Marshal ihm kühl entgegen. »Und jetzt raus! Alle!«
Higho warf ein großes Geldstück auf das Thekenblech und ging mit seinen Leuten hinaus.
Clements erhob sich.
»Vorsicht, Wyatt!« rief der Wirt. »Er ist nicht allein!«
Gyp Clements, ein mittelgroßer Mann mit einem Bullenbeißergesicht, sprang auf und riß Coster mit einem Faustschlag von den Beinen.
Wyatt ging langsam hinter die Theke.
»Natürlich, die ganze Clements-Brut ist hier versammelt! Los, Gentlemen, kommt raus!«
Da warf sich der unbeherrschte Gyp herum, um den Marshal anzugreifen.
Ein scharfer Ruf Mannens hielt ihn zurück. »Laß ihn, Gyp – er ist ein braver Polizeihund und tut nur seine Pflicht!«
Langsam zockelten die Brüder zur Tür.
Wyatt blickte ihnen nach. »Mannen!« rief er dann. »Ich rate Ihnen, in Zukunft Ihre Gunfights draußen im Camp abzuhalten!«
Der Treiber grinste höhnisch über die Schulter zurück.
*
Am Abend dieses Tages sollte Wichita einen Vorgeschmack dessen kriegen, was in nächster Zeit seiner wartete.
Gegen sechs Uhr waren etwa zwanzig Treiber, mit Mannen Clements und seinen Brüdern an der Spitze, in die Mainstreet eingeritten.
Diesmal hatten sie Wynn Porters »Grand Saloon« als Ziel auserkoren; es war das größte Gasthaus der Stadt. Ein großes, steinernes Eckhaus schräg gegenüber dem Sheriff-Office.
Die Cowboys zogen lärmend in den Schankraum ein.
Wyatt stand drüben im Office hinter dem Fenster. Er hatte die Hände in den Waffengurt gesteckt.
Der alte Marshal Jim Rooster saß hinten am Tisch und blickte besorgt vor sich hin.
Neben Wyatt stand ein junger flachsblonder Bursche, der ebenfalls den Stern auf der Brust trug. Es war Kid Kay, der neunzehnjährige Hilfsmarshal. Der blickte Wyatt an und meinte: »Sieht böse aus, was?«
Wyatt meinte ruhig: »Noch geht’s. Die gehören alle zusammen. Wenn nicht noch ein anderer Verein in die Stadt kommt…«
Und der kam genau in diesem Augenblick.
Jim Higho ritt mit sechzehn Reitern langsam durch die Mainstreet. Als er die Pferde vor dem Grand-Saloon sah, hielt er an.
»Boys – da sind wir richtig!« rief er.
Die Cowboys sprangen aus den Sätteln und zwängten sich in das Lokal.
Wyatt wollte zur Tür.
»Earp!« rief der alte Marshal.
»Yeah?« Wyatt wandte sich um.
»Was haben Sie vor?«
»Ich will hinübergehen und nach Möglichkeit vermeiden, daß die Treiber das Haus da einreißen.«
Kid Kay blickte hinter Wyatt her, wie er hoch aufgerichtet über die Straße schritt, geradewegs auf den Grand Saloon zu.
»Ob er keine Angst hat?« sagte der junge Mann mehr vor sich hin.
Rooster entgegnete halblaut: »Ich weiß es nicht. Jedenfalls ist er ein seltsamer. Mann.«
»Würden Sie da hinübergehen?« fragte der Bursche, ohne sich umzudrehen.
Rooster kratzte sich hinter dem Ohr. »Du fragst ein Zeug zusammen, Kid! Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich erst, wenn sie mich riefen.«
»Eben. Und ich kenne auch sonst keinen außer ihm, der vorher ginge.«
Indessen war Wyatt bei dem Saloon angelangt. Er stieß die Tür auf und blickte in den Raum. Augenblicklich herrschte lähmendes Schweigen um ihn her. Die sechsunddreißig Cowboys blickten stumm und verbissen vor sich hin.
Wyatt hatte Mannen Clements entdeckt. Er ging mit hartem Schritt direkt auf ihn zu. »Clements, ich möchte Sie noch mal an meine Worte von gestern erinnern. Vorsichtshalber. Vergessen Sie sie nicht.«
Der Treiber blickte den Marshal wütend an. Aber er sagte nichts.
Nur Gyp, der zweitälteste der Clements-Brüder, konnte sich wieder einmal nicht beherrschen. Er rief mit seiner kehligen Stimme: »Das war die Vogelscheuche von Wichita, Boys!«
Ein tosendes Gelächter brach los, in das auch die Higho-Cowboys mit einstimmten.
Wyatts Gesicht blieb unbewegt. Er ging hinaus.
Und das war die hauchdünne Minute, in welcher der Krieg von Wichita noch hätte vermieden werden können. Die Minute, in der Mannen Clements und Jim Higho gemeinsam lachten.
Aber Clements war ein bösartiger Mensch. Als er Higho lachen sah, erstarrte sein Gesicht zur Grimasse.
Die Theke war im nächsten Moment frei.
Nur Higho und er verharrten hölzern an den Enden.
Der Salooner fühlte, daß seine Knie zitterten. »Boys, ich bitte euch«, sagte der schwere Mann und hob seine fleischigen Hände, »wenn ihr was auszutragen habt, tut es draußen!«
Clements packte blitzschnell die Flasche, die neben ihm stand und schleuderte sie dem Salooner ins Gesicht.
Wynn Porters blutete scheußlich und torkelte zur Nebentür.
»Hiergeblieben!« brüllte Mannen hinter ihm her.
»Laß ihn raus!« rief Higho.
Mannen blickte den Trailboß kalt an. »Was geht das dich an, du stinkiger Kuhtreiber!«
Das war das Signal.
Die Massenschlägerei, die jetzt losbrach, war unbeschreiblich.
Als im Grand Saloon kein Stuhl mehr ganze Beine hatte und kein Tisch mehr aufrecht stand, wälzte sich der brüllende, stoßende, schiebende, schlagende und tobende Haufen hinaus auf den Vorbau und hinunter auf die Straße.
Die Bürger flohen entsetzt in ihre Häuser.
Und dann griff einer der Treiber nach dem Colt.
Es war Gyp Clements.
Higho hatte ihm gerade einen so harten Schlag in den Magen versetzt, daß der Treiber rot sah. Er riß den Colt heraus, und schon peitschte der erste Schuß los.
Das war das zweite Alarmsignal.
Wie wild krachten die Schüsse über die Mainstreet.
Wyatt stand mit zusammengebissenen Lippen drüben hinter der Fensterscheibe des Office.
Als er zur Tür rannte, brüllte Rooster: »Wohin, Wyatt? Bleiben Sie hier! Die schießen Sie zusammen wie einen Büffel!«
Wyatt lief hinaus, überquerte die Straße und rannte ins