Wie ein begossener Hund kroch der Mann auf sein Pferd und ritt die Straße hinunter.
Baxter blickte den als Pferdedieb gestellten Mann an.
»Du bist Jim Borett?« fragte er leise.
»Yeah – ich bin Jim Borett«, antwortete Jim schroff.
Der Rancher wischte sich über die Augen. Kaum hörbar sagte er:
»Du bist also nicht tot…«
»Wie du siehst, nicht.«
Baxter nickte. Dann sagte er:
»Vor drei Jahren hat einer deiner Kameraden Geld auf die Ranch geschickt. ›Von Jim Borett abgegeben‹ stand dabei.«
»Ich habe es geschickt. Aus Quincy.«
»Yeah, aus Quincy.«
Es blieb still.
Da mischte sich der Sheriff ein.
»Was soll nun geschehen, Mister Baxter? Sie kennen den Mann?«
»Ja, ich kenne ihn.«
»Er ist Ihr Freund?«
Der Rancher nahm den Hut ab und strich sich durch sein Haar.
»Yeah – und mehr als das.«
Wie von weither kamen diese Worte an Boretts Ohr.
Er sah die schwielige Hand, die Cass ihm entgegenstreckte. Und sah darüber hinweg.
Cass blickte ihm in die Augen.
»Jim«, sagte er dumpf, »wir hatten dich für tot gehalten.«
Jim rührte sich nicht. »Wer – wir?«
»Alle. Der Krieg war drei Jahre aus und nun sind es schon mehr als fünf Jahre.«
»Ich weiß.«
»Du bist nicht heimgekommen.«
»Stimmt.«
Da wandte sich der Sheriff um und schob die Gaffenden auseinander.
»Los, geht heim. Hier haben wir nichts mehr zu suchen!«
»Wird er denn nicht aufgehängt?« rief ein kleines Männchen mit kahlem Schädel und klapperdürrer Gestalt. Lüstern blickte es nach dem Strick, den der Rancher noch in seiner Linken hatte.
»Verschwinden sollst du, Alter!« herrschte ihn der Sheriff an und stampfte auf sein Office zu.
Die beiden einstigen Freunde standen allein auf der Straße. Mitten in der großen Regenlache.
Cass wischte sich wieder durch sein verwittertes Gesicht.
»Du hast mich gesucht?«
»Yeah.«
Cass nickte und blickte den anderen an.
Lange Sekunden verstrichen.
Endlich sagte der Rancher: »Komm, wir reiten weg.«
Jim blieb stehen. »Wohin?«
»Auf die Ranch.«
»Auf deine Ranch.«
Cass nahm den Arm des einstigen Freundes.
»Es ist ab heute auch deine Ranch, Jim!«
Über das gegerbte Gesicht Boretts kroch ein böses Lächeln.
»Auch meine!« wiederholte er hart. – Baxter biß die Zähne zusammen.
»Jim, es ist ein halbes Jahrzehnt vergangen.«
»Ich weiß.«
»Wir sind Männer. Was geschehen ist, ist geschehen. Wir müssen jetzt versuchen, das beste daraus zu machen.«
Jim versetzte rostig: »Nein, Cass – es sind Dinge geschehen, die nicht mehr zu ändern sind.«
»Yeah.«
»Ich habe Clint Walker niedergeschossen.«
Stille.
In Baxters Gesicht arbeitete es fieberhaft. »Das ist doch nicht wahr!«
»Doch, ihn und einen kleinen Cowboy. Und in Sterling-Town habe ich einem Sheriff den Schädel zertrümmert, weil ich glaubte, er hatte schon meinen Steckbrief.«
In den Augen des Ranchers stand ein Flackern. »Das hast du nicht getan!«
»Ich habe es getan!«
»Weshalb?«
»Da fragst du noch?«
Cass schluckte. Er war plötzlich blaß geworden und schien in diesen wenigen Minuten um Jahre gealtert zu sein.
»Wegen Nancy?« fragte er stockend.
»Yeah!« stieß Jim wild hervor. »Wegen Nancy – und wegen dir. Wegen zwei Menschen, die zu Verrätern an mir geworden sind.«
Die Brust des Ranchers hob und senkte sich. Schließlich brach es aus ihm heraus:
»Jim, ich habe sie verehrt! Weil es deine Frau war…«
Borett starrte ihn entgeistert an.
»Und weil ich sie nicht allein lassen wollte, habe ich sie geheiratet und mitgenommen. Du weißt doch, daß ich immer Zum Walnut-Creek hinauf wollte.«
Heiser brach es von Boretts Lippen:
»Yeah, das weiß ich.«
Schwere Regentropfen fielen in die Wasserlache, benetzten die beiden Männer, die immer noch mitten auf der Straße standen.
Und plötzlich hatte Jim Borett seinen Revolver in der Faust. Seine Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepreßt.
Cass Baxter sah wie gelähmt in dieses Gesicht.
»Jim!«
»Was willst du noch?« zischte Borett heiser.
»Komm mit. Ich… ich helfe dir… Ich bringe dich weg. Nach Montana hinauf.«
»Montana?« kam es hart zurück. »Was soll ich da? Ich bin ein Mörder, ein Outlaw…«
»Ich bringe dich zu einem Freund hinauf nach Montana. In ein Waldcamp, da sucht dich niemand…«
Boretts Faust spannte sich um den Revolver.
»Verkriechen soll ich mich. Weil du mich betrogen hast? Du und sie!«
Baxter sah sich um.
»Sprich nicht so laut! Es geht die Leute nichts an…«
»Nein, sie dürfen natürlich nicht wissen, daß dein ehemaliger Boß und Freund ein Sheriffmörder ist, ein Bandit, ein ganz verdammter Tramp, dem du die Ranch und die Frau genommen hast!«
In Baxters Augen blitzte es auf. Dann sauste plötzlich seine Faust an die Kinnspitze Boretts.
Ehe der zusammensank, fing der Rancher ihn auf und brachte ihn zu der Vorbautreppe.
Neugierig schob sich der Wirt langsam heran.
»Er ist krank und betrunken«, sagte Baxter rauh. »Leihen Sie mir Ihren Wagen, Tom!«
»Sicher. Ich lasse ihn aus der Scheune holen. Bringen Sie den Mann inzwischen durch die Bar in den Hof…«
Wenige Minuten später verließ Cass Baxter die Stadt durch eine Nebengasse.
Zwischen Strohballen hinten auf dem Wagen lag Jim Borett, sein Freund.
Das Rumpeln und Stoßen des Wagens riß den Betäubten bald aus seiner Ohnmacht. Er richtete sich auf und sah vorn auf dem Kutschbock die breite Gestalt des Ranchers.
Mit einem Ruck war er hoch.
Ein gewaltiger Hieb – und Cass Baxter sank lautlos zur Seite.