So voll von Kummer als das Meer voll Sand,
Mit mir zu gehn und mir Geleit zu geben;
Wo nicht, so hehle, was ich dir gesagt,
Daß ich allein das Abenteuer wage.
Eglamour.
Fräulein, mich jammert eure Kümmerniss,
Und da ich sie in Tugend weiß gegründet,
So bin ich gern bereit mit euch zu reisen;
So wenig achtend was mich treffen könnte
Als ich von Herzen eure Wohlfahrt wünsche.
Wann wollt ihr fort?
Silvia.
Sobald der Abend kommt.
Eglamour.
Wo treff ich euch?
Silvia.
In Bruder Patriks Zelle,
Wo ich zuvor zur heilgen Beichte gehe.
Eglamour.
Ich werd euch nicht verfehlen, Fräulein: Guten Morgen!
Silvia.
Habt guten Morgen, werther Eglamour!
(Beide ab.)
VIERTER AUFTRITT
Ebendaselbst.
Lanz tritt auf mit seinem Hunde.
Lanz.
Wenn eines Menschen Diener sich wie ein Hund gegen ihn beträgt, seht, das geht einem nahe: Einer, den ich von Kindesbeinen erzogen habe; einer, den ich vom Ertrinken gerettet habe, als drei oder vier von seinen blinden Brüdern und Schwestern dran glauben musten: Ich hab ihn abgerichtet gerade wie sich Einer vornehmen möchte: so will ich meinen Hund abrichten. Ich ward geschickt, ihn der Fräulein Silvia als ein Geschenk meines Herrn zu überbringen, und kaum bin ich ins Eßzimmer getreten, so läuft er mir zu ihrem Teller und stiehlt ihr einen Kapaunenschenkel. O das ist ein böses Ding, wenn ein Hund sich nicht in allen Gesellschaften zu benehmen weiß: Ich möchte gern, versteht ihr, daß Einer, der es auf sich nimmt, ein rechter Hund zu sein, nun auch, sozusagen, ein Hund in allen Stücken wäre. Hätt ich nicht mehr Witz gehabt als er und den Fehler auf mich genommen, den er begangen hatte, ich glaube wahrhaftig, er wär gehängt worden: so wahr ich lebe, er hätt es ausbaden müßen. Urtheilt selbst: da schiebt er sich ein in die Gesellschaft von drei oder vier wohlgeborenen Hunden unter des Herzogs Tafel; da hatte er, mit Respect zu melden, kaum einen Piss lang gesteckt, so roch ihn schon das ganze Zimmer. Hinaus mit dem Hund, ruft der Eine; was ist das für ein Beest? sagt der Andre; peitscht ihn hinaus, sagt der Dritte; hängt ihn auf, sagt der Herzog. Ich, der mit seinem Geruch schon früher Bekanntschaft gemacht hatte, merkte gleich, daß es Krabb war und geh euch zu dem Kerl, der die Hunde peitscht: Freund, sag ich, wollt ihr den Hund da peitschen? Ja, zum Henker, das will ich, sagt er. Ihr thut ihm groß Unrecht, sag ich; ich war es, der das Ding that, das ihr wißt. Da peitscht er mich ohne Umstände zur Thür hinaus. Wie viel Herrn würden das für ihren Diener gethan haben? Ja, ich kanns beschwören, ich hab im Stock geseßen für Würste, die er gestohlen hat, sonst wär es ihm an die Haut gegangen; ich hab am Pranger gestanden für Gänse, die er todt gebißen; sonst hätt Er dafür leiden müßen: daran denkst du jetzt nicht mehr! – Ja und nun fällt mir der saubere Streich ein, den du mir spieltest, als ich von Fräulein Silvia Abschied nahm. Befahl ich dir nicht, auf mich Acht zu geben und es zu machen wie ich? Wann hast du gesehen, daß ich mein Bein aufhob und mein Waßer abschlug gegen eines Fräuleins Crinoline? Hast du je solche Streiche von mir gesehen?
(Proteus und Julie treten auf.)
Proteus.
Sebastian ist dein Name? Du gefällst mir.
Ich will dich gleich zu einem Dienst verwenden.
Julie.
Was euch beliebt; ich will thun was ich kann.
Proteus.
Das, hoff ich, wirst du. – (Zu Lanz.) Nun, nichtswürdger Tölpel,
Wo bummelst du umher jetzt seit zwei Tagen?
Lanz.
Je, Herr, ich brachte Fräulein Silvia, wie ihr befahlt, den Hund.
Proteus.
Was hat sie denn gesagt zu meinem Kleinod?
Lanz.
Je, Herr, sie sagte, euer Hund wär ein Köter, und meinte, ein hündischer Dank wär gut genug für solch ein Geschenk.
Proteus.
Aber nahm sie meinen Hund?
Lanz.
Nein, wahrlich, das that sie nicht: hier hab ich ihn wieder mitgebracht.
Proteus.
Was? brachtest du ihr diesen da von mir?
Lanz.
Ja; das andere Eichhörnchen wurde mir auf dem Markt von des Henkers Leuten gestohlen, und da schenkt ich ihr meinen eigenen, und das ist ein Hund wohl so dick als zehn von den eurigen: darum ist auch das Geschenk desto größer.
Proteus.
Geh, scher dich fort und bring mir meinen Hund,
Sonst komm mir nie mehr vor das Angesicht.
Hinweg, sag ich: stehst du hier, mich zu ärgern?
Ein Schuft, der stäts mir nichts als Schande macht.
(Lanz ab.)
Sebastian, dich nahm ich in den Dienst,
Theils weil ich einen solchen Knaben brauche,
Der mein Geheiß mit einger Einsicht thut,
Denn kein Verlaß ist auf den dummen Bengel;
Doch mehr um dein Gesicht und dein Betragen,
Die, wenn mich meine Kennerschaft nicht trügt,
Von zarter Herkunft, Glück und Treue zeigen:
Dieß merke dir, daß ich dich darum nahm.
Geh nun sogleich und nimm den Ring mit dir
Und überbring ihn Fräulein Silvia;
Sie liebte sehr mich, die mir ihn geschenkt.
Julie.
Ihr liebtet sie wohl nicht, daß ihr ihn weggebt.
Sie ist wohl todt?
Proteus.
Das nicht; sie lebt noch, glaub ich.
Julie.
So weh mir!
Proteus.
Weshalb rufst du: weh mir?
Julie.
Ich muß sie wohl beklagen!
Proteus.
Warum beklagst du sie?
Julie.
Weil mich bedünkt, sie hat euch so geliebt
Als ihr jetzt dieses Fräulein Silvia liebt.
Sie träumt von ihm, der sie vergeßen hat;
Ihr brennt für sie, die euch nicht lieben mag.
O Jammer, daß die Liebe so sich ausweicht!
Wenn ichs bedenke, muß ich »weh mir!« rufen.
Proteus.
Gut, gieb ihr diesen Ring und auch zugleich
Den Brief; hier ist ihr Zimmer. – Sag dem Fräulein, Ich fordr ihr himmlisch Bild, das sie versprochen. Ist das gethan, so komm zu meiner Kammer; Du wirst mich traurig da und einsam