Der Bergpfarrer Paket 3 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740960018
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mal«, vernahm er Sebastians Stimme. »Wohlers? Oder Walters…? Nein ich bin sicher, der hieß Wohlers, Günther mit Vornamen.«

      Der Polizist zweifelte nicht an der Richtigkeit der Angabe. Sein Bruder hatte ein hervorragendes Gedächtnis und erinnerte sich oft an Dinge und Namen, von denen er vor Jahren gehört hatte.

      »Gut, versuch ich’s halt noch einmal«, sagte er. »Ich meld’ mich gleich wieder.«

      Er legte den Hörer auf die Gabel zurück und setzte sich vor den Computer. Schnell hatte er sich wieder in das Programm gewählt und den Namen eingetippt. Es dauerte keine drei Sekunden, bis das Ergebnis der Suchanfrage auf dem Bildschirm erschien.

      Max las einmal, dann noch mal und pfiff schließlich leise durch die Zähne.

      »Ach, da schau her…«, murmelte er und schob seinen Stuhl zurück.

      Sebastian und seine Haushälterin saßen noch beim Frühstück, als der Polizeibeamte hereinkam.

      »Möchtest noch eine Semmel mitessen?« fragte der Geistliche.

      Max schüttelte den Kopf. Zum Mittag- und Abendessen kam er ins Pfarrhaus, das Frühstück nahm er gewöhnlich zu Hause in seiner kleinen Wohnung ein, die über dem Revier lag.

      »Dank’ schön«, erwiderte er. »Bloß einen Kaffee.« Er holte sich eine Tasse aus dem Küchenbüfett und bediente sich an der Kaffeemaschine.

      »Was hast herausgefunden?« erkundigte sich Sebastian Trenker, nachdem Max sich gesetzt hatte. »Ist der Herr Wohlers polizeilich gemeldet?«

      »Das ist er«, nickte sein Bruder. »In der Justizvollzugsanstalt München Stadelheim.«

      »Was?« staunte der Bergpfarrer. »Der sitzt ein?«

      »Jawohl«, antwortete Max. »Und zwar schon seit geraumer Zeit. Genauer gesagt, seit eineinhalb Jahren und so wie’s ausschaut, wird er auch noch ein Weilchen auf Staatskosten Urlaub machen.«

      »Aber warum denn?«

      »Oh, da kommt einiges zusammen«, winkte der Polizist ab. »Betrug, Urkundenfälschung und Heiratsschwindel sind nur ein kleiner Auszug aus seinem Strafregister. Der Herr Wohlers ist ein ziemlich krimineller Bursche, möcht’ ich sagen.«

      »Heiratsschwindel?« sagte Sebastian nachdenklich. »Dann hat er die Resl wohl auch getäuscht.«

      »Da bin ich sicher«, pflichtete Max bei. »Von wegen reicher Mann. Reiche Frauen hat er sich gesucht und sie mit irgendwelchen Lügengeschichten dazu gebracht, daß sie ihm ihr ganzes Geld gaben. Eine hat ihn angezeigt und als das publik wurde, haben sich weitere sechs gemeldet, die auf ihn hereingefallen sind.«

      Sebastian schüttelte den Kopf.

      »Nur, was hat er dann von der Resl gewollt’?« überlegte er. »Gut, ihre Eltern sind net arm. Aber sie selbst hat doch gar kein Vermögen, abgesehen von einem kleinen Sparguthaben, wie der Birkenbauer mir damals erzählt hat.«

      Max hob die Arme.

      »Wer weiß«, meinte er, »vielleicht hat er die Resl ja wirklich geliebt. Sowas soll’s ja geben.«

      Der Bergpfarrer trank seinen Kaffee aus.

      »Nun gut, wenn wir jetzt auch wissen, wo dieser Herr sich aufhält, sagt uns das noch nix darüber, wo Resl steckt.«

      »Also, ich bin mir sicher, daß sie in München lebt«, sagte Max. »Und offenbar kennt sie sich dort auch ganz gut aus, zumindest in der Gegend, in der das Hotel steht. So schnell wie sie verschwunden war.«

      Er sah seinen Bruder an.

      »Was hast jetzt vor?«

      Sebastian Trenker erwiderte den Blick.

      »Ich fahr’ nach München«, antwortete er. »Ganz klar. Aber vorher mach ich einen Besuch bei Bischof Meerbauer.«

      Max machte große Augen.

      »Beim Bischof?« fragte er. »Was willst’ denn von dem?«

      Der gute Hirte von St. Johann schmunzelte. »Zufällig weiß ich, daß der gute Ottfried Meerbauer einen Bruder hat, der in bayerischen Justizministerium arbeitet. Ich möcht’ ihn bitten, daß er mir schnell und unbürokratisch eine Besuchserlaubnis beschafft.«

      »Du willst Günther Wohlers besuchen?« staunte sein Bruder. »Was versprichst du dir davon?«

      »Ich weiß es noch net«, antwortete Sebastian Trenker. »Vielleicht kann er mir einen Hinweis auf Resl geben. Außerdem überbrück’ ich so die Zeit, falls er wirklich nix über sie weiß. Vor dem Abend hat’s ja keinen Sinn, nach Resl zu suchen.«

      »Dann willst also im Hotel sitzen und darauf warten, daß sie dort tatsächlich wiederauftaucht?«

      Der Geistliche nickte.

      »Ich hab’ wohl keine andere Wahl.«

      *

      Es war nicht das erste Mal, daß Sebastian Trenker ein Gefängnis betrat. Schon öfters hatte er Strafgefangene besucht und ihnen seelsorgerisch zur Seite gestanden. Aber es war doch immer wieder eine seltsame Atmosphäre, die ihn umfing, sobald er durch die Sicherheitsschleuse gegangen war.

      Bischof Meerbauer hatte nicht schlecht gestaunt, als Sebastian ihn mit seiner Bitte überfiel. Allerdings kannte der Vorgesetzte den Bergpfarrer gut genug, um zu wissen, daß dieser eine bestimmte Absicht verfolgte. Er ließ sich kurz schildern, worum es ging und telefonierte dann mit seinem Bruder.

      Das Gespräch dauerte keine zehn Minuten. Wilfried Meerbauer bekleidete eine sehr hohe Stellung in dem Ministerium und versicherte, daß eine Besucherlaubnis in Stadlheim bereitliegen würde.

      Ein Vollzugsbeamter nahm Sebastian Trenker in Empfang. Auch wenn er Geistlicher war, so mußte er doch die übliche Prozedur über sich ergehen lassen. Allerdings nahm der Beamte nicht ernsthaft an, daß der Besucher etwas in das Gefängnis hineinschmuggeln wollte. Er führte Sebastian in einen Raum, in dem neben dem Tisch, zwei Stühle und eine Bank standen, und bat ihn, einen Moment zu warten.

      Der Seelsorger trat an das Fenster. Es führte zwar zum Gefängnishof hinaus, dennoch hatte es eine Scheibe aus schlagfestem Glas und war von außen vergittert.

      Lange mußte Sebastian nicht warten, dann wurde die Tür geöffnet, und der Vollzugsbeamte führte den Häftling herein. Der Bergpfarrer drehte sich um und erkannte den Mann sofort wieder.

      Günther Wohlers trug Anstaltskleidung, das Gesicht war blaß und drückte Unverständnis aus.

      »Grüß Gott«, sagte Sebastian. »Ich bin Pfarrer Trenker. Setzen S’ sich doch.«

      Der Beamte nahm auf der Bank Platz, der Gefangene setzte sich auf einen Stuhl, der Geistliche sich ihm auf der anderen Seite gegenüber.

      »Man hat mir gesagt, daß Sie mit mir sprechen wollen«, sagte Günther Wohlers. »Worum geht’s denn?«

      »Ich komm aus St. Johann.«

      Bei diesen Worten schien es, als blitzte es für einen winzigen Moment in den dunklen Augen des Mannes auf. Er nickte.

      »Kenn ich. Ein hübscher Ort.«

      »Ja, Sie waren mal dort«, sagte Sebastian. »Herr Wohlers, ich will net lang um den heißen Brei herumreden. Mein Besuch hat nix mit dem zu tun, weswegen Sie hier einsitzen. Ich bin hergekommen, weil ich mir von Ihnen einen Hinweis erhoff. Als Sie seinerzeit in St. Johann waren, haben S’ eine junge Frau kennengelernt, die Resl Birkner. Sie ist mit Ihnen nach München gegangen. Ich hätt’ von Ihnen gern gewußt, wo ich die Resl jetzt finden kann.«

      Günther Wohlers zog ein Päckchen Tabak aus der Tasche seiner Anstaltsjacke.

      »Stört’s Sie, wenn ich rauche?« fragte er.

      Der Geistliche schüttelte den Kopf.

      »Nein«, erwiderte er. »Es ist zwar net gesund, aber das müssen S’ selbst wissen.«