Der Bergpfarrer Paket 3 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740960018
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      Vierzehn Tage später machte sie sich auf den Weg. Sabine Gründler, eine Freundin, versprach, sich in der Zeit um das Haus zu kümmern. Die beiden Frauen kannten sich, seit Carla in der Praxis angefangen hatte. Sie unternahmen oft etwas zusammen. Zu diesem Freundeskreis gehörten noch zwei weitere Kolleginnen und deren Partner. Es war ein lustiger Haufen, der immer viel Spaß hatte.

      Es war schon ein merkwürdiges Gefühl gewesen. Je näher sie St. Johann kam, um so vertrauter schien ihr alles, was sie sah. Obwohl sie noch nie in ihrem Leben hier gewesen war.

      Das ist also die Heimat meiner Eltern, ging es ihr durch den Kopf, als sie durch den Ort fuhr.

      Was sie sah, sprach sie an. Die typischen Häuser mit ihren Lüftlmalereien, die Kirche mit ihrem schlanken Turm, und die vielen Einheimischen, die so bajuwarisch aussahen, als wären sie einem Ferienkatalog, der für die oberbayerische Region warb, entsprungen.

      Aber es gab auch viele Touristen, die unschwer an ihren umgehängten Fotoapparaten und Videokameras zu erkennen waren. Offensichtlich war St. Johann ein beliebter Ferienort, wie ja auch die Tatsache bewies, daß man ohne Glück keine Unterkunft bekommen konnte, wenn man nicht rechtzeitig reserviert hatte.

      Doch sie hatte dieses Glück gehabt, und jetzt saß Carla Brinkmann in ihrem Pensionszimmer und überlegte ihre nächsten Schritte.

      Um auf das Rathaus zu gehen, war es wohl schon zu spät. Dort war sicher schon geschlossen. Vielleicht war es aber auch besser, wenn sie nicht sofort loslegte, sondern erst einmal ankam, sich von der Fahrt erholte und dann einen kleinen Spaziergang durch den Ort unternahm.

      Auf dem Tisch lagen Prospekte. Carla nahm einen zur Hand und schlug ihn auf. Der Urlaubsort St. Johann wurde darin gepriesen, und die malerische Umgebung herausgestellt. Sie las, was man alles unternehmen konnte, um die Ferien zu gestalten, und wenn sie nicht aus einem ganz bestimmten Grund hierher gekommen wäre, dann hätte sie sich auf ein erfrischendes Bad im Achsteinsee gefreut, ganz sicher eine Bergwanderung geplant und die Besichtigung einer Sennerei, in der Bergkäse hergestellt wurde.

      Doch das alles kam nicht in Frage. Später vielleicht, wenn sie ihre Nachforschungen betrieben und abgeschlossen hatte, und der Urlaub dann noch nicht vorüber war.

      Es war später Nachmittag, als sie die Pension verließ und durch den Ort spazierte. Carla schaute sich neugierig um, aber es waren nicht die Häuser, die sie betrachtete, sondern vielmehr die Menschen, die ihr begegneten. In jedem Gesicht forschte sie nach, ob sie vielleicht Ähnlichkeiten mit sich oder der Mutter entdeckte. Wie ihr richtiger Vater ausgesehen hatte, wußte sie ja leider nicht, aber es war schon eine sehr aufregende Vorstellung, daß unter den vielen Leuten, die sie sah, vielleicht ein Verwandter von ihr sein könnte.

      In dem nicht sehr großen Einkaufszentrum gab es viele kleine Läden, unter anderem auch ein Geschäft, in dem man Ansichtskarten und Souvenirs kaufen konnte. Carla suchte ein paar Karten mit hübschen Motiven aus und ging dann weiter zum Kaffeegarten des Hotels, an dem sie vorübergekommen war. Dort saßen viele Gäste unter hohen Kastanien und ließen sich die hausgemachten Torten und Eisspezialitäten schmecken. Sie fand einen freien Tisch und bestellte bei der Bedienung einen Milchkaffee. Während sie ihn genoß, schrieb sie an Onkel Heinrich eine Karte. Er hatte darum gebeten, um sicher zu sein, daß seine Nichte gut angekommen war.

      Während sie schrieb und ab und zu einen Schluck trank, hatte Carla das Gefühl, beobachtet zu werden. Sie sah auf und schaute sich um.

      Das Gefühl mußte sie wohl getäuscht haben, denn die Gäste schienen alle mit sich selbst beschäftigt zu sein.

      Allerdings hatte sie den jungen Mann übersehen, der in einer Ecke saß und sie die ganze Zeit schon im Auge hatte. Als er jetzt ihren suchenden Blick bemerkte, vertiefte er sich wieder in seine Zeitung und tat, als lese er intensiv darin…

      *

      Florian Wagner saß schon geraume Zeit im Kaffeegarten, als die hübsche dunkelhaarige Frau sich an den Tisch setzte, den er von seinem Platz aus noch gerade so im Blickfeld hatte. Der junge Bursche war sofort von ihr fasziniert. Dabei wartete er eigentlich auf Annette Hamberger, die schon längst hätte Feierabend haben müssen. Zwischendurch war sie zu ihm gekommen und hatte ihn vertröstet.

      »Tut mir leid, Flori’, aber die Christel hat sich krank gemeldet. Bis sechs muß ich noch.«

      »Net weiter schlimm.« Er schüttelte den Kopf. »Ich hab’ ja meine Zeitung.«

      Die Haustochter des Hotels »Zum Löwen« lächelte.

      »Ich bring’ dir noch einen Kaffee. Dann geht die Zeit schneller um.«

      Florian hatte genickt und sich wieder der Tageszeitung gewidmet, doch als dann die unbekannte Schöne den Kaffeegarten betrat, da war es mit der Konzentration bei ihm vorbei. Zwar sah er sie nur von der Seite, aber gerade das Profil war es, das ihn ungemein an das alte Bild erinnerte, das zu Hause in der Diele hing.

      Eine Zeitlang überlegte er, ob er aufstehen und sie einfach ansprechen sollte. Doch dann unterließ er es.

      Was hätte er auch sagen sollen?

      »Entschuldigen S’, aber bei uns zu Haus hängt ein Bild, und die Frau darauf schaut Ihnen ähnlich. Möchten S’ sich das vielleicht mal ansehen?«

      Wahrscheinlich hätte sie ihn ausgelacht und seine Frage einfach als plumpen Annäherungsversuch abgetan.

      Bestimmt handelte es sich ohnehin nur um einen Zufall, überlegte er. Die Frau war sicher eine Urlauberin und hatte mit dem Bild, es war ein Ölgemälde, das schon sehr alt aussah, überhaupt nichts zu tun.

      Aber fesch war sie, die Unbekannte, dachte er und schaute noch intensiver hinüber.

      Als sie sich dann plötzlich umsah, versenkte er seinen Blick wieder in die Zeitung und schielte vorsichtig über den Rand.

      Während die Frau sich wieder umgedreht hatte, beobachtete Florian sie weiterhin. Leider kam bald darauf Annette zurück und verkündete freudestrahlend, daß sie endlich Feierabend habe.

      Der junge Bursche nickte nur. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er gerne noch ein Weilchen gewartet…

      Seine Freundin hakte sich bei ihm unter. Als sie an dem Tisch vorbeikamen, an dem die Frau saß, schaute sie kurz auf, und für den Bruchteil einer Sekunde begegneten sich ihre Blicke, ehe Florian und Annette den Kaffeegarten verließen.

      »Was machen wir denn Schönes?« wollte das Madl wissen. »Ich hätt’ Lust, in die Stadt zu fahren. Vielleicht ins Kino und hinterher zum Italiener?«

      Florian nickte zustimmend, innerlich war er allerdings weniger begeistert. Seit es zwischen ihm und Annette gefunkt hatte, das war auf dem Tanzabend im Löwen gewesen, belegte sie ihn ständig mit Beschlag. Dabei war es von seiner Seite her eher ein heftiger Flirt gewesen. Annette wollte indes mehr von dem gutaussehenden Bauernsohn.

      Eine feste Beziehung!

      Danach stand Florian allerdings gar nicht der Sinn. Aber irgendwie traute er sich nicht, dem Madl reinen Wein einzuschenken. Andererseits machte es auch Spaß, mit ihr zusammen zu sein. Sie war lustig und quirlig, sah gut aus, und wenn sie zusammen ausgingen, registrierte Florian mit Genugtuung die neidischen Blicke der anderen Burschen.

      Der Film, ein amerikanischer Actionthriller, war sicher sehr spannend, allerdings gelang es Florian kaum, sich auf das Geschehen auf der Leinwand zu konzentrieren. Ständig hatte er das Bild der unbekannten Schönen vor Augen und konnte an nichts anderes denken als an die frappierende Ähnlichkeit der Frau mit dem Gemälde zu Hause.

      Nach dem Kino gingen sie in ihre Lieblingspizzeria. Francesco, ein kleiner hagerer Italiener, begrüßte sie persönlich. Der Besitzer des Lokals, das direkt in der Fußgängerzone lag und großen Zulauf hatte, legte Wert auf frische Zutaten, und der Pizzateig wurde eigenhändig von ihm geknetet und in Form gebracht.

      Florian bestellte für sich allerdings nur eine kleine Portion Spaghetti ›frutti di mare‹. Er hatte keinen großen Appetit. Auf dem Weg vom Kino hierher hatte Annette vorgeschlagen, am Sonntagnachmittag ihre Eltern