Der Bergpfarrer Paket 3 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740960018
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      »Grüß Gott, Frau Erbling«, erwiderte Sebastian. »Wie ich seh’, sind S’ ja wieder ganz gesund.«

      »Ja, das Mittel vom Herrn Doktor hat ganz wunderbar geholfen«, strahlte die Frau.

      Der Geistliche, der ja wußte, um welches Mittel es sich handelte, verkniff sich ein Schmunzeln.

      »Das ist schön«, nickte er. »Aber Sie wissen schon, daß Sie sich viele Schmerzen hätten ersparen können, wenn S’ den Dr. Wiesinger gleich zu Hilfe gerufen hätten, anstatt sich auf das Zeugs vom Brandhuber zu verlassen…«

      Maria Erbling senkte beschämt den Kopf.

      »Wann werden S’ denn endlich gescheit«, tadelte Sebastian trotzdem weiter. »Sie haben doch schon oft genug am eigenen Leib erfahren müssen, daß diese angeblichen Wundermittel nix taugen.«

      Er hob abwinkend die Hand.

      »Aber Sie müssen schon selbst wissen, ob Sie Ihr Geld zum Fenster hinauswerfen wollen. Allerdings ist das auch gar net der Grund, warum ich Sie überhaupt ansprech’. Ich wollt’ Sie vielmehr an was erinnern…«

      »Mich, Hochwürden?« fragte die Witwe erstaunt. »An was denn?«

      »An das achte Gebot.«

      Sie schaute ihn unsicher an.

      »Das… achte… Gebot…?«

      Der Bergpfarrer beugte sich vor.

      »Sie werden’s doch net vergessen haben?« fragte er. »Sie, die fleißige Kirchgängerin?«

      »Nein, nein«, versicherte sie kopfschüttelnd. »Nur im Moment, da…«

      »Du sollst net falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten, lautet es«, half Sebastian ihr auf die Sprünge. »Frau Erbling, mir ist zu Ohren gekommen, daß Sie das Gerücht in Umlauf bringen, auf dem Pahlingerhof würden der Wolfgang und die Sonnenleitner-Kathrin in wilder Ehe zusammenleben. Ich muß Sie dringend bitten, so etwas net mehr zu behaupten. Was die beiden verbindet, ist ein ganz normales Arbeitsverhältnis. Die Kathrin steht beim Wolfgang in Lohn und Brot, wie zigtausend andere Mägde auf zigtausend anderen Höfen auch. Also überlegen S’ sich besser, was Sie erzählen, damit die beiden Sie net noch wegen übler Nachrede verklagen.«

      Maria Erbling war ganz blaß geworden.

      »Aber, Hochwürden, ich versichere Ihnen…«

      »Tun Sie’s net«, schnitt er ihr das Wort ab. »Gehen S’ in sich oder, noch besser, in die Kirche und beten S’ drei Ave Maria. Und jetzt entschuldigen S’ mich, bitte schön.«

      Er nickte ihr einen Gruß zu und ließ sie stehen.

      Normalerweise drückte der gute Hirte von St. Johann schon mal ein Auge vor den kleinen Sünden seiner Schäfchen zu. Doch in diesem Fall schien es ihm angebracht, einen etwas strengeren Ton anzuschlagen.

      Während er zu seiner Garage weiterging, schaute Maria Erbling dem Geistlichen hinterher. Einerseits ärgerte sie sich, andererseits war sie ganz froh, daß die Strafpredigt nicht so hart ausgefallen war, wie sie zu Beginn gefürchtet hatte. Allerdings wollte sie sich nicht so einfach damit abfinden, daß da doch nichts an dem dran sein sollte, was die Spatzen von den Dächern pfiffen.

      Schließlich waren der Pahlingerbauer und die Sonnenleitnerin einmal ein Paar gewesen, und jetzt wollten sie aller Welt weismachen, sie lebten wie Bruder und Schwester unter einem Dach zusammen?

      Das konnten sie erzählen, wem sie wollten, aber net ihr!

      Schnaufend machte sie sich auf den Heimweg. Als sie an der Kirche vorbeikam, fielen ihr die mahnenden Worte Pfarrer Trenkers wieder ein.

      Drei Ave Maria sollte sie beten, hatte er gesagt.

      Ob das wirklich nötig war?

      Immerhin befand sie sich ja im Recht.

      Maria schwankte einen Moment, dann beschloß sie, daß es vielleicht doch besser war, wenn sie hineinging und Buße tat. Es änderte nichts daran, daß ihr Verdacht bestehen blieb, und schaden konnte es ja auch net.

      *

      Noch ehe der Geistliche auf den Hof fuhr, hörte er das Brüllen der Kühe. Hinter dem Gatter, das die Weide abgrenzte, drängten die Tiere. Es war längst Zeit zum Melken.

      Sebastian stellte das Auto ab und suchte nach dem Bauern. Aber ein kurzer Blick in den Stall genügte, um zu sehen, daß sich Hubert Sonnenleitner nicht darin aufhielt. Der Bergpfarrer lief ins Haus. In der Küche stand immer noch das unangerührte Mittagessen auf dem Tisch, doch von Hubert war nichts zu sehen.

      Eilig durchsuchte Sebastian die anderen Räume und fand ihn schließlich schnarchend auf dem Bett liegend.

      Die Alkoholfahne, die ihm aus dem Mund wehte, redete eine deutliche Sprache.

      Neben dem Bett lag eine leere Obstlerflasche.

      »Sonnenleitner!« rief Sebastian und schüttelte den Schlafenden. »Sonnenleitner, wach’ auf! Komm’ zu dir!«

      Ein lautes Grunzen war die einzige Reaktion. Der Geistliche sah, daß er hier zu anderen Mitteln greifen mußte. Er eilte in die Küche, nahm ein Geschirrtuch vom Haken und drehte den Wasserhahn auf. Mit dem nassen Tuch lief er zurück und wrang es über dem Kopf des betrunkenen Bauern aus.

      »Los, komm auf die Beine!« sagte er, rieb mit dem Tuch über das Gesicht und schüttelte Hubert Sonnenleitner.

      Es dauerte einen Moment, ehe der die Augen aufbekam. Verwirrt blickte er Sebastian an und hob lauschend den Kopf. Das Brüllen der Kühe war unüberhörbar.

      »Jetzt mach’«, herrschte der Bergpfarrer ihn an. »Deine Viecher müssen gemolken werden.«

      Endlich rappelte sich der Bauer auf. Einen Moment stand er schwankend da, und Sebastian mußte ihn festhalten, damit er nicht wieder umfiel.

      Er führte ihn in das Bad und hieß ihn, sich kaltes Wasser über das Gesicht laufen zu lassen. Endlich schien Hubert Sonnenleitner einen klaren Kopf zu bekommen.

      »So, an die Arbeit«, befahl der Geistliche und reichte ihm ein Handtuch.

      Der Bauer trocknete sich ab und folgte ihm nach draußen. Zusammen trieben sie die Kühe an den Melkstand. Sebastian schloß das erste Tier an die Maschine an. Während gemolken wurde, begann Hubert Sonnenleitner schon damit, im Stall frisches Stroh aufzuschütten. Anschließend brachten sie die gefüllten Milchbehälter an die Straße.

      In letzter Sekunde, denn eben kam der Tankwagen der Molkereigenossenschaft angefahren.

      Nachdem sie die Behälter zurückgebracht hatten, wurden sie gereinigt. Die ganze Zeit über sprachen die Männer kein Wort. Erst als alle Arbeiten erledigt waren, wandte sich der Bergpfarrer an den Bauern.

      »So, jetzt wird’s Zeit, daß wir zwei uns mal unterhalten«, sagte er.

      Hubert Sonnenleitner schaute ihn schuldbewußt an.

      »Tut mir leid, Hochwürden«, beteuerte er, »es ist sonst net meine Art, mich am hellen Tag zu betrinken.«

      »Davon red’ ich gar net«, schüttelte Sebastian den Kopf. »Sondern davon, daß es dir innerhalb kürzester Zeit gelungen ist, dich mit deinen beiden Kindern zu erzürnen.«

      Die Miene des Bauern versteinerte.

      »Ich hab’ keine Kinder mehr«, stieß er hervor.

      »Red’ net so einen Unsinn!« tadelte der Bergpfarrer ihn. »Kathrin und Toni sind deine Kinder und werden’s auch immer bleiben.«

      Sie waren wieder ins Haus gegangen. Sebastian schlug vor, sich in die Küche zu setzen. Dort kochte er erst einmal einen starken Kaffee, denn es war ihm zwar gelungen, den Bauern wieder auf die Beine zu bringen, richtig nüchtern war der Sonnenleitner noch nicht.

      »Was genau ist’s eigentlich, was dir so gegen den Strich geht?« fragte er, während das Wasser durch die Maschine lief.