Lucie nickte.
»Besonders, wenn man verliebt ist«, antwortete sie.
Der eiskalte Sekt prickelte herrlich und brachte sie in eine seltsame Stimmung. Arm in Arm standen sie und beobachteten die anderen. Jenny und Michael tanzten an ihren vorbei und winkten herüber.
Axel gab Lucie einen Kuß.
»Ich liebe dich«, raunte er in ihr Ohr.
Sie drehte den Kopf zu ihm und lächelte.
»Ich dich auch«, sagte sie.
Sie schloß für einen Moment die Augen.
»Ich fühle mich wunderbar«, sagte sie dann. »Wenn ich noch daran denke, wie spinnefeind wir uns einmal waren, dann ist es ganz unglaublich, daß wir jetzt hier zusammen stehen und das glücklichste Paar der Welt sind.«
»Ja, genauso denke ich auch«, nickte Axel. »Und ich weiß, daß deine Liebe ein besonderes Geschenk ist. Wie vom Himmel geschenkt, kommt es mir vor.«
Jenny und Michael waren zu ihnen gekommen.
»Eine herrliche Stimmung«, schwärmte der Informatiker und sah die blonde Lehrerin träumerisch an. »Ich kann das noch gar nicht alles glauben…«
Jenny gab ihm einen Kuß.
»Damit du nicht denkst, es wäre nur ein Traum.«
»Was machen wir denn jetzt?« wollte Axel wissen. »Habt ihr nicht Lust, ein wenig an die frische Luft zu gehen?«
Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen. Draußen war es dunkel geworden und herrlich kühl. Die beiden Paare waren aber nicht die einzigen, die sich hier erfrischten. In Gruppen oder Paaren standen die Leute zusammen und unterhielten sich über die wieder einmal gelungene Tanzveranstaltung.
»Schaut mal, da drüben«, deutete Michael Winter auf die andere Straßenseite.
Im Schein einer Laterne sahen sie eine zusammengesunkene Gestalt auf einer Bank sitzen.
»Oje«, meinte Jenny, »der hat wohl ein bißchen über den Durst getrunken.«
»Hoffentlich friert er nicht, wenn er die ganze Nacht da hocken bleibt«, gab Lucie zu bedenken. »Sollten wir ihn nicht lieber wecken?«
»Ach was«, schüttelte Axel den Kopf. »Es ist nicht so kalt, daß die Gefahr besteht, er würde erfrieren. Und wer weiß, vielleicht gefällt es ihm gar nicht, wenn wir ihn jetzt in seinem Schlaf stören, und er fängt womöglich noch Streit an.«
»Wir können ja später noch mal nach ihm sehen«, schlug Michael vor. »Aber wahrscheinlich haben sich dann schon andere um ihn gekümmert.«
Er zog Jenny an sich.
»Laßt uns lieber überlegen, was wir morgen unternehmen wollen.«
»Erstmal ausschlafen«, antwortete sie.
»Aber zur Messe müssen wir pünktlich sein«, warf Lucie ein.
»Dann sollten wir es heute abend nicht zu spät werden lassen«, meinte Axel.
Er schaute auf seine Uhr.
»Aber ein paar Tänze können wir noch wagen«, setzte er hinzu und blickte Lucie fragend an. »Oder bist du schon müde?«
»Ich?« fragte sie in gespielter Entrüstung. »Ich könnte noch stundenlang tanzen!«
Axel nahm ihre Hand.
»Na, dann los«, rief er. »Auf ins Gedränge!«
*
Sebastian Trenker stand am Fenster seines Arbeitszimmers und schaute in die Nacht hinaus. Bis eben hatte er noch einmal die Predigt für das morgige Hochamt überarbeitet, jetzt ließ er frische Luft herein und lauschte auf die Klänge der Musik, die gedämpft vom Hotel herüberschallten.
Es war ein ruhiger Tag, der hinter ihm lag. Und geendet hatte er mit einem herrlichen Essen in angenehmer Gesellschaft.
Vielleicht war es viel zu schade, diesen Tag jetzt einfach so enden zu lassen, überlegte der Bergpfarrer und sah zu der Wanduhr.
Noch vor Mitternacht. Vielleicht sollte er noch einmal zum Hotel hinübergehen und sich ein wenig zu den anderen setzen.
Es kam zwar nicht oft vor, daß der gute Hirte von St. Johann an dem Tanzvergnügen teilnahm, doch hin und wieder schon. Daß er dann ab und zu auch das Tanzbein schwang, verwunderte seine Schäfchen schon lange nicht mehr. Ganz im Gegenteil, Pfarrer Trenker war bei der Damenwelt ein begehrter Partner auf dem Parkett, und wenn der Kapellmeister die Parole »Damenwahl« ausgab, dann standen sie am Tisch des Geistlichen Schlange.
Kurz entschlossen löschte er das Licht im Arbeitszimmer und zog im Flur seine Jacke über. Bevor er zum Hotel ging, betrat Sebastian noch einmal die Kirche und machte einen Rundgang. Alles war in Ordnung, und er verließ das Gotteshaus wieder.
Er ging den Kiesweg hinunter, über die Fahrbahn und begegnete den ersten Leuten, die nach Hause wollten. Bauern zumeist, die am nächsten Morgen wieder früh raus mußten, denn dem Vieh auf den Höfen war es egal, ob es ein Wochen- oder Sonntag war. Es wollte gefüttert und gemolken werden. Sebastian grüßte und wünschte eine gute Heimfahrt.
Nicht weit vom Eingang entfernt stand der Tisch, an dem die honorigen Bürger St. Johanns ihre Plätze hatten. Daß der Bergpfarrer noch hergekommen war, wurde mit Beifall begrüßt. Nicht nur, weil man wußte, daß Sebastian sich nicht lumpen ließ und immer eine Runde bestellte, man hielt auch sonst große Stücke auf seinen Geistlichen.
Lange konnte er aber nicht sitzenbleiben, denn Claudia wollte schon gleich mit ihm tanzen. Sebastian erhob sich und führte die Freundin seines Bruders auf die Tanzfläche.
Max unterhielt sich derweil mit Markus Bruckner. Der Bürgermeister von St. Johann gab sich an diesem Abend besonders leutselig, denn in ein paar Wochen standen Gemeindewahlen an, und natürlich wollte er wiedergewählt werden.
Bei den anderen am Tisch waren die Wahlen natürlich ebenfalls Thema, und wenn der Bruckner-Markus hin und wieder hinüberlauschte, konnte er zufrieden feststellen, daß ihm die Stimmen der Honoratioren sicher waren.
»Wie kommt es, daß du noch nicht schlafen gegangen bist?« erkundigte sich Claudia bei Sebastian.
»Ach, ich hatte schon überlegt, ob ich net ins Bett gehen soll«, antwortete der Geistliche. »Aber dann hab’ ich gedacht, daß es schad’ wär’, so einen schönen Tag einfach so zu beenden.«
»Du strahlst auch irgendwie Ruhe und Zufriedenheit aus«, stellte die Journalistin fest.
»Ja, das bin ich auch«, nickte Sebastian Trenker.
»Endlich scheint es einmal keine Katastrophe zu geben, keine unglückliche Liebesgeschichte oder sonst ein Drama.«
Sie beendeten den Tanz und gingen an den Tisch zurück.
»Na, Bürgermeister, machst ein bissel Wahlpropaganda?« konnte sich der Bergpfarrer nicht enthalten, zu fragen.
Markus Burckner unterdrückte die Antwort, die ihm auf der Zunge lag, und lächelte nur.
»Prost, Hochwürden«, antwortete er und hob seinen Bierkrug. »Möge der Bessere gewinnen.«
»Das lassen wir die Wähler und unseren Herrgott entscheiden«, nickte der Geistliche und wandte sich seinem Bruder zu.
Der Bürgermeister schickte indes einen bösen Blick über den Tisch. Pfarrer Trenker war nicht sein direkter Konkurrent im Kampf um den Bürgermeisterstuhl, aber er gehörte der Gegenpartei an. Und seine Stimme war nicht ohne Einfluß auf viele Wähler.
Außerdem erinnerte sich der Bruckner-Markus der vielen Male, an denen Hochwürden ihm einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht hatte, wenn er, der Bürgermeister, sich anstrengte, St. Johann für den modernen Tourismus zu öffnen.
Sei es das geplante Kongreßzentrum, ein Großhotel oder