Diesmal hatte er nicht abgelehnt, als Ria ihn gefragt hatte. Nach diesem Schreck am frühen Morgen konnte er einen heißen Schluck vertragen.
»Und was wollen wir mit dem herrlichen Tag anfangen?« erkundigte er sich.
Axel schmunzelte.
»Unsere beiden Frauen haben schon entschieden«, meinte er.
»Genau«, nickte Jenny, »heute vormittag wollen wir zum Baden an den Achsteinsee und heute abend wird getanzt.«
*
Hatte er gestern noch nach Lucie Ausschau gehalten, so wollte er heute auf gar keinen Fall von ihr gesehen werden.
Harald Stern hatte sein Wohnmobil vom Parkplatz des Hotels fortgefahren, wieder an den Platz, an dem er die erste Nacht verbracht hatte. Dort machte er sich zunächst ein Frühstück und baute in Gedanken seinen Plan weiter aus, den er gefaßt hatte.
Natürlich mußte es wie ein Unglücksfall aussehen, wenn er Axel Kremer beseitigte, und niemand durfte ihn damit in Verbindung bringen. Aus diesem Grund würde er später auch zu Fuß ins Dorf zurückgehen.
Er hatte viel überlegt, wie er es am besten anstellen sollte. Am einfachsten wäre es, den Nebenbuhler von einem Berghang zu stürzen. Aber das ging natürlich nicht. Dazu mußten er und Axel irgendwo in den Bergen unterwegs sein. Aber ob und wann der Kollege überhaupt eine Bergtour geplant hatte, wußte er ja nicht. Und wenn, dann würde Axel Kremer vermutlich nicht alleine unterwegs sein.
Diese Möglichkeit schied also aus, wie viele andere auch, die Harald Stern durch den Kopf gingen. Lediglich eine Idee biß sich in ihm fest. Es mußte etwas mit dem Auto des Kollegen geschehen. Wenn es wie ein Unfall aussah, würde auch niemand so schnell Verdacht schöpfen, der Wagen könne manipuliert gewesen sein. Und niemand würde ihn damit in Verbindung bringen.
Je mehr er darüber nachdachte, um so besser gefiel ihm dieser Plan. Natürlich gab es ein paar Dinge zu tun; er mußte erst einmal herausfinden, wo Axel Kremer sein Auto überhaupt abgestellt hatte, dann überlegen, wie er daran manipulieren konnte, daß der Nebenbuhler damit verunglückte, und dann sehen, welches Werkzeug er dazu brauchte.
Um sich nicht schon durch sein Aussehen verdächtig zu machen – seit der Abfahrt aus Boisheim hatte er sich nicht mehr rasiert, und nach dem gestrigen Abend sah er noch schlimmer aus – wusch Harald sich erst einmal gründlich, rasierte die Stoppeln in seinem Gesicht ab und zog sich um. Nachdem er den letzten Schluck Kaffee ausgetrunken hatte, schloß er das Wohnmobil ab und machte sich auf den Weg nach St. Johann.
Gestern hatte er noch bewundernd auf die herrliche Umgebung des Ortes geschaut, doch heute hatte er keinen Blick mehr dafür. Sein ganzes Denken war einzig auf das Ziel ausgerichtet, Axel Kremer aus seinem und Lucies Leben zu löschen. Nie wieder sollte der sich zwischen sie und ihm stellen können.
Auch wenn der Preis noch so hoch war.
In St. Johann angekommen, mied Harald Stern die Plätze und Straßen, in denen viele Touristen waren. Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn er sich hätte mit falschem Bart und Perücke tarnen können, und er grinste bei dem Gedanken.
Daß er soviel verbrecherisches Potential in sich hatte, war ihm vorher nicht bewußt gewesen. Doch jetzt machte es ihm sogar Spaß, durch das Dorf zu schleichen und nach dem Auto des Nebenbuhlers Ausschau zu halten. Wenn er erst einmal wußte, wo der Wagen geparkt wurde, dann brauchte er nur noch abzuwarten, bis es dunkel geworden war, und konnte dann ans Werk gehen.
Harald Stern ging zunächst zu der Informationstafel am Tourismusbüro und schrieb sich die Namen der Pensionen ab. Dann suchte er in den betreffenden Straßen nach dem Auto. Allerdings wurde er nirgendwo fündig. Als er auch nach über drei Stunden noch nichts entdeckt hatte, setzte er sich müde auf eine Bank und überlegte weiter.
Wenn Axel Kremer nicht in einer Pension wohnte, dann war er vielleicht irgendwo privat untergebracht.
Aber wo? Wie sollte er das herausfinden?
Ein schier aussichtsloses Unterfangen. Wenn er nicht ein kleines bißchen Glück hatte, konnte er noch bis um St. Nimmerleinstag suchen!
*
Die beiden Paare verbrachten einen herrlichen Tag am See. Ria Stubler hatte ihnen einen reichlich bestückten Picknickkorb mitgegeben, und sie waren glücklich und ausgelassen wie noch nie.
Zwischendurch machten Jenny und Michael einen Spaziergang über die Uferpromenade. Sie hielten sich an den Händen, und ihre Herzen flossen über vor Liebe.
»Ich hätte nie gedacht, daß mein Urlaub so schön werden würde«, gestand Michael, als sie auf einer Bank saßen und dem Treiben im Wasser zusahen.
Jenny lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
»Und ich hätte nicht geglaubt, daß ich mich so schnell wieder verlieben würde«, sagte sie.
Ihm fiel der merkwürdige Unterton auf.
»Du warst kürzlich verliebt?«
»Nein«, schüttelte sie den Kopf, »verliebt war ich vor langer Zeit, doch diese Liebe wurde nicht erwidert.«
»Magst du mir davon erzählen?« fragte Michael unaufdringlich.
Mit leisen Worten schilderte sie, was sie mit dem anderen Mann erlebt hatte. Von der Enttäuschung und den Tränen, die sie geweint hatte. Michael legte seinen Arm um sie und drückte sie fest an sich.
»So eine Enttäuschung wirst du nie wieder erleben«, versprach er und schaute ihr dabei tief in die Augen. »Ich weiß, wir kennen uns erst kurz. Aber für mich bist du die wunderbarste Frau, die mir je begegnet ist. Ich werde dich auf Händen tragen.«
Jenny erwiderte seinen Blick, suchte in seinen Augen nach etwas, das ihr sagte, daß er nicht die Wahrheit sagte, so wie sie Jens viele Male in die Augen gesehen hatte.
Doch bei Michael sah sie nur Liebe und Zärtlichkeit, und sie weinte vor Glück.
Er nahm ihren Kopf zwischen seine Hände und küßte die Tränen fort.
»Du sollst nie wieder weinen, Jenny«, sagte er. Sie schluckte und lächelte.
»Ich glaube dir«, antwortete sie. »Bei dir habe ich das Gefühl, daß du es ehrlich mit mir meinst.«
Die hübsche blonde Lehrerin bot ihm ihren Mund dar.
»Ich glaube, dich hat mir der Himmel geschickt«, flüsterte sie.
Niemand achtete auf das Paar, das sich so innig auf der Bank küßte, und es wäre Jenny und Michael auch egal gewesen, wenn jemand daran Anstoß genommen hätte.
Zur selben Zeit lagen Lucie und Axel auf der Decke, die Ria ihnen ebenfalls mitgegeben hatte und schauten in den Himmel hinauf. Dabei hielten sie sich an den Händen und träumten mit offenen Augen von der Zukunft.
»Sag’ mal«, fragte Axel plötzlich, »war das mal etwas zwischen dir und Harald.«
Lucie richtete sich überrascht auf.
»Harald Stern? Wie kommst du darauf. Da war nie was.«
Sie hatte sich hingesetzt, die Beine angezogen und die Arme darum geschlungen.
»Wir waren ein paarmal miteinander aus. Das war aber auch schon alles. Aber wieso fragst du?«
Axel hatte sich auf den Bauch gedreht und sah sie an.
»Weil mir eben eingefallen ist, daß er mir mal erzählt hat, wie sehr er dich mag…«
»Tatsächlich? Wann denn?«
Axel überlegte.
»Eigentlich weiß ich das gar nicht mehr so genau«, antwortete er. »Irgendwann mal, als wir zusammen Pausenaufsicht auf dem Schulhof hatten, glaube ich.«
»Soso«, lächelte Lucie, »da habt ihr euch also über die hübschen Beine eurer Kolleginnen unterhalten.«
»Nur