Der Bergpfarrer Paket 3 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740960018
Скачать книгу
sie wieder in der Halle. Als sie an seiner Seite das Restaurant betrat, galten ihnen die Blicke der anwesenden Gäste. Während die Frauen dem eleganten Kunsthändler nachschauten, sahen die Männer träumerisch der rothaarigen, jungen Frau hinterher und gerieten insgeheim ins Schwärmen.

      Sepp Reisinger, der ein Gespür für zahlungskräftige Kundschaft hatte, führte sie persönlich an den Tisch, der in einer Ecke stand, separat und nicht gleich so einsehbar, und der wunderhübsch eingedeckt war.

      Sie stellten das Menü zusammen, und während sie den Aperitif kosteten, einen dunklen, halbtrockenen Sherry, der im Schein der Kerzen funkelte, schauten sie sich in die Augen.

      Diese Augen!

      Jörn glaubte, darin zu versinken, und es war nicht das erste Mal, daß er diesen Gedanken hatte. Überhaupt waren es diese smaragdgrünen Augen und das rote Haar gewesen, die ihn sofort fasziniert hatten, als er Kathrin Sonnenleitners Bekanntschaft machte.

      Seine Sekretärin hatte den Besuch angekündigt, und Jörn, gerade damit beschäftigt, einem jungen Kunstmaler klarzumachen, daß er seine Bilder weder ausstellen, noch verkaufen könne, hätte diesen Termin am liebsten abgesagt.

      Eine Chefsekretärin, die eine Ausstellung in der Fabrik, in der sie arbeitete, organisieren wollte!

      Was konnte das schon sein?

      Er hatte nur zugestimmt, weil er den Chef kannte, ihm einige Male beim Kauf und Verkauf von Gemälden behilflich gewesen war und den Kunden nicht vor den Kopf stoßen wollte. Überzeugt war er jedenfalls nicht.

      Als dann Kathrin seine Galerie betrat und sich umschaute, selbstsicher und wohlwissend, worauf es ankam, da wußte Jörn, daß er es sich sein Lebtag nicht verziehen haben würde, wenn er den Termin nicht eingehalten hätte. Früher oder später mußte er Kathrin Sonnenleitner doch begegnen, aber dann wäre es für eine Romanze zu spät gewesen.

      Allerdings gestaltete es sich auch so schwierig genug.

      Sie widerstand seinen ersten Versuchen, sich mit ihr zu verabreden. Und auch später merkte er, daß sie nicht zu der Sorte Frauen gehörte, die leicht zu haben waren.

      Kathrin hatte ihre eigene Art. Sie war frei und unabhängig und ließ ihn spüren, daß sie nicht bereit war, beides aufzugeben. Aber dennoch wurden sie ein prächtiges Gespann, wie er es nannte.

      Sie verfügte über ein ausgeprägtes Kunstverständnis und nahm alles, was er ihr darüber noch beibrachte, schnell auf. Kathrin konnte einen wirklich guten Künstler von einem mäßigen unterscheiden, und sie hatte ein Händchen für unbekannte Talente.

      Wie sie jetzt erst wieder bewiesen hatte.

      Während die Vorspeise serviert wurde, sprachen sie über die letzte Ausstellung in der Fabrik, die, wie alle anderen vorher, ein großer Erfolg gewesen war. Es war nicht abgesprochen, doch sie vermieden beide das Thema Ingo Bruckner anzuschneiden.

      »Wie lange wirst du hierbleiben?« erkundigte er sich.

      Kathrin erzählte, daß sie gleich ihren Jahresurlaub genommen hatte.

      »In der kommenden Woche steig ich mit Pfarrer Trenker auf«, sagte sie und amüsierte sich über sein fragendes Gesicht.

      »Mit dem Pfarrer? Den Berg hinauf?«

      Sie erklärte ihm, was es mit dem Geistlichen auf sich habe, und Jörn fiel auf, daß Kathrin in all den Jahren, die sie sich jetzt kannten, nicht viel über ihr Privatleben preisgegeben hatte. Daß sie ab und an hier ihren Urlaub verbrachte oder die Freundin besuchte, wußte er schon. Aber wirkliche Einzelheiten, wie die mit dem Pfarrer, der ein begeisterter Bergsteiger war, kannte Jörn Haller nicht.

      »Dazu fehlt mir leider die Zeit«, meinte er bedauernd. »Ich muß gleich am Dienstag wieder nach München zurück.«

      Allerdings war dieses Bedauern nicht echt. Das einzige, was ihm leid tat, war die Tatsache, daß er die Tage hier nicht mit Kathrin verbringen konnte, und er beneidete den Geistlichen glühend um den Ausflug mit ihr.

      Indes, der Mann würde ihm nicht gefährlich werden können, so wie der Maler.

      Der Abend zog sich hin. Natürlich war das Essen großartig und fand den Beifall des verwöhnten Gourmets, der Jörn war. Aber die Unterhaltung plätscherte vor sich hin. Ihr fehlte, was sie sonst auszeichnete, wenn sie zusammen waren; Witz, Esprit, Spontanität.

      Und das hatte seinen Grund in dem, was unausgesprochen in der Luft lag – Ingo Bruckner und seine Beziehung zu Kathrin.

      Die junge Frau war froh, als sie sich endlich verabschiedete. Jörn bot an, sie nach Hause zu begleiten, doch sie lehnte mit dem Hinweis ab, daß es ja nur ein paar Schritte wären.

      Beim Abschied spürte sie, wie gerne er sie in seine Arme genommen und geküßt hätte. Doch er hielt sich zurück und stand schweigend in der Tür, bis er sie aus dem Blickfeld verlor.

      Nachdenklich ging der Galerist in die Hotelbar und ließ sich einen Obstler einschenken. Er mußte überlegen, was er dem Kontrahenten um Kathrins Gunst morgen sagen würde, und dazu war etwas Hochprozentiges genau das Richtige.

      *

      Ingo hatte eine recht schlaflose Nacht hinter sich.

      Daß Kathrin gestern mit dem Kunsthändler wieder zurückgefahren war, hatte ihm gar nicht behagt. Auch ihre beruhigenden Worte beim Abschied, er solle sich keine Gedanken machen, es sei alles in Ordnung, hatten ihn nicht wirklich beruhigt. Sie hatte ihm zwar nichts über ihre Beziehung zu Jörn Haller erzählt, aber Ingo spürte sofort, daß der Mann Kathrin liebte und ihn als Nebenbuhler betrachtete.

      Aus diesem Grund sah er der erneuten Begegnung mit einer gewissen Furcht entgegen. Jörn Haller konnte ihn mit einem Wort in den Olymp der berühmtesten Maler heben oder in den tiefsten Abgrund stoßen, wenn sein Urteil vernichtend ausfiel. Und aus einem Gefühl heraus, das er nicht weiter benennen konnte, wußte Ingo, daß es so sein würde.

      Der Galerist kam früher, als er erwartet hatte. Da er gerade Kaffee gekocht hatte, bot Ingo dem Besucher welchen an, der lehnte kopfschüttelnd ab.

      »Ich hab’ gerad’ im Hotel Kaffee getrunken«, sagte er. »Lassen S’ uns lieber ins Atelier gehen.«

      Ingo räusperte sich.

      »Gestern haben S’ sich gar net geäußert«, sagte er, als er die Glastür öffnete und Jörn Haller eintreten ließ. »Ehrlich gesagt, hab’ ich mir die ganze Nacht Gedanken darüber gemacht.«

      Während er auf den Kunsthändler wartete, hatte der Maler sich überlegt, dem Mann so unbefangen wie möglich gegenüberzutreten.

      Der Kunstmaler war ehrlich genug, zuzugeben, daß er den Mann, in seiner Eigenschaft als Kritiker, fürchtete.

      Was nützte es, wenn man ihm versicherte, wie gut seine Bilder waren? Pfarrer Trenker oder Kathrin mochten sie vielleicht gefallen. Doch jetzt war das etwas ganz anderes. Dieses Urteil, das jetzt gefällt wurde, würde über seinen weiteren Lebensweg entscheiden.

      Jörn Haller tat, als habe er die Bemerkung überhört, und nahm eines der Bilder in die Hand, das ihm schon gestern aufgefallen war. Eine blumenübersäte Wiese, dahinter ein Feld, auf dem sich das goldgelbe Korn im Wind wiegte. Der Betrachter meinte regelrecht den Lufthauch zu spüren, der das Getreide streifte.

      Es war gut. Es war sensationell, und trotzdem durfte er es nicht sagen. Nicht, wenn er Kathrin nicht verlieren wollte.

      »Herr Bruckner«, sagte der Kunsthändler, nachdem er eine Weile das Gemälde schweigend betrachtet hatte, »ich will Ihnen nicht zu nahe treten, und ich darf Ihnen versichern, daß mein Urteil absolut objektiv ist, aber ich muß Ihnen sagen, daß das, was ich hier gesehen habe, net für eine Ausstellung reicht.«

      Ingo holte tief Luft, wollte zu einer Erwiderung ansetzen, doch Jörn Haller sprach unbeirrt weiter.

      »Sie haben Talent«, fuhr er fort. »Ganz ohne Zweifel. Aber es reicht net aus, um ein großer Maler zu sein. Man sieht den Bildern an, daß sie schnell gemalt worden sind.