Die Vampirschwestern 4 - Herzgeflatter im Duett. Franziska Gehm. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Franziska Gehm
Издательство: Bookwire
Серия: Die Vampirschwestern
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783732003754
Скачать книгу
Sie?“, fragte Silvania.

      „Die Sache ist ganz klar: Du tendierst zum Spreizfuß.“ Ali Bin Schick blickte triumphierend auf.

      „Was?“ Silvania starrte auf ihre Füße.

      Daka hatte den Kopf schräg gelegt und musterte die Füße ihrer Schwester. Sie nickte kaum merklich.

      Silvania sah den Wahrsager enttäuscht an. „Mehr sehen Sie nicht?“

      Ali Bin Schick streckte den Bauch heraus. „Selbstverständlich sehe ich mehr. Ich wollte nur mit etwas Nettem zur Einstimmung beginnen. Also.“ Ali Bin Schick spreizte die Finger und beschrieb einen Bogen um Silvanias Fuß. Er holte tief Luft und begann: „Du hast ein bewegtes Leben hinter dir und ein noch bewegteres Leben vor dir. Du bist schon viel herumgekommen. Allerdings nicht immer zu Fuß. Du bist oft geflogen, nicht wahr?“

      Silvania nickte langsam.

      Ali Bin Schick betrachtete sie einen Moment. Seine kleinen Augen funkelten geheimnisvoll. Dann fuhr er fort: „Du hast deine alte Heimat hinter dir gelassen, um eine neue zu finden. Es wird dir gelingen, aber nur, wenn du deine alte Heimat nicht vergisst. In allernächster Zukunft wartet eine schwere Prüfung auf dich. Dich erwarten schlaflose Nächte, beängstigende Kräfte und …“, Ali Bin Schick sah Silvania mitleidig an, „ich fürchte, ich muss es sagen: tödliche Begierde.“ Er beugte sich zu Silvanias rechtem Fuß und studierte ihn angestrengt. „Ich erkenne es anhand der Schicksalslinie nur undeutlich, aber alles wird offenbar durch ein Missgeschick ausgelöst. Was es genau ist, kann ich jedoch nicht sehen.“

      Silvania, die als Saikatotänzerin sehr gelenkig war, zog den rechten Fuß an sich heran und sah auf die Fußsohle. Schlaflose Nächte klang gar nicht schlecht. Aber beängstigende Kräfte? Tödliche Begierde?!?

      „Hat es zufällig etwas mit Tauben zu tun?“, fragte Daka, die ihre Schwester besorgt musterte. Daka und Silvania Tepes hatten ein Tauben-Trauma, seit sie bei einem Ausflug in einen Schwarm Ringeltauben geraten waren.

      Ali Bin Schick schüttelte den Kopf. Sein Turban verrutschte etwas. „Keine Tauben in Sicht“, sagte er zu Daka. „So, und wenn du jetzt so freundlich wärest, dich frei zu machen.“

      „Moment!“, rief Silvania. „Was ist mit Liebe?“

      „Die Liebeslinien am großen Fußballen sind bei dir noch nicht richtig ausgeprägt. Dafür ist mir aufgefallen, dass deine Kopflinie sehr stark ist. Vielleicht solltest du dir nicht so viele Gedanken über die Liebe machen“, riet Ali Bin Schick.

      Daka nickte.

      Silvania schnappte nach Luft. Nicht so viele Gedanken über die Liebe machen? Aber worüber denn sonst?

      Daka zog die lilafarbenen Gummistiefel aus und streifte die Leggins ein Stück nach oben. Vorsichtig tauchte sie die Füße mit der Ferse in die Wasserschüssel. Zwischen ihren Zehen steckten Krümel. Es waren keine Sockenkrümel, keine Hornhautkrümel und auch keine gemeinen Dreckkrümel. Daka hatte Heimaterde zwischen den Zehen. Sie durfte sie auf keinen Fall verlieren.

      Für Vampire und Halbvampire war Heimaterde lebenswichtig. Ohne Heimaterde wurden sie immer schwächer, bekamen Juckreiz und redeten wirr, bis sie schließlich in ein Koma fielen, aus dem sie womöglich nie wieder erwachten. Silvania war vor Kurzem so einem Koma nur haarscharf entkommen. Daka hatte gerade noch rechtzeitig eingegriffen, ein paar Krümel Heimaterde aus ihren Zehen gepult und ihrer Schwester in die Nase gestopft.

      Daka trocknete die Füße behutsam ab und legte sie auf den Tigerrücken.

      Ali Bin Schick rückte dicht an die Füße heran und betrachtete sie eingehend. „Oho“, sagte er. Und „aha“ und „hm, hm“ und „heidewitzka“.

      Daka tippte ungeduldig mit den Fingern auf den Teppich. „Habe ich auch einen Spreizfuß?“

      Ali Bin Schick schüttelte den Kopf. „Dafür hast du Dreck zwischen den Zehen.“

      Daka verkrampfte die Zehen sofort. Ihre Heimaterde gab sie nicht her. Da musste Ali Bin Schick eben um die Krümel herum lesen.

      Ali Bin Schick musterte Daka eindringlich. „Besser Dreck zwischen den Zehen als Fußpilz, was?“, sagte er dann und lächelte. Er spreizte die Finger und beschrieb eine Wellenlinie um Dakas Füße. „Dein Leben scheint voller Abenteuer zu sein. Und du scheust sie nicht, im Gegenteil, du suchst sie. Dich dürstet geradezu nach Erlebnissen mit Nervenkitzel, nicht wahr?“

      Daka wiegte den Kopf.

      Silvania nickte.

      Ali Bin Schick richtete den Blick wieder auf Dakas Fußsohlen und seufzte. „Auch für dich sieht die allernächste Zukunft nicht gerade rosig aus. Deine Lebenslinie hier bekommt einen seltsamen Knick. Und die Gesundheitskreise auf den Zehen werden immer kleiner. Ein ganz schlechtes Zeichen“, meinte Ali Bin Schick, der in der Luft mit dem Finger die Linien und Kreise auf Dakas Fußsohle nachahmte.

      „Erwarten mich auch schlaflose Nächte?“, fragte Daka.

      Ali Bin Schick schüttelte den Kopf. „Ganz und gar nicht. Auf dich kommen Turbulenzen, gefährliche Situationen und …“, der Wahrsager verzog das Gesicht, „… beißende Schmerzen zu.“

      Daka starrte den Wahrsager mit offenem Mund an. Beißende Schmerzen. Schmerzen?!? Ein Halbvampir kennt keinen Schmerz. „Und wo kommen die her, die Schmerzen?“

      Ali Bin Schick nahm Dakas Fuß in die Hand und betrachtete ihn genau. „Du fügst sie dir selbst zu.“

      Daka sah den Wahrsager ungläubig an. Und dafür hatte sie nun drei Euro fünfzig bezahlt.

      Silvania legte Daka den Arm um die Schulter und flüsterte: „Nimm es nicht so ernst.“ Dann sagte sie laut zum Wahrsager: „Können Sie denn nicht irgendetwas Positives sagen?“

      Ali Bin Schick hüstelte. „Das würde ich gerne, glaubt mir. Aber ich kann ja nur das sagen, was ich sehe. Etwas Positives bekommt man bei der Maniküre gesagt, bei mir bekommt man die Wahrheit. Die ist nicht immer positiv. Tut mir leid.“

      Daka sah Ali Bin Schick fassungslos an. Das war alles, was er ihr prophezeite? Turbulenzen, gefährliche Situationen und beißende Schmerzen? Das klang nach einem Flugzeugabsturz. Einer Naturkatastrophe. Einem Zahnarztbesuch. Auf jeden Fall klang es gar nicht gut.

      Schlaflose Nächte, beängstigende Kräfte, tödliche Begierde, dachte Silvania. Das hörte sich an wie ein Thriller. Wer wollte schon, dass sein Leben ein einziger Thriller war? Silvania Tepes auf jeden Fall nicht.

      „Aber, meine Lieben“, sagte Ali Bin Schick, hielt den Zeigefinger in die Höhe und drehte sich einmal auf der lackierten Zehenspitze um sich selbst. Trotz seiner Körperfülle sah es sehr elegant aus. „Im Orakulum Spektakulum werden nicht nur Weissagungen getroffen, sondern auch Wünsche erfüllt.“ Ali Bin Schick lächelte. „Ihr habt doch Wünsche, oder?“

      Daka und Silvania vergaßen Turbulenzen, tödliche Begierden und gefährliche Situationen und nickten schnell. Sie zogen ihre Strümpfe und Schuhe wieder an. Daka hielt inne und blickte fragend auf. „Oder brauchen Sie auch dazu unsere Füße?“

      Ali Bin Schick winkte mit beiden Händen gleichzeitig ab. „Füße sind keine Mittler für Sehnsüchte, Träume und Wünsche. Sie stehen auf dem Boden, sind mit der Wirklichkeit verankert. Wünsche jedoch sind losgelöst, sie schweben und lassen sich treiben, bis sie sich erfüllen.“ Ali Bin Schick stellte zwei Schüsselchen, kaum größer als ein Flaschendeckel, auf den Tigerrücken. Er holte eine dunkelblaue Flasche aus einem Regal. Mit gekonntem Griff zog er den Korken aus dem Flaschenhals und goss eine goldene Flüssigkeit in die Schüsselchen. Sie war dickflüssig und glänzte wie Honig. Ali Bin Schick beugte sich über die Schüsselchen, schloss die Augen, atmete tief ein und seufzte. So verharrte er ein paar Sekunden.

      Daka und Silvania beobachteten den Wahrsager. Silvania warf ihrer Schwester einen fragenden Blick zu. Daka zuckte mit den Schultern.

      Mit einem weiteren Seufzer öffnete Ali Bin Schick die Augen. „Wenn ich euch jetzt bitten dürfte, ein Haar in eins der Schüsselchen zu legen.“

      „Ein Haar? Wieso denn ein Haar?“, fragte Silvania.

      „Du