Unwillig runzelte Dr. Daniel die Stirn. Eine solche Einstellung mißfiel ihm sehr.
»Wie verhält sich denn ihr Mann?« wollte er wissen.
»Elio ist ein sympathischer Junge«, urteilte der Monsignore, dann schmunzelte er. »Nun ja, inzwischen ist er schon ein stattlicher Mann, aber ich kenne ihn, seit er zur Welt gekommen ist.« Er wurde wieder ernst. »Er macht seine Liebe zu Chiara nicht von einer Schwangerschaft abhängig, aber die Angst vor ihren Eltern ist in der jungen Frau schon so tief verwurzelt, daß sie sich nicht mehr davon befreien kann. Sie ist überzeugt davon, daß Elio die Ehe annullieren lassen wird und sie danach von ihrem Vater ins Kloster gesteckt wird.«
Dr. Daniel ahnte bereits, worauf der Monsignore hinauswollte.
»Ich nehme an, Sie möchten mich bitten, die junge Frau einmal zu untersuchen«, vermutete er.
Monsignore Antonelli nickte. »Chiaras Vater ist zwar Arzt, aber einer der besonders groben Sorte. Keiner unserer Dorfbewohner reißt sich darum, zu Dottore Cardello zu gehen.«
Dr. Daniel runzelte die Stirn.
»Cardello?« wiederholte er. »Diesen Namen hat Tessa einmal erwähnt. Sie fragte mich damals, ob ich auch ein Monsignore sei, und als ich erwiderte, ich wäre Arzt, da wollte sie wissen, ob ich denn so streng sei wie der Dottore Cardello.«
Monsignore Antonelli nickte. »Der gute Doktor erfreut sich allgemeiner Unbeliebtheit, aber es ist leider kein anderer Arzt da, zu dem man gehen könnte. Das bedeutet, daß er für alle Bereiche zuständig ist – gleichgültig, ob es sich nun um Ohrenschmerzen, Atembeschwerden, Kinderkrankheiten oder Unterleibsgeschichten handelt… Salvatore Cardello behandelt alles, und dabei geht er mit seinen Patienten nicht gerade zartfühlend um.«
»Es ist also anzunehmen, daß er auch seine Tochter untersucht hat«, mutmaßte Dr. Daniel.
»Ja, und dabei war er mit Sicherheit äußerst grob«, meinte Monsignore Antonelli. »Als ich Chiara gegenüber eine Untersuchung lediglich erwähnte, begann sie schon zu zittern.«
»Natürlich werde ich mir die junge Frau gerne einmal ansehen«, stimmte Dr. Daniel bereitwillig zu. »Ich fürchte aber, daß es in einem solchen Fall mit einer normalen gynäkologischen Untersuchung nicht getan sein wird. Um festzustellen, ob eine Frau unfruchtbar ist oder nicht, sind eine ganze Reihe von Tests nötig, und ich denke nicht, daß sich hier die geeigneten Apparate dafür finden werden.«
»In unserem kleinen Dorf sicher nicht«, räumte Monsignore Antonelli ein. »Allerdings gibt es nicht weit von hier ein Kloster, zu dem auch eine kleine Klinik gehört. Vielleicht finden Sie dort, was Sie benötigen.«
Dr. Daniel nickte. »Einen Versuch wäre es jedenfalls wert.« Er schwieg einen Moment. »Unter den gegebenen Umständen würde ich die junge Frau allerdings lieber auf neutralem Boden kennenlernen, um mich mit ihr zu unterhalten. Es könnte sich bei ihr nur nachteilig auswirken, wenn sie mich erst am Tag der Untersuchung kennenlernen würde.«
»Das denke ich auch«, stimmte der Monsignore zu. »Ich werde ein Treffen zwischen Ihnen und Chiara arrangieren.« Er reichte Dr. Daniel die Hand. »Ich danke Ihnen, daß Sie bereit sind, diese Untersuchung durchzuführen, obwohl Sie hier ja eigentlich Urlaub machen.«
»Wenn jemand meine Hilfe braucht, dann ist das wichtiger als mein Urlaub«, entgegnete Dr. Daniel schlicht.
*
Jana Kemmerer war zutiefst enttäuscht, als sie vor Dr. Daniels Praxis stand und erkennen mußte, daß sich der Arzt noch immer im Urlaub befand. Die Gynäkologin der Waldsee-Klinik, Dr. Alena Reintaler, die seine Vertretung übernommen hatte, war zwar sehr nett, trotzdem wäre es Jana lieber gewesen, wenn sie jetzt – so kurz vor der anstehenden Geburt ihres ersten Babys – noch einmal mit Dr. Daniel hätte sprechen können.
Die junge Frau seufzte tief, dann machte sie sich auf den Weg zur Waldsee-Klinik. Hier, auf diesem schattigen Pfad, war es angenehm kühl, und Jana atmete die würzige Waldluft ein. Sie mußte langsam gehen, denn schon die geringste Anstrengung führte jetzt bei ihr zu arger Atemnot.
Dann sah sie den hufeisenförmigen weißen Bau durch die Bäume schimmern. Mit einem sanften Lächeln streichelte sie über ihren Bauch.
»Da drinnen wirst du geboren werden«, flüsterte sie ihrem Baby zu, dann seufzte sie wieder. »Hoffentlich ist Dr. Daniel bis dahin aus dem Urlaub zurück.«
Durch den rückwärtigen Eingang betrat sie die Klinik und wandte sich der Sekretärin Martha Bergmeier zu, die wie immer in ihrem Glashäuschen mit der Aufschrift Information saß und mit Argusaugen darüber wachte, wer die Klinik betrat und verließ.
»Guten Morgen, Frau Bergmeier. Bei mir steht heute ei-
ne Schwangerschafts-Vorsorgeuntersuchung an«, erklärte Jana mit einem freundlichen Lä-cheln. »Dr. Daniel ist leider noch in Urlaub.«
»Ja, Frau Kemmerer, ich weiß«, entgegnete Martha. »Gehen Sie ruhig schon mal in die Gynäkologie hinüber.« Sie lä-chelte. »Mittlerweile kennen Sie sich hier ja gut aus, nicht wahr?«
»Da haben Sie recht«, stimmte Jana zu, zögerte aber noch. »Frau Bergmeier, wissen Sie vielleicht, wann Dr. Daniel wieder hier sein wird?«
Bedauernd schüttelte Martha den Kopf. »Tut mir leid, aber etwas Genaues weiß wohl niemand. Ich habe nur erfahren, daß sich Dr. Daniels Hochzeit auf Sardinien ein bißchen verschoben hat. Angeblich sollen er und Frau Dr. Carisi… ach nein, jetzt ist sie ja seine Frau… na ja, die beiden sollen wohl ein kleines italienisches Mädchen adoptiert haben.« Sie seufzte tief auf. »Aber mir gegenüber hüllt sich ja jeder in Schweigen.«
Jana hatte Mühe, ein Schmunzeln zu unterdrücken. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, warum Martha Bergmeier noch nicht genauer informiert war. Sie war zwar eine liebe, nette Frau, aber eben auch überaus gesprächig.
»Zehn Tage habe ich ja noch bis zum errechneten Termin«, erklärte Jana nun. »Vielleicht ist Dr. Daniel bis dahin ja wieder zurück.« Sie nickte Martha freundlich zu, dann ging sie in die Gynäkologie hinüber und setzte sich auf die weiße Kunststoffbank, die auf dem Flur stand.
Es dauerte nur wenige Minuten, bis Stefan, der Sohn von Dr. Daniel, den Flur entlangkam.
»Guten Morgen, Frau Kemmerer«, grüßte er lächelnd. »Frau Bergmeier hat mir gesagt, daß Sie zur Vorsorgeuntersuchung hergekommen sind.«
»Ja, Herr Doktor«, antwortete Jana, während sie sich ein wenig schwerfällig erhob. »Ihr Vater ist ja leider noch in Urlaub, sonst würde ich den Klinikbetrieb nicht so durcheinanderbringen.«
»Davon kann überhaupt keine Rede sein«, entgegnete Stefan nachdrücklich, dann ließ er Jana ins Untersuchungszimmer treten. »Normalerweise wäre Frau Dr. Reintaler für diese Untersuchung zuständig, aber sie ist momentan im Operationssaal, und es ist noch nicht abzusehen, wie lange der Eingriff dauern wird. Sie werden also mit mir vorliebnehmen müssen.«
»Das macht doch nichts«, meinte Jana. »Wenn Sie hier arbeiten dürfen, sind Sie bestimmt auch ein guter Arzt.«
Stefan lächelte. »Das hoffe ich.« Dann wies er auf einen der beiden Stühle, die vor dem Schreibtisch standen. »Bitte, Frau Kemmerer, nehmen Sie Platz.«
Er wartete, bis Jana seiner Aufforderung nachgekommen war, bevor auch er sich setzte und den Mutterpaß entgegennahm, den Jana ihm reichte.
»Ihre Schwangerschaft verlief bisher also problemlos«, stellte Stefan fest, während er die Eintragungen seines Vaters überflog, dann blickte er auf. »Haben Sie irgendwelche Beschwerden?«
Jana lächelte. »Wenn man davon absieht, daß ich ungefähr fünfzigmal am Tag auf die Toilette muß und nachts kaum noch schlafen kann, nicht.«
Stefan mußte lachen. »Ich nehme an, Sie sehnen den Geburtstermin regelrecht herbei.«
»Das