»Ich liebe dich auch, Elio. Ich liebe dich so sehr, daß es mir manchmal Angst macht.«
Zärtlich streichelte Elio ihr Gesicht. Er wußte genau, wovor sie wirklich Angst hatte.
»Du wirst mich nicht verlieren, Chiara«, versicherte er. »Niemals.« Wieder zog er sie in seine Arme und hielt sie fest an sich gedrückt. »Nichts und niemand wird unsere Ehe jemals zerstören.«
*
»Stell dir vor, Horst, jetzt muß ich morgen noch mal in die Klinik«, beklagte sich Jana Kemmerer bei ihrem Mann, dann seufzte sie. »Wenn Dr. Daniel hier wäre, würde bestimmt alles viel leichter gehen, der würde um die Geburt keinen solchen Zirkus machen.«
»Er hat aber auch gesagt, daß ein Kaiserschnitt besser wäre«, wandte Horst ein. »Und als du letztes Mal aus der Klinik gekommen bist, warst du von Dr. Daniels Sohn ganz begeistert.«
»Bin ich ja auch«, räumte Jana ein. »Er ist bestimmt ein gu-ter Arzt und genauso rücksichtsvoll wie sein Vater, aber… er ist doch noch so jung. Wahrscheinlich ist er deshalb so besorgt. Dabei besteht überhaupt kein Grund dazu. Immerhin hat Patricia bei der Geburt auch acht Pfund gewogen, und Corinna hat trotzdem normal entbunden.«
»Deine Schwester ist auch ein bißchen breiter gebaut als du, und Patricia war ihr zweites Kind«, entgegnete Horst, dann legte er einen Arm um Janas Schultern. »Vielleicht solltest du doch besser auf den jungen Dr. Daniel hören. Er mag zwar noch nicht so viel Erfahrung haben wie sein Vater, aber…«
»Ach, Unsinn«, wehrte Jana ab, dann machte sie ein enttäuschtes Gesicht. »Jetzt habe ich mich schon so auf eine natürliche Geburt gefreut. Wozu haben wir denn die ganzen Kurse gemacht, wenn ich letzten Endes doch eine Narkose bekomme und mir das Baby herausoperiert wird wie ein entzündeter Blinddarm?«
Trotz des Ernstes der Lage mußte Horst über diesen Vergleich lachen. »Also weißt du, Jana, so ist es ja nun auch wieder nicht. Im übrigen könntest du einen Kaiserschnitt ebenfalls wach miterleben. Ich habe erst kürzlich gelesen…«
»Ja, ich auch«, fiel Jana ihm ins Wort, dann schüttelte sie entschieden den Kopf. »Nein, Horst, ich stelle mir das so schrecklich vor. Sicher, durch die Periduralanästhesie hätte ich keine Schmerzen, aber trotzdem würde ich fühlen, wie da an mir herumgeschnitten wird.« Sie sah ihren Mann an. »Möchtest du dir vielleicht unter örtlicher Betäubung den Bauch aufschneiden lassen?«
Ein eisiger Schauer rann Horst über den Rücken. »Wenn ich ehrlich bin – nein.« Er grinste. »Aber ich bin ja sowieso ein Hasenfuß, wenn es um so etwas geht.« Dann wurde er wieder ernster. »Wenn ich mir vorstelle, was du bei einer normalen Geburt auszuhalten hast…, an deiner Stelle würde ich das alles ganz gern verschlafen und dann als frischgebackene Mami aufwachen.«
»Ahnst du überhaupt, wie man sich nach einem Kaiserschnitt fühlt? Beate hat mir die reinsten Schauermärchen erzählt.«
Horst zog eine Grimasse. »Beate! Wenn die sich nur in den Finger schneidet, macht sie schon ein Drama daraus. Also wirklich, Jana, auf Beate würde ich in dieser Hinsicht an deiner Stelle nicht hören.«
Die junge Frau seufzte tief auf, dann streichelte sie über ihren gerundeten Bauch. »Wie auch immer. Ich werde jedenfalls morgen früh wieder in die Klinik gehen und mich noch einmal untersuchen lassen.« Sie schwieg kurz. »Ich glaube allerdings nicht, daß ich mich zu einem Kaiserschnitt überreden lassen werde.«
*
Daran glaubte auch Stefan Daniel schon fast nicht mehr. Die erneute Abmessung des Babys hatte ergeben, daß es mindestens acht, wenn nicht gar neun Pfund schwer sein würde, doch sein wiederholter Versuch, Jana Kemmerer von der Notwendigkeit eines Kaiserschnitts zu überzeugen, war gescheitert.
»Warten Sie bitte noch einen Augenblick hier«, bat er die junge Patientin, dann holte er die Gynäkologin der Klinik, doch auch Alena Reintaler hatte bei Jana nicht viel Glück.
»Dr. Daniel hat gesagt, eine Spontangeburt ist möglich, wenn ich in der Klinik entbinde«, erklärte Jana fest entschlossen. »Und das werde ich ja auch tun, aber ein Kaiserschnitt kommt für mich nicht in Frage. Es sei denn, Sie könnten mir beweisen, daß wirklich wichtige Gründe dafür vorliegen würden.«
Alena seufzte. »Ich glaube eigentlich, die Größe und das Gewicht des Kindes sind schon Grund genug.« Sie betrachtete die Bemerkungen, die Stefan auf das Krankenblatt geschrieben hatte. »Frau Kemmerer, wir können Sie nicht zum Kaiserschnitt zwingen, aber schon im Interesse Ihres Babys sollten Sie zustimmen, und ich bin sicher, daß Dr. Daniel derselben Meinung wäre, wenn er jetzt die Möglichkeit hätte, Sie zu untersuchen.«
»Er hat mich doch vor sieben Wochen noch untersucht«, wandte Jana ein. »Damals war das Baby auch schon groß. Er hat es ja selbst gesagt.«
»Und er hat Ihnen zum Kaiserschnitt geraten«, fügte Alena hinzu.
»Ja«, räumte Jana widerwillig ein. »Aber als ich sagte, ich würde lieber normal entbinden, hatte er auch nichts dagegen.«
»In der Zwischenzeit ist das Baby aber nochmals entscheidend gewachsen«, erklärte Alena. »Und zwar ganz beträchtlich. Das konnte Dr. Daniel damals jedoch noch nicht vorhersehen. Bitte, Frau Kemmerer, hören Sie auf uns. Lassen Sie es nicht darauf ankommen, daß Ihrem Baby am Ende etwas passiert.« Sie warf einen Blick in den Mutterpaß. »Das Kleine ist geburtsreif. Wenn wir heute oder spätestens morgen den Kaiserschnitt machen würden…«
»Nein«, widersprach Jana
energisch. »Ich will eine natürliche Geburt.« Sie stand auf. »Ich will die Ankunft meines ersten Kindes nicht verschlafen.«
»Es ist hoffnungslos«, erklärte Alena niedergeschlagen, als Jana gegangen und sie mit Stefan allein war.
Verständnislos schüttelte auch der junge Assistenzarzt den Kopf. »Wie kann man nur so verbohrt sein? Warum begreift sie nicht, daß sie mit ihrer Halsstarrigkeit nicht nur das Baby, sondern womöglich auch noch sich selbst in Gefahr bringt?«
Alena zuckte die Schultern. »Mit solchen uneinsichtigen Patienten müssen wir uns leider immer wieder herumschlagen.« Sie seufzte. »Wir können nur hoffen, daß unser Team vollständig vertreten sein wird, wenn sie mit Wehen hier in der Klinik ankommt, denn daß es bei dieser Geburt zu Komplikationen kommen wird, ist schon so gut wie vorprogrammiert.«
*
»Was schaust du da für Fotos an, Papa?« fragte Tessa neugierig und sah Dr. Daniel über die Schulter.
»Da kann man ja überhaupt nichts drauf erkennen«, erklärte sie enttäuscht, dann schüttelte sie mißbilligend den Kopf. »Da hat Monsignore Antonelli aber schönere Fotos gemacht.«
Dr. Daniel mußte lachen. »Das sind keine Fotos, Mäus-chen, sondern Röntgenaufnahmen.« Er stand auf. »Ich muß rasch zu den Sandrinis hin-über.«
Genußvoll leckte sich Tessa die Lippen. »Bringst du mir dann eine Pizza mit? Die ›San-drini Speciale‹ ist die beste Piz-za, die es auf Sardinien gibt.«
Liebevoll nahm Dr. Daniel sein Töchterchen auf den Arm. »Ich dachte, Mario würde die beste Pizza machen?«
»Ja, aber Elio macht die zweitbeste«, entgegnete Tessa schlagfertig.
Manon schmunzelte. »Um eine Antwort ist unsere Tochter wirklich nie verlegen.«
Dr. Daniel nickte. »Das Gefühl habe ich auch.« Er gab Tessa einen Kuß auf die Wange, bevor er sie wieder auf den Boden stellte. »Also schön, Mäuschen, ich bringe dir deine heißgeliebte Pizza mit.«
»Aber nur die ›Sandrini Speciale‹«, betonte Tessa noch einmal.
»Ich werde mich hüten, dir etwas anderes zu bringen«, versprach Dr. Daniel lächelnd, dann wandte er sich Manon zu. »Ich beeile mich. In spätestens einer halben Stunde bin ich wieder hier.«
Seine