ABENTEUER LASS NACH. Scott Meyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Scott Meyer
Издательство: Bookwire
Серия: Magic 2.0
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958352582
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wenig begeistert ihren Fund.

      Der Pfad war schmal, fiel zu einer Seite hin steil ab, auf der anderen Seite wurde er von einer Felswand begrenzt. Die unglückselige Gruppe war offensichtlich von zwei Seiten von den Wölfen angegriffen worden. Flecken an der Felswand und auf dem Boden zeigten an, wo sie zu Boden gegangen waren. Ihre Überreste lagen über mehrere Meter in beiden Richtungen auf dem Weg verstreut. Pelze, Umhänge, Schlafsäcke, Rucksäcke, Schwerter, Schilde und Dolche wurden eingesammelt und auf unterschiedlichen Haufen zusammengetragen. Tyler entdeckte ein Paar lederne Kniehosen und ein Hemd aus Hirschleder. Er blickte verstohlen zu Jimmy, der im Gegensatz zu den anderen barfuß und nur mit einem dünnen Schlafanzug bekleidet war.

      Tyler hatte mehr Grund Jimmy zu hassen als irgendjemand sonst. Zu der Zeit, als Jimmy noch Merlin hieß und Vorsitzender der Zauberer gewesen war, hatte er eine furchtbar schlechte Idee gehabt. Wie so oft bei richtig schrecklich schlechten Ideen, hatte auch er sie zunächst für großartige gehalten, bis er jemand anderem davon erzählt hatte. Er hatte versucht, Tyler in seine Machenschaften mithineinzuziehen. Als Tyler sich geweigert hatte, bei seinem Vorhaben mitzumachen, hatte Jimmy ihn durch »Vergeistern« zum Schweigen gebracht. Tyler hatte daraufhin mehrere Tage unsichtbar, substanzlos und kommunikationsunfähig verbracht. Das wäre an sich schon schlimm genug gewesen, doch zu allem Überfluss war er zusätzlich die gesamte Zeit noch vom Gefühl, verhungern zu müssen, vor Durst umzukommen, zu ersticken und permanent aufs Klo zu müssen gequält worden. Während seiner gesamten Leidenszeit konnte er seine Freunde beobachten, die sich fragten, wo er wohl stecken mochte. Er war mitten unter ihnen und litt Höllenqualen, im vollen Bewusstsein, dass er das alles Jimmy zu verdanken hatte.

      Tyler räusperte sich. Jimmy schaute auf. Tyler warf ihm die Kleider zu. Jimmy fing sie ungeschickt auf. Als er sah, was er da in den Händen hielt, hellte sich seine Miene auf.

      Er blickte wieder zu Tyler und sagte: »Danke schön.«

      Tyler machte ein finsteres Gesicht und widmete seine Aufmerksamkeit keine Sekunde länger Jimmys Dankbarkeit, sondern lieber angenehmeren Dingen. Der Leichenfledderei zum Beispiel.

      Kurze Zeit später hatten sie sich wieder auf den Weg gemacht. Philip, Tyler und Gary trugen Pelze und Umhänge über ihren Roben und ihrer Straßenkleidung. Jimmy trug die Kniehosen und das Hemd, die Tyler entdeckt hatte, dazu Stiefel, für die der Vorbesitzer keine Verwendung mehr hatte. Alle waren mit Schwert, Schild und Dolch ausgestattet. Die Rucksäcke dienten zum Transport der anderen geplünderten, nützlichen Gegenstände, darunter auch ein Feuerstein. Jimmys Stiefel waren ihm zu groß, jedoch hütete er sich davor, sich zu beklagen. Keiner aus der Gruppe würde viel Mitgefühl zeigen.

      Es war noch keine Stunde vergangen seit ihrer Bewaffnung, da bot sich ihnen schon die erste Gelegenheit, die Waffen einzusetzen. Der Pfad bergauf war weiterhin schmal, mit einer steilen Felswand zu ihrer Linken und einem schwindelerregenden Abgrund zu ihrer Rechten. Hinter einer Biegung sahen sie sich plötzlich einem ausgewachsenen Bergwolf gegenüber, der ihnen den Weg versperrte.

      Philip, der die Gruppe anführte, blieb unvermittelt stehen, als er den Wolf erblickte. Er hatte ein dunkelbraunes Fell, gelbe Augen und Pfoten so groß wie Fanghandschuhe. Einhundert Pfund angespannter Muskeln und Wut. Kurz nur trafen sich ihre Blicke; dann schnellte der Wolf los, um Philip an die Kehle zu gehen.

      Zum Glück, und Philip war nun mal ein Glückspilz, lief Gary hinter Philip. Und Gary war unachtsam. Er lief in Philip hinein, sodass dieser völlig unerwartet vornüberstürzte und auf Händen und Knien landete. Niemand war darüber mehr überrascht als der Wolf. Er hatte sich in Philips Hals verbeißen wollen, landete jedoch stattdessen recht unbeholfen auf dessen Rücken, weil der zu Boden gegangen war. Gary entfuhr ein erschrockenes Jaulen. Der Wolf berappelte sich schnell wieder und sprang von Philips Rücken ab, Garys Kehle anvisierend.

      Mit einem lauten Kreischen hob Gary instinktiv seinen rechten Arm, um sein Gesicht zu schützen. Gary war dankbar, dass die dicke pelzbesetzte Tierhaut den Biss des Wolfes einigermaßen abhielt. Doch trotz des Fells fühlte es sich an, als würde sein Arm von einem Schraubstock zerquetscht. Das Gewicht des Wolfes zog ihn nach vorn. Gary blieb auf den Beinen. Während der Wolf weiter mit aller Macht Garys Arm attackierte, hatte Philip sich wieder gesammelt, stand auf und schubste das Hinterteil des Wolfes in Richtung des Abgrunds. Gary drehte sich im gleichen Moment rechts herum, wodurch er den Wolf über den Rand des Abhangs hinausschwang wie ein irres Fahrgeschäft für Wildtiere. Nur mit Mühe konnte Gary sich aufrechthalten und verhindern, mit in den Tod gerissen zu werden. Der Wolf ließ nicht ab von seinem Arm, sodass das Raubtier, als Gary sich weiterdrehte, wieder zurückschwang und einen höchst überraschten Tyler seitlich am Kopf traf.

      Tyler wurde gegen die Felswand zu seiner Linken geschleudert. Der Wolf krachte auf den Boden und hatte Schwierigkeiten, auf dem schmalen Pfad wieder auf die Beine zu kommen. Er hatte gerade alle vier Pfoten unter sich sortiert, als er einen von Jimmys übergroßen Stiefeln an den Kopf bekam.

      Der Wolf rollte seitwärts über die Felskante. Sie sahen zu, wie der Wolf sich überschlug, dann fiel, sich abermals überschlug, wieder fiel, bis er schließlich zu weit entfernt war, um seinen Weg nach unten weiter verfolgen zu können. Gary freute sich. »Wow. Gut, dass wir diese Schwerter haben.«

      Für den Rest des Tages setzten sie ihre Wanderung überwiegend schweigend fort. Der Pfad blieb weiter schmal und unsicher. Ihr Marsch war durchsetzt von gelegentlichen Begegnungen mit wütenden Wölfen. Nachdem der dritte Wolf ihnen den Weg versperrt und Philip angefallen hatte, bestand dieser darauf, jemand anders möge die Führung übernehmen, und er würde die Nachhut bilden. Aus irgendeinem Grund erfolgte die nächste Wolfsattacke von hinten, doch hatte Philip mittlerweile den Dreh raus, abzuwarten, bis sie lossprangen, und sie dann, während sie sich in der Luft befanden, in den Abgrund zu stoßen. Die anderen waren sich einig: Man sollte sich besser nicht mit Philip anlegen, wenn man mit ihm an einem Abgrund stand. Er war zum Meister des Todes durch Schubsen geworden.

      Am Ende des Tages, der ihnen vorkam, als hätte er mehrere Jahre gedauert, wurde der Weg etwas breiter und führte sie zu einer Baumgruppe, an einer einigermaßen ebenen Stelle direkt am Hang. Jimmy hatte überraschend viel Übung im Feuermachen.

      »Woher kannst du das so gut?«, fragte Philip.

      Jimmy antwortete: »Ich habe dreißig Jahre auf einem Fahrrad gelebt. Es hatte keine Küche und Zentralheizung.« Er lächelte ganz bewusst, während er das mitteilte. Sie hatten seine Entschuldigung akzeptiert, doch keiner der Zauberer hatte ihm wirklich vergeben, und ganz sicher hatten sie nicht vergessen. Es gab gewisse Dinge, die er niemals würde tun können, falls er jemals ihr Vertrauen zurückgewinnen wollte. Insbesondere konnte er auf gar keinen Fall seinem Ärger über ihre Strafmaßnahmen Ausdruck verleihen.

      Philip und Jimmy kümmerten sich um das Feuer, genauer gesagt, kümmerte sich Jimmy um das Feuer, während Philip Jimmy im Auge behielt. Tyler und Gary kämpften gegen einen weiteren Wolf und erlegten ihn, nachdem dieser sich aus dem Unterholz heraus angeschlichen hatte und Gary, ohne jegliche Provokation, angreifen und ihm, schon wieder, an die Kehle gehen wollte. Gary schützte sein Gesicht, fiel nach hinten um und der Wolf auf ihn drauf. Während der Wolf durch seinen Versuch, Gary zu töten, abgelenkt war, näherte sich Tyler ihm von der Seite und durchbohrte ihn etwas unbeholfen mit seinem Schwert.

      Tyler schüttelte den Kopf. »Diese Wölfe. Scheinbar greifen die immer auf die gleiche Weise an.«

      Philip äußerte seine Vermutung: »Weil sie alle der gleiche Wolf sind. Ich hatte unterwegs schon so einen Verdacht. Jetzt bin ich mir sicher. Todd hat nur einen Wolf, den er immer und immer wieder erzeugt. Die sehen alle genau gleich aus, haben dieselbe Größe und greifen immer gleich an. Sie sehen dich. Sie gehen in Angriffsstellung. Sie knurren, bis man bis drei gezählt hat, und springen dir dann an den Kopf. Dann kannst du sie, wenn du es richtig abpasst, ganz einfach vom Berg schubsen.«

      Gary betrachtet den Wolf vor ihm auf dem Boden und sagte: »Ah. Cool.«

      »Ja«, fand auch Tyler. »Den hier sollten wir wohl nicht verkommen lassen.« Tyler wollte den Wolfskadaver packen und stutzte, als seine Hand durch ihn hindurchging. Vor ihren Augen löste sich der Kadaver langsam auf und hinterließ ein kleines, eingewickeltes Päckchen, auf