Schwester Melisse. Tanja Schurkus

den Jahren der Wanderschaft. Was war da schon ein finanzielles Risiko? Warum diese Unruhe?

      Warum wünschte sie sich, dass es schon Juli wäre und sie die Melissenernte ihrer Vertragsbauern verarbeiten konnte? Weil es ihr endlich die Frage beantworten würde, ob Gott einen Plan für sie hatte, ob er diesen Plan für sie hatte. Gott hatte für jeden Menschen einen Plan, aber war es nicht vermessen von ihr zu glauben, dass es für sie keinen gewöhnlichen Plan gab? Nicht den der Ehefrau und Mutter, nicht den der einfachen und bescheidenen Nonne; war es Überheblichkeit, wenn sie sich sagte, dass Gott ihr besondere Talente gegeben hatte, die sie nutzen musste? Das Gleichnis mit den Talenten, das sie sich selbst zur Ermutigung gab, hatte eine Gegengeschichte, die ihr eine Warnung sein sollte: die Säuberung des Tempels, die Wut des Heilands auf diejenigen, die aus dem Glauben ein Geschäft machten, die Geldwechsler und Wucherer, die ihren Profit daraus machten, dass es die Menschen nach der Begegnung mit dem Höheren sehnte. War es nicht auch das, was sie mit der Vermarktung der Klosterrezepturen tat? Sie suchte nicht den Profit, aber sie spürte die Versuchung, in dem geschäftlichen Erfolg ihre Auserwähltheit zu sehen. Im Sommer würde sie wissen, ob sie dafür belohnt oder bestraft werden würde.